Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker Stellung zur Kritik an ihrer Arbeit und der von Verwaltung und Rat der Stadt Köln genommen. Leser kommentieren ihre Aussagen.
Leserbriefe zum Reker-Interview:„Schuld sind immer die anderen“
„Ich habe unterschätzt, wie viel im Argen lag “ – Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Interview (26.11.)
Verantwortungsübernahme fehlt
Beim Interview mit OB Henriette Reker musste ich an die Komikerin Gaby Köster denken, die mit ihrer Bühnenfigur „Nikoll“ den berühmten Satz prägte: „Dat war isch nit, dat war schon vorher kaputt!“ Problem des Schulplatzmangels? Reker: „Versäumnisse vergangener Jahrzehnte“. Also: „Dat war isch nit“. Operndesaster? „Es wird der größte Erfolg meiner Amtszeit, wenn ich die Oper eröffne. Als ich das Amt übernommen habe, waren ja schon 200 Millionen ausgegeben.“ Also: „Dat war isch nit“. Die Kosten hierfür werden mittlerweile auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzt.
Silvesternacht? Erst spät gab sie Fehler zu – vor allem kritisierte sie das Land und die Polizei. Also: „Dat war isch nit“. Die Liste ließe sich fortführen: das vollständig digitale Baugenehmigungsverfahren, Museumsbauten im Verzug, Kalkberg und und und. Was Bernhard Paul in einem Interview mit Stefan Worring im März 2022 auf den Punkt brachte, gilt heute um so mehr: „Die Stadt Köln kommt nicht aus dem Quark. [...] Die Oberbürgermeisterin entschuldigt sich immer [...]. Sie verspricht, sich zu kümmern, und dann passiert wieder nichts. Viel bewegt hat die nicht in ihrer Zeit als OB, das muss ich jetzt mal ehrlich sagen.“
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Vergessen wir nicht, die Oberbürgermeisterin ist seit sieben Jahren im Amt. Davor war sie jahrelang Sozialdezernentin in Köln. In dieser Zeit soll sie nicht bemerkt haben, „wie viel im Argen lag“? Ich sehe ein, dass sie nicht alle Probleme in Köln lösen kann, aber sie sollte langsam damit anfangen. In Köln fährt man nicht nur Rad.Anna von Borstell Köln
Kölner Stadtrat hat viel zu viel geplant
Jetzt ist es die für Köln unpassende Gemeindeordnung NRW, die die Oberbürgermeisterin daran hindert, die Stadt voranzubringen. Andere Probleme scheinen wichtiger als die von Frau Reker genannten. Zwei nenne ich: Die „Planungspipeline“ ist verstopft, ebenso die „Umsetzungspipeline“. Politiker im Rat, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben offene Augen, erkennen Probleme, die es wert sind, gelöst zu werden. Eine Planung wird in Gang gesetzt. Das Geld für die Planung ist schnell beschlossen, die Planungskapazität schon schwerer zu beschaffen, die Pläne zu verwirklichen steht mangels Geld in den Sternen.
Als „Beleg“ dient die Meldung, dass ein Beratungsunternehmen eine Rangfolge der bereits vorhandenen Planungen vorschlagen soll – ein Hinweis darauf, dass viel zu viel geplant worden ist. Falsch ausgegebenes Geld! Viele dieser Pläne müssen in der Schublade verschwinden. Der Rat der Stadt mischt sich viel zu sehr in das Verwaltungsgeschehen ein. Stellen werden nach (partei-)politischen Gesichtspunkten besetzt, Entscheidungen nicht von zuständigen Verwaltungsleuten, sondern von Ratsmitgliedern getroffen. Es gibt keine geordneten Entscheidungswege, was Leute in der Privatwirtschaft nicht verstehen können.
Die Verwaltungsreformen der Vergangenheit haben wie anderswo auch die Arbeit des Rates und seiner Mitglieder unbeachtet gelassen. In einem ist Frau Reker zuzustimmen: Alles zur Chefinnensache zu machen, wäre verkehrt. Sie hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie führt. Der Rat muss die Verwaltung aber auch machen lassen und sich auf zentrale Entscheidungen beschränken. Harald Plamper Frechen
Schuld sind immer die anderen
Das Interview mit der Oberbürgermeisterin trüge besser den Titel „Schuld sind immer die anderen“. Sie „würde“ es ja gerne schneller und besser machen, aber die anderen ... Es lag ja vorher schon so viel im Argen. Und eigene Gesetze kann sie leider nicht erlassen. Außerdem die böse NRW-Gemeindeordnung. Ganz zu schweigen von Corona und Krieg. Und schlussendlich bemüht sie noch das „Kölner Laissez-faire“.
Was nutzen Schulen, die nicht fertig werden? Was ist mit Digitalisierung und Seuchenschutz an den Schulen? Digitale Baugenehmigung? Die Antragsteller warten länger denn je auf Entscheidungen aus dem Bauamt. Das NS-Dokumentationszentrum – beschädigt durch peinliches Geschachere um die Nachfolge des anerkannten Dr. Jung.
Ford, Renault und neue Arbeitsplätze: Das schreibt sie sich als Oberbürgermeisterin allen Ernstes gut? Ich nenne es: „Schmücken mit fremden Federn“. Im Übrigen: Wie ordnet sie das DEVK-Desaster ein? Eine gelungene Verwaltungsreform, die „die Bürger nach außen kaum spüren“? Christoph Menger-Skowronek Köln
OB Reker: Falsche Prioritäten gesetzt?
Frau Reker ist mit der Reform der Verwaltung offenbar völlig überfordert. Vor allem hat sie viel Zeit und Energie verwendet, um die kolossal wichtigen neuen Sprachregelungen – Gendern mit und ohne Sternchen – innerhalb der Verwaltung und in der Kommunikation mit den Bürgern umzusetzen. Dr. Karin Heider Odenthal
Keine Entschuldigung für Stagnation
Frau Reker kann, wie sie sagt, nichts für die Misere. Ihr sind die Hände gebunden, sie hat die Größe der Aufgabe unterschätzt und beklagt ihre Ohnmacht. Wie waren denn die Bedingungen vor hundert Jahren, als Konrad Adenauer Köln fit machte fürs 20. Jahrhundert? Die britische Besatzung, die Hyperinflation, die Weltwirtschaftskrise und alle politischen Widerstände haben ihn nicht abgehalten, die Messe aufzubauen, die Fordwerke anzusiedeln, die Universität neu zu begründen, den Menschen Luft und Raum zu verschaffen, mit innerem und äußerem Grüngürtel – alles Dinge, von denen die Stadt heute noch zehrt. Es ist ja kein Geheimnis, dass Frau Reker von Grünen und CDU auf den Schild gehoben wurde, damit sie ungestört ihre Süppchen kochen können. So geht Politik als Klüngel. So läuft das in Köln. Frau Reker darf derweilen Haltung zeigen, das kann sie immerhin.Karl Schulte Köln
Köln: Probleme müssen gelöst werden
Zunächst herzlichen Glückwunsch zu dem Interview mit Frau Reker. „Ich habe unterschätzt, wie viel im Argen lag“. Es legt in erschreckender Weise offen, mit welcher Naivität und Ahnungslosigkeit die Oberbürgermeisterin ihr Amt ausübt. Es gibt kein verantwortungsvolles Amt ohne Probleme und die sind dazu da, von der Leitung gelöst zu werden.
Gelegentliche Besuche in der Stadt, und zwar zu Fuß und nicht nur per Auto, müssten doch eigentlich schon ausreichen, um die Probleme zu identifizieren. Auch regelmäßiges Lesen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ einschließlich der veröffentlichten Leserbriefe als Stimmungsbild der Bürger lassen keine Zweifel aufkommen, was alles schiefläuft. Nicht zuletzt die vielen Briefe und Mails, die an die OB gerichtet sind. Aber man muss das alles wahrnehmen. Willi Kratochwil Köln
Rekers Kampf gegen Windmühlen
Mein lieber Mann, da hat die OB aber mal einen „rausgehauen“. Ist aber auch bewundernswert, wie leidgeprüft und mutig sie seit 2015 gegen „Windmühlen“ kämpft. Dass Stadtrat und Verwaltung „Katz und Hund“ spielen, hat die OB selbst mitzuverantworten. Als Parteilose kann sie sich in der OB-Position wohlfühlen und immer sind andere schuld.
Die OB sollte einmal nach Wien, Prag oder Warschau fahren. Da geht es zivilisiert zu, die Straßen sind sauber, keine Drogensüchtigen und nirgends ein Schrottrad. Zum Glück gibt es für uns alle die Endstation Melaten. Da ist es sauber und ruhig. Peter Reuter Köln
Entpolitisierung der Verwaltung
Zur Interviewäußerung von Frau Grünewald, „Politik muss Entscheidungen treffen“ gibt es aus meiner Sicht nur eines zu sagen: Hervorragend! Als ehemaliger Angehöriger der Stadtverwaltung Köln möchte ich auf einen gravierenden Systemfehler hinweisen. Die Verwaltung in den Kommunen ist nicht ausschließlich der Exekutive zuzuordnen. Diese Verwaltungen haben eine auch der Politik zugewandte Variante, die Beigeordneten. Die nur die Exekutive betreffende Personalie sind die Amtsleiter.
Die Problematik liegt insbesondere darin, dass Führungspositionen in den großen Kommunen im Wesentlichen politisch besetzt werden. Das kann im konkreten Einzelfall bedeuten, dass sich im gleichen Dezernat zwei unterschiedliche Parteipositionen regelrecht neutralisieren. Ich rege an, einmal über eine teilweise Entpolitisierung der Verwaltungsangehörigen nachzudenken. Ich schließe dabei auch nicht aus, die Aberkennung des passiven Wahlrechtes für Spitzenbeamte in die Überlegungen einzubeziehen. Peter Rießler Köln