Auf den Besuch von Politikern mit Gummistiefeln in Hochwassergebieten folgt meist nicht viel an nachhaltigen Maßnahmen. Doch der Ehrgeiz darf nicht nachlassen.
Kommentar zum HochwasserTrotz steigender Kosten fehlt der politische Wille für Klimaschutz
Es ist ein trauriges Ritual: Die Flusspegel steigen - und Vernunft breitet sich aus über die Bundesrepublik Deutschland. Jüngstes Beispiel: Als Ministerpräsident Markus Söder wegen der Überschwemmungen in Bayern darauf angesprochen wird, dass seine Regierung zuletzt ausgerechnet beim Hochwasserschutz gespart hat, reagiert er unwirsch. „Wir haben halt eine Veränderung des Klimas“, sagt er. Man könne solche Katastrophen künftig nicht vermeiden, nur abmildern: „Wir müssen den Klimaschutz voranbringen.“ Bayern investiere dafür eine Milliarde Euro pro Jahr!
Es zeigt sich: Wenn der Klimawandel hüfthoch im bayrischen Keller steht, kennt sich der CSU-Chef dann doch aus mit der Klimakrise - und ruft nach mehr Klima- und Hochwasserschutz. Und tatsächlich hat ja nicht nur Söders Regierung am falschen Ende gespart, als sie Vorbeugemaßnahmen strich und gegen Überschwemmungsflächen polemisierte. Auch die Ampel im Bund halbierte just in diesem Jahr das Nationale Hochwasserschutzprogramm.
Noch gravierender ist es beim Klimaschutz. Forscher sagen seit mehr als 30 Jahren voraus, dass sich bei steigender Erdtemperatur Extremwetter häufen, dass Regen öfter Starkregen und Sommer öfter Hitzesommer wird. Darauf verweisen die Medien bei jedem neuen Hochwasser, das sie trotzdem - wie das aktuelle in Süddeutschland - prompt wieder als „Jahrhundertflut“ bezeichnen. Obwohl es davon allein in diesem Jahrzehnt allein hierzulande schon vier gab und der Klimawandel ja bestenfalls gestoppt, aber nicht umgekehrt werden kann. Das wird teuer: Schon 2021 hat der Staat mehr für die Beseitigung der Flutschäden als für den Klimaschutz ausgegeben.
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Klimaschutzziele werden verfehlt
Da wirkt es bitter, dass am Montag von den Katastrophen aus Bayern zum Klima-Expertenrat nach Berlin geschaltet wurde, der prognostizierte, dass die Bundesrepublik ihre Klimaschutzziele für 2030 verfehlen dürfte. Vor allem für Energie, Heizen und Verkehr produzieren wir zu viele Emissionen. Söder hat also Recht: Das muss besser werden.
Das Traurige an dem Ritual, in Gummistiefeln nach mehr Klimaschutz zu rufen, ist nur: Sind die Keller getrocknet, die Straßen repariert und die Hilfsgelder gezahlt, sind die Rufe schnell vergessen. Nicht zuletzt Söder setzt lieber auf Warnungen vor „Klimaschutz mit der Brechstange“, vor einem „widersinnigen“ Verbrenner-Aus (Söder) und auf die empörte Frage: „Wer soll das eigentlich alles bezahlen?“
Unter dem Motto „Klimaschutz ist wichtig, ABER“ lässt sich zu fast jeder konkreten Maßnahme ein Einwand finden - beileibe nicht nur aus der CSU. Auch in der CDU reagierte Armin Laschet als Chef 2021 auf die „Jahrhundertflut“ abwinkend, da ändere man nicht gleich die Politik, und sein Nachfolger Friedrich Merz gibt gerade als klimapolitische Losung aus: „Die Welt geht morgen nicht unter.“ Das schmeckt schal, wenn gerade halb Bayern untergeht, schadet im Wahlkampf aber weniger als ein Bekenntnis zum EU-Verbot für neue Verbrenner ab 2035, das man sogar mitbeschlossen hatte.
Das verdeutlicht das wahre Problem: Von Klimapolitik profitiert der Mensch nur langfristig, kurzfristig strafen die Wähler aber jeden ab, der ihnen etwas zumuten will. Preisfrage: Gilt Robert Habeck als unbeliebt, weil Deutschland die Klimaziele verfehlt - oder weil er hin und wieder versucht, sie einzuhalten? Und ehe bei Union und FDP Schadenfreude aufkommt: Wie gut wird wohl deren bevorzugte Maßnahme ankommen, Energie und Benzin zu verteuern, damit sie gespart werden?
Man kann es wenden, wie man will: Wenn der Ehrgeiz verschwindet, sobald der Pegel sinkt, werden die Kosten weiter steigen: für die Schäden, die Vorbeugung UND den Klimaschutz. Klingt nicht sehr vernünftig.