Die Ukraine braucht Unterstützung im Krieg gegen Russland. Doch wie kann er enden, fragt Louis Klamroth bei „Hart aber fair“.
„Hart aber fair“ zur Ukraine„Da kriege ich jetzt Puls“ – Strack-Zimmermann empört sich über SPD-Politiker
Es ist mittlerweile gut ein-ein viertel Jahr her, dass Putin den russischen Überfall auf die Ukraine befahl und den Krieg eskalieren ließ. Der zerborstene Kachowka-Staudamm und die Flut in der Ukraine zeigen: Dieser Krieg kann immer noch schlimmer werden. Doch besteht noch eine Chance auf den Frieden? Diese Frage stellt Moderator Louis Klamroth am Montagabend bei „Hart aber fair“ seinen Gästen:
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Bundestagsabgeordnete, Mitglied im Bundesvorstand
- Ralf Stegner, SPD, Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
- Katja Gloger, Journalistin und Buchautorin, Russlandexpertin
- Alexander Rodnyansky, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj
- Sönke Neitzel, Militärhistoriker, Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam
Zu Beginn teilt dafür Hanna Bovhyria ihre Geschichte mit dem Moderator. Die Ukrainerin ist zu Beginn des Krieges mit ihren Kindern und ohne ihren Mann nach Deutschland gekommen und kritisiert: „Wir haben Russland zu viel erlaubt und deshalb kennen sie keine Grenzen mehr“. Sie könne ihre Gefühle nicht in Worte fassen, verliere ihre Hoffnung nicht, weil sie sie für ihre Kinder nicht verlieren kann. Und sie warnt: „Wenn wir Russland jetzt nicht stoppen, geht Russland immer weiter.“
„Hart aber fair“: Ukraine braucht weiter Waffen und Unterstützung
Doch wie Russland zu stoppen ist, ist die große Frage des Abends und wird auch zum Ende nicht geklärt. Viel mehr wird die Lage von den Gästen eingeordnet. Zunächst geht es also um die aktuelle Lage in der Ukraine und die Bedeutung des zerstörten Damms für den gesamten Krieg. Die Gäste scheinen sich einig: Der Staudamm ist eine weitere Eskalation des Krieges und ein Angriff der Russen, um die ukrainische Offensive zu verlangsamen.
Der Damm sei ein letztes großes Beispiel, von dem, was Putin seit Monaten versucht: Die Infrastruktur zu zerstören, um die Ukraine zu schwächen, sagt Journalistin Katja Gloger. „Was die tatsächlichen Folgen sind, kann man noch nicht beziffern, aber die Flora und Fauna sind beschädigt, die Menschen sind beschädigt und auf Rettungsbote wird geschossen“, berichtet Selenskyj-Berater Alexander Rodnyansky. Er glaube jedoch nicht, dass es Russland gelingen wird, die Ukraine einzudämmen. Doch es werde weiterhin schwer. Deshalb brauche das Land mehr Waffen und weiterhin Unterstützung.
Dass die Unterstützung nicht aufhören darf, ist Konsens im Studio. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, betont immer wieder, dass die Ukraine den Krieg nicht angefangen hat und deshalb auch nicht den Krieg beenden kann, aber eben auch nicht aufgeben darf. „Putin hofft darauf, dass diese Resilienz, diese Unterstützung von über 50 Ländern nachlässt und das darf nicht passieren“. Sie steht deshalb dahinter, vor allem mit Waffen zu unterstützten, um es dem Land eben möglich zu machen, sich zu wehren. Doch das gehe dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner nicht weit genug. Er fordert mehr diplomatische Lösungen.
Putin tut alles, um die ukrainische Offensive zu schwächen
Dass diplomatische Lösungen nicht einfach sind, zeigen die vielen ungeklärten Fragen und eben auch Putins Vorgehensweise, der alles tut, um seine Macht zu behalten. So werden beispielsweise die Wagner Söldner thematisiert, die sich ganz offen gegen die Armee aussprechen. Was absurd scheint, sei eine weitere Taktik Putins.
„Er balanciert die verschiedenen Gruppen mit Waffen gegeneinander aus“, ordnet Ina Ruck aus dem ARD-Livestudio in Russland ein. Sein Machtverlust, wenn sich die Gruppen zusammentun würden, sei nicht einzuschätzen, deshalb spiele er sie lieber gegeneinander aus und lässt alle für sich kämpfen. Auch Militärhistoriker Sönke Neitzel geht davon aus, dass die Gruppierungen System stabilisierend wirken.
Auch die Drohnenangriffe in Moskau nutze Putin für Propaganda. Davor sei der Krieg ganz weit weg gewesen und plötzlich war er in Moskau zu spüren, berichtet Ruck aus der Liveschalte. Sie habe zwar zunächst gespaltene Meinungen in der Bevölkerung wahrgenommen, doch diese seien schnell besänftigt worden durch die Herausstellung davon, wie viele Drohnen abgewehrt werden konnten. „Ich bin geschockt, wie sehr die Meinung und die Reaktion letztlich gesteuert wird“, sagt Ruck, „Niemand stellt hier Fragen“.
Diskussion bei „Hart aber fair“: Mehr Waffen oder mehr Diplomatie?
Wie kann man also Putin, der mit allen Mitteln, nicht nur militärischen, kämpft, entgegenwirken? Wie kann der Krieg beendet werden? Mehr Waffen oder mehr Diplomatie? 55 Prozent der Deutschen gingen die diplomatischen Bemühungen nicht weit genug, zeigt eine repräsentative Umfrage, durch die Stegner sich bestätigt sieht: „Wir müssen durch diplomatische Möglichkeiten Druck ausüben“.
Strack-Zimmermann hingegen betont daraufhin, dass Diplomatie nur etwas bringe, wenn die andere Seite bereit wäre, zuzuhören und das sei momentan nicht der Fall. „Wenn die Ukraine sich heute zurückzieht, dann ist die Ukraine weg“. Wenn es Verhandlungen geben soll, müssen diese also von Russland kommen oder Russland geschwächt genug sein. Als Stegner dann sagt, dass die Ukraine Gesicht zeigen und ihre Karten offenlegen solle, unterbricht Strack-Zimmermann: „Sorry, aber da kriege ich jetzt Puls. Die Ukraine will einfach nur überleben“.
Das betont auch Alexander Rodnyansky immer wieder. Das einzige Ziel sei es, die Ukraine zu befreien und dabei so wenig Leute wie möglich zu verlieren, sagt er. „Das Ende wird kommen und dann mit Sicherheit durch Diplomatie, aber da sind wir momentan einfach noch nicht“.