Anklage gegen Thomas Drach:Versuchter Mord, besonders schwerer Raub, Brandstiftung
Lesezeit 4 Minuten
Köln – Der vermummte Angreifer mit dem Schnellfeuergewehr AK 47 in der Hand gab am Terminal 2 des Köln/Bonner Flughafens kurze präzise Kommandos. Die beiden Wachleute aus dem Geldtransporter sollten einen der kleinen Koffer herausgeben und sich dann schnell auf den Boden legen. Bei Walter M. ging das nicht wie gewünscht – ein altes Hüftleiden. Der Geldbote beugte sich gerade vor, um niederzugehen, da traf ihn ein Schuss in den rechten Oberschenkel. In aller Seelenruhe griff der Schütze nach zwei Geldkoffern und verlud sie mit Hilfe eines Komplizen, in einen schwarzen Audi A 6.
In Köln-Rondorf ging die Limousine in einem Rondell in Flammen auf, mit ihr verbrannte auch die AK47. Die Täter flüchteten unerkannt.
Der Coup vom März 2019 zählt zu einer vierteiligen Überfallserie in Köln, Limburg und Frankfurt, die Thomas Drach zugeschrieben wird. Die Beute betrug insgesamt gut 232.000 Euro. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Justizkreisen erfuhr, muss sich der 61-jährige Entführer des Tabak-Millionärs und Soziologen Jan-Philipp Reemtsma vom 1. Februar 2022 an vor dem Kölner Landgericht verantworten. Die Vorwürfe reichen unter anderem von versuchtem Mord, besonders schwerem Raub bis hin zur Brandstiftung.
Ebenfalls auf die Anklagebank soll ein mutmaßlicher Komplize, der Niederländer Eugen W., ein 53-jähriger Trockenbauer aus Almere nahe Amsterdam Platz nehmen. Der Handwerker soll in drei Fällen für Drach Tatorte ausgesucht oder als Fluchtfahrer agiert haben.
Genetische „Merkmale“ von Drach
Ein langwieriger Indizienprozess bahnt sich an. Die 21. Große Strafkammer hat bereits vorläufig 55 Verhandlungstage bis Oktober 2022 geplant. Als eines der Hauptbeweismittel führt die Staatsanwaltschaft eine DNA-Spur an, die sich nach dem letzten Raubzug bei IKEA in Frankfurt/Main am 9. November 2019 am hinteren Kennzeichenhalter des ausgebrannten Tatwagens fanden. Darauf wurden genetische „Merkmale“ des Angeklagten Drach entdeckt. Allerdings ist man sich da nicht gänzlich sicher und hat einen neuen DNA-Abstrich beantragt. Hierüber muss das Gericht noch entscheiden.
Drachs Verteidiger kündigte eine konfliktreiche Verhandlungsstrategie an. So moniert Andreas Kerkhof, dass die „übliche sechsmonatige Frist für die Haftprüfung längst überzogen ist, ein klarer Rechtsverstoß, mein Mandant müsste eigentlich freigelassen werden.“ Die Beweislage bezeichnete der Kölner Anwalt „als äußerst dünn“. Vor allem, wenn es um einen Überfall auf einen Globus-Markt in Limburg im September 2018 geht. Laut Anklage soll Drachs mutmaßlicher Helfer seinen Wagen als Fluchtwagen eingesetzt haben.
Auch soll Drach später in Frankfurt jenen Revolver der Marke „Taurus Brazil“ eingesetzt haben, den er im Jahr zuvor in Limburg einem Geldboten abgenommen hatte. „Hier handelt es sich um reine Mutmaßungen, es gibt keinen Beweis für diese Annahme“, entgegnete Verteidiger Kerkhof.Angesichts des langen Vorstrafenregisters hat die Anklägerin für Drach bei einem Schuldspruch die Sicherungsverwahrung beantragt. In der Vergangenheit hätten ihn Gutachter mit dem Typus eines „Schwerverbrechers“ verglichen, der sein Leben ohne Rücksicht auf andere Menschen „mit Straftaten“ finanziere.
Auch soll Drach den Ermittlungen zufolge wegen weiterer Raubüberfälle nie belangt worden sein. Als Beispiel führte die Anklägerin ein Treffen in einem Lokal in Hannover am 16. August 2020 auf. Dabei handelte es sich um ein großes Wiedersehen. Einer der Männer hatte wegen eines schiefgelaufenen Transports von 81 Kilogramm Kokain in der Karibik länger einsitzen müssen. Die Ermittler vermuteten, dass Drach die Schmuggelaktion aus den Reemtsma-Millionen finanziert hatte. Allerdings fanden sich nie entsprechende Beweise.
Abgehörtes Gespräch
Während draußen Zivilfahnder hockten und mit einem Richtmikrofon das Gespräch belauschten, prahlte Thomas Drach vor seinen beiden Freunden über die alten Zeiten. Früher habe er bis zu 1,2 Millionen D-Mark bei Überfällen erbeutet. Nach Ansicht der Ermittler bezog Drach sich auf Raubzüge in Supermärkten in den 90er Jahren. Allein beim letzten Coup auf eine REAL-Filiale in Braunschweig sollen knapp 1,5 Millionen herausgesprungen sein.
Am Ende bedauerte Drach in dem Gespräch, dass er im Fall Reemtsma nicht mehr als die 30 Millionen Mark Lösegeld verlangt habe. Einer der beiden Zuhörer erklärte, bei einer neuerlichen Entführung sei er dabei. Drach winkte mit der Bemerkung ab, er könne dies nicht mehr finanzieren. Für die Staatsanwaltschaft belegt dieses Gespräch, dass von Drach auch zukünftig Delikte zu erwarten seien, „durch welche Opfer schwere seelische oder körperliche Schäden erleiden.“