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So war der Kölner „Tatort“Eine Kritik am Sozialsystem – emotional und bewegend

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Monika Keller (Rike Eckermann, links) verkauft am Dom Obdachlosenzeitungen. Sie hilft Ella Jung (Ricarda Seifried, rechts), die gerade erst lernt, sich auf der Straße durchzuschlagen. 

Köln – Der Fall

Monika Keller (Rike Eckermann) lebte schon viele Jahre auf der Straße und kümmerte sich immer wieder um Menschen, die gerade erst obdachlos geworden sind. So auch um Ella Jung (Ricarda Seifried). Sie war von zu Hause geflüchtet, wo ihr Mann sie schlug. In einer Nacht ließ Ella Monika alleine, um bei einem Fremden Unterschlupf zu finden. Am nächsten Morgen fanden Kölner „Tatort“-Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) die obdachlose Monika Keller tot am Rheinufer. Sie wurde mit Schnaps übergossen und angezündet.

Die Auflösung

Die Obdachlose Monika Keller war schon tot bevor sie verbrannt wurde. Das entlastete eine andere mit dem Mordopfer verfeindete Obdachlose, die gestand, dass sie Keller „nur ärgern wollte“. Die Laborergebnisse zeigten, dass Keller an einer Oberdosis Fentanyl – einem starken Schmerzmittel – gestorben ist. Der Tod kam mit der Thermoskanne. Jemand hatte ihren Tee vergiftet.

Ballauf und Schenk verdächtigen die obdachlose Altenpflegerin Katja Fischer (Jana Julia Roth) bis zum Schluss. In ihrem Pflegeheim wurde ein Fentanyl-Nasenspray gestohlen, den Beipackzettel fanden die Ermittler in Fischers Auto. Sie stritt das ab, das Nasenspray sei ihr geklaut worden.

Erst als Ella Jung Kontakt zu den Polizisten aufnahm, kamen sie auf die richtige Fährte. Ella hatte in Kellers Vertrauen einen Umschlag für sie aufgehoben. Der Inhalt: Kontoauszüge. Die Leiterin der Obdachlosenhilfe Regine Weigand (Hildegard Schroedter) hatte monatlich 180 Euro unterschlagen. Eine Erhöhung bei Strom und Miete konnte sie sich nicht leisten.

Die Kommissare

Ermittler Ballauf und Schenk brachten in dem „Tatort“ keine private Ebene mit hinein. Das Thema war stark genug, um den kompletten Film zu füllen. Die einzigen Momente zum Schmunzeln bringen allerdings die Konversationen von Ballauf und Schenk mit ihrem Team. Etwa wenn Jütte (Roland Riebeling) ganz unschuldig seine Versäumnisse in der Ermittlung zugibt: „Dazu hatte ich keinen Auftrag.“ Oder wenn Natalie Förster (Tinka Fürst) die Kommissare damit aufzieht, ob sie sich noch an den Musiker Prince erinnern könnten – schließlich sei in ihrem Alter Demenz durchaus schon ein Thema.

Die Frauenfiguren

In dem Kölner „Tatort“ von Autor Jürgen Werner und Regisseurin Nina Wolfrum stand die Obdachlosigkeit im Mittelpunkt, eigentlich sogar die Obdachlosigkeit von Frauen. Sie wurden geschlagen, vergewaltigt, bestohlen, ausgenutzt. Ein Kampf ums Überleben, der ganz nah an den Zuschauenden herangebracht wird. Die Bilder waren oft fokussiert auf die Gesichter der Frauen, insbesondere auf Ella. Der Hintergrund wurde oft unscharf – was gleichzeitig den Vorteil hatte, das Menschen im Hintergrund nicht mit Masken gesehen wurden, schließlich fanden die Dreharbeiten während der Corona-Pandemie statt.

Die dargestellten Frauenfiguren waren dabei sehr unterschiedlich. Da ist Ella, geschlagen von ihrem Mann, auf die Straße geflüchtet, Zuflucht bei einem Fremden gesucht, der sie auch vergewaltigt und schlägt. Eine gebrochene und gleichzeitig starke Persönlichkeit. Sie bekam am Ende die Chance, die man sich für sie wünscht. Die Chance auf ein neues Leben.

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Katja Fischer wollte sich in der Altenpflege selbstständig machen, was schief ging. Deshalb hat sie Schulden, gleichzeitig hat sie ein schlechtes Gehalt. Keine Chance also in Köln eine Wohnung zu bekommen. Als Keller bei der Polizei für sie Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet hat sie Panik, dass bei den Ermittlungen ihre Obdachlosigkeit herauskommt. Aus Angst, dass sie das, was von ihrer Existenz noch über ist, auch noch verliert.

Und dann ist da Regine Weigand, eine Frau, die sich in der Obdachlosenhilfe aufopfert. Dafür bezahlt die Stadt ihr aber nur eine halbe Stelle, nicht genug, um die Miet- und Stromerhöhung bezahlen zu können. Dabei wird im Film deutlich, dass sie sicher nicht über ihre Verhältnisse lebt. Eine einfache Wohnung mit Ausklapptisch und -bett. Kein Luxus. Aus Verzweiflung tötet sie die Person, die alles auffliegen lassen könnte.

Das Fazit

Der „Tatort“ „Wie alle anderen“ ist eine Kritik am deutschen Sozialsystem. „Ohne Wohnung hast du keine Chance. Egal wie viel du kämpfst, machst und tust, um wieder auf die Beine zu kommen. Am Ende gewinnt immer die Straße“, sagt Weigand am Ende.

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Wie real diese Kritik ist, zeigt der Film mit abschließenden Bildern von scheinbar Obdachlosen in Köln. Am Ende lächelten sie in Nahaufnahmen direkt in die Kamera. Das ging unter die Haut. Ein ernster Krimi, ohne besonderen Spannungsbogen, aber emotional und bewegend.