- Das renommierte Artemis Quartett sollte am Mittwochabend in der Kölner Philharmonie auftreten.
- Zuvor gastierten die Musiker im Corona-Risikogebiet Brüssel. An der Grenze ließen sich die Musiker testen.
- Ein Test ging verloren. Wie das zum Trio geschrumpfte Streichquartett schließlich doch noch in Köln auftreten konnte.
Corona macht – je nach dem – nicht nur krank, sondern auch schlank. So eine unwillentliche Schlankheitskur wurde jetzt kurzfristig dem renommierten Artemis-Quartett vor seinem Konzertauftritt in der Kölner Philharmonie zuteil – und führte zu einem vom Publikum nicht erwarteten, aber naheliegend unausweichlichen kompletten Austausch des Programms.
Was war passiert? Das Quartett hatte, wie Philharmonie-Intendant Louwrens Langevoort am Beginn berichtete, zuvor einen Termin in Brüssel absolviert. Weil Belgien inzwischen Risikogebiet ist, mussten sich die Musiker bei der Wiedereinreise in die Bundesrepublik auf eine mögliche Corona-Infektion hin testen lassen. Bei drei Mitgliedern der Formation war das Ergebnis negativ. Beim vierten war es nicht etwa positiv, sondern konnte überhaupt nicht ermittelt werden. Der Befund war „verschütt jange“, wie man in Köln sagen würde. Kein Resultat war in diesem Fall aber auch ein Resultat – bis zum Vorliegen eines erwartbar negativen Ergebnisses hat der Musiker sich den amtlichen Bestimmungen zufolge in Quarantäne zu begeben.
Nun kann man beim Streichquartettspiel nicht ausgerechnet eine Stimme „streichen“ und frohgemut als Trio weiterspielen – Mozart, Beethoven und Brahms würden sich im Grabe herumdrehen. Wenn in großen Orchestern eine Violine am dritten Pult der zweiten Geigen kurzfristig ausfällt, kräht danach kein Hahn; wenn jemand im Quartett passen muss, bricht sofort die Struktur zusammen.
Was tun? Zwei Artemis-Musiker – die erste Geigerin Vineta Sareika und die Cellistin Harriet Krijgh – konnten trotz der Panne bewogen werden, nach Köln zu kommen, außerdem der (frühere Artemis-)Cellist Eckart Runge, der im ersten Teil des ursprünglichen Programms das Quartett zum Quintett hätte ergänzen sollen. Mit Beethovens als Quintett bearbeiteter Kreutzer-Sonate sowie seinem Streichquartett opus 59/3 (dessen finale Fuge es als Erkennungsmelodie des Literarischen Quartetts einst zu einer gewissen Berühmtheit über den engeren Kreis der Kammermusikfreunde hinaus gebracht hatte) war es freilich nichts mehr.
Durch Langevoorts spontane Aktivierung des vor kurzem von Bonn nach Köln umgezogenen Pianisten Fabian Müller, der gleichsam als künstlerischer Kitt der auseinanderdriftenden Repertoirealternativen wirkte, gelang es dann trotzdem, in kurzer Zeit – es ging immerhin um ein paar Stunden – eine attraktive und auch einigermaßen schlüssig gebaute Agenda auf die Beine zu stellen. Sie fand erkennbar auch das Wohlwollen des Publikums. Dass das Konzert sogar noch eine Viertelstunde länger als die ursprünglich veranschlagten 75 Minuten dauerte, sei nur am Rande vermerkt.
Die Artemis-Cellistin Krijgh eröffnete jetzt allein auf weiter Flur mit der C-Dur-Cellosuite von Bach, danach spielte Sareika mit Müller Mozarts e-Moll-Sonate KV 304. Und Beethoven kam auch noch dran: mit der von Runge und Müller interpretierten späten Sonate Opus 102/2, der ein umgeschriebenes Lied ohne Worte von Mendelssohn voranging. In der sozusagen gewölbeschließenden Zugabe vereinigten sich Sareika, Runge und Müller im langsamen Mittelsatz von Mendelssohns Klaviertrio opus 49.
An dieser Stelle wird ein großes Lob fällig: an die Philharmonieintendanz für eine logistische Meisterleistung ad hoc und an die Musiker für eine künstlerische Performance, der man das de facto-Entfallen des Probenvorlaufs kaum anmerkte. Die Koordination von Violine und Cello mit dem Flügel etwa klappte weithin wie am Schnürchen, da fiel nichts auseinander. Sensible und nervenstarke Profis wirft halt so schnell nichts aus der Bahn. Nicht einmal Corona.