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Zitternde Ferkel, eingequetschte SäueWie Aktivisten Tier-Misshandlungen aufdecken

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Verletzte Schweine sind in den Anlagen keine Seltenheit.

  1. In deutschen Zucht- und Mastbetrieben werden Abermillionen von Schweinen gehalten. Unter welchen Bedingungen, wissen selbst die Kontrollbehörden oftmals nicht.
  2. Anna Schubert allerdings schon. Sie ist Tierrechts-Aktivistin und dringt nachts in Ställe ein.
  3. Was sie dort mit der Kamera festhält, beschäftigt dieses Jahr auch das Bundesverfassungsgericht.
  4. Wir haben sie bei einem Einsatz außerhalb von Nordrhein-Westfalen begleitet. Ein Report.

Köln – Nur eine Stunde hat Anna Schubert noch, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Sie sitzt auf der Rückbank ihres Autos, ein Mitaktivist lenkt es über die Autobahn. Raus aus Berlin, rein ins nachtdunkle Brandenburg. Draußen ziehen Kiefernwälder vorbei und Häuser mit heruntergezogenen Rollläden. Anna, 31 Jahre alt, ein Piercing in der Unterlippe, die blonden Dreadlocks zu einem Zopf geflochten, speichert Koordinaten in ein GPS-Gerät, erklärt einem Neuling, der zum ersten Mal dabei ist, die Codewörter. Begriffe, die er sich einprägen soll, für den Fall, dass etwas schief geht.

Bevor sie ihr Ziel erreichen, sagt Schubert, werde sie sich eine Schutzhülle übergezogen haben. Eine imaginäre, die ihre Seele abschirmt.

Ihrem Auto folgt in weitem Abstand noch ein Wagen mit drei weiteren Aktivisten. Sie haben ein gemeinsames Ziel: eine große Schweinezuchtanlage, verborgen in der brandenburgischen Provinz, zwischen weiten Kiefernwäldern, Windkraftanlagen, Ackerflächen. Anna Schubert und die fünf anderen sind Rechercheaktivisten. Tierrechtlerinnen, die nachts in Großställe, Mastanlagen und Schlachthöfe eindringen, um zu dokumentieren, wie dort mit Tieren umgegangen wird, fernab der Öffentlichkeit. Was sie tun, ist illegal. Was sie aufdecken, meistens auch.

Regelmäßig enthüllen Aktivistinnen wie Anna Schubert Grausames: Ferkel, die an Eisenstangen totgeschlagen werden, Bio-Hühner, die sich gegenseitig kahl picken, Rinder, die bei lebendigem Leib geschlachtet werden, nachdem der Bolzenschuss versagt hat.

Schweinefleisch in Deutschland auf Platz eins

Schubert und ihr Rechercheteam suchen jeden Monat etwa zehn Betriebe auf. Besonders oft nehmen sie sich die Schweinehaltung vor. Die Anlagen wählten sie meist zufällig aus, sagt Schubert. Beim Fleischverzehr der Deutschen steht das Schwein nach wie vor auf Platz eins. 2021 wurden hierzulande fast fünf Millionen Tonnen Schweinefleisch produziert, gerade einmal 0,8 Prozent davon in Bio-Betrieben mit strengeren Haltungsbedingungen.

Trotz des hohen Fleischkonsums wächst in Deutschland das Bewusstsein für das Wohl von Schweinen, Hühnern und Rindern. In Umfragen lehnt regelmäßig eine große Mehrheit die Massentierhaltung in der jetzigen Form ab. Der Anteil der sich vegetarisch und vegan Ernährenden steigt seit Jahren.

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Schweinefleisch ist bei den Deutschen sehr beliebt. Die Haltungsbedingungen werden kaum kontrolliert.

Anna Schubert sagt, das Leben von Schweinen in der Massentierhaltung sei vor allem eines: eine Qual. Verstöße gegen Tierschutzvorgaben seien in diesen Betrieben nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Was läuft schief in diesen Ställen?

Gibt es alternative Haltungsformen, die den Bedürfnissen der Schweine gerecht werden, oder ist die massenhafte Tierhaltung selbst das Problem?

Die Aktivisten parken abseits eines Forstwegs im Wald. Sie bereiten die Kameras vor, setzen sich Headsets in die Ohren, schließen sachte die Autotüren. Kein Licht und keine Geräusche – das ist jetzt oberstes Gebot. Zwischen den Kieferstämmen ist die Schweinezuchtanlage zu erahnen. Flache Gebäude mit schwach erhellten Fenstern, dahinter das rote Blinken eines Windparks. Über allem ein Gewölbe aus Sternen, die so hell funkeln, als wollten sie Trost spenden an diesem Ort, an dem jede Nacht 150 Ferkel das Neonlicht einer Käfig-Welt erblicken.

Während sich die Aktivisten dem Zaun nähern, spähen sie immer wieder mit einer Wärmebildkamera und einem Nachtsichtgerät in die Dunkelheit. Ein Jäger auf einem Hochsitz, eine Überwachungskamera, Betriebsmitarbeiter auf dem Gelände – all das können sie jetzt nicht gebrauchen.

Atemmaske, Overalls, Überzieher

Am Zaun ziehen sich Anna und drei weitere Aktivistinnen Overalls, Schuhüberzieher, Handschuhe und Atemmasken an. So sieht es ihr Hygienekonzept vor. Verhindern wollen sie damit vor allem das mögliche Einschleppen der Afrikanischen Schweinepest, eine Seuche, die seit 2020 in einigen ostdeutschen Bundesländern auftritt.

„Kann es losgehen?“, fragt Anna im Flüsterton. Sie hält eine Kamera in der Hand, mit der sie den Einsatz filmen wird. Nachdem sich zwei Aktivisten als Wachen postiert haben, klettern die anderen über den Zaun, öffnen die unverschlossene Tür eines Stalls und verschwinden in der Anlage.

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Anna Schubert (31) organisiert Einbrüche in Schweinezuchtanlagen, um Rechtsverstöße und tierquälerische Haltung zu dokumentieren. 

Dass eine Amtstierärztin eine solche Tür für eine Routinekontrolle öffnet, passiert im bundesweiten Durchschnitt nur alle 17 Jahre. In Bayern, wo es so viele Agrarbetriebe mit Tierhaltung gibt wie in keinem anderen Bundesland, sogar nur alle 48 Jahre. Das haben Kleine Anfragen der FDP- und der Grünen-Fraktion im Bundestag 2018 ergeben. Zum Vergleich: Ein Döner-Imbiss in Hamburg, München oder Berlin muss mitunter alle paar Monate mit einem Besuch der amtlichen Lebensmittelkontrolleure rechnen.

„Wir haben in der Nutztierhaltung ein massives Kontroll- und Vollzugsdefizit“, sagt Jens Bülte. Der Jurist ist Professor für Strafrecht an der Universität Mannheim und hat zahlreiche Tierschutz-Strafverfahren der vergangenen Jahrzehnte untersucht. Immer geht es dabei um den einzigen Straftatbestand des Tierschutzgesetzes, nämlich das quälerische Misshandeln und ungerechtfertigte Töten von Tieren. Bülte sagt, die meisten Verfahren würden eingestellt, manchmal mit „absurden Begründungen“.

Recht wird wenig durchgesetzt

Er kenne keinen anderen Wirtschaftsbereich, in dem das Recht so wenig durchgesetzt werde. Verurteilungen wegen Tierquälerei in der Massentierhaltung, zumal mit Freiheitsstrafen, habe er nur sehr wenige gefunden. Und das trotz der ohnehin überschaubaren Strafen: „Wenn jemand über Stunden ein Tier bewusst zu Tode foltert, wären wir noch nicht einmal bei der Höchststrafe von drei Jahren“, sagt Bülte. Der Imbissbesitzer dagegen müsse davon ausgehen, dass er schon bei fahrlässig falsch deklariertem Döner-Fleisch bestraft werde. Samt Einziehung des Gewinns, was schon mal zum Ruin führen könne.

Haben Tierrechtsaktivistinnen in gewisser Weise die Aufgaben der Veterinärämter übernommen? Als 2017 drei von ihnen wegen Hausfriedensbruchs vor dem Landgericht Magdeburg angeklagt wurden, weil sie wie Anna Schuberts Gruppe in einen Schweinebetrieb eingestiegen waren, hörten die erstaunten Prozessbeteiligten den Richter genau das sagen: Wenn zuständige Behörden wie die Veterinärämter ihrer Arbeit nicht nachkämen, dann sei „das Engagement des einzelnen Bürgers gefragt“. Die Angeklagten wurden freigesprochen – eine schallende Ohrfeige für die beteiligten Veterinäre und eine Ermutigung für Recherche-Aktivisten.

Bauernverband sieht Stalleinbrüche als Ärgernis

Für den Deutschen Bauernverband sind die wiederholten Stalleinbrüche indes ein Ärgernis. Immer wieder fordert der Verband eine schärfere Verfolgung. „Stalleinbruch ist ein Straftatbestand“, sagt Generalsekretär Bernhard Krüsken. „Wir beobachten, dass viele der vermeintlichen Enthüllungsvideos inszeniert sind und nachfolgende Überprüfungen von Behörden oder Kontrollorganisationen keine Beanstandungen ergeben.“ Den Aktivisten gehe es häufig nicht um Tierschutz, sondern um Stimmungsmache.

Knapp zwei Wochen nach dem Einbruch sitzt Anna Schubert an ihrem Enthüllungsvideo und erstellt einen Rohschnitt. Ein Büro in Berlin-Neukölln, Altbau, karge Wände, vor dem Fenster eine Straße mit Geschäften und Döner-Imbissen, die neuerdings Seitan-Kebabs anbieten. Tagsüber, wenn sie keine Wärmebildkameras zur Orientierung braucht, ist Schubert Studentin der Agrarwissenschaften an der Humboldt-Universität. In einigen Monaten will sie ihre Masterarbeit fertigstellen. Schubert beschäftigt sich mit veganem Öko-Landbau. Sie sagt, das sei die Alternative zu dem, was sie nachts mit der Kamera dokumentiert.

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Die Tierrechtsaktivisten finden in den Ställen auch tote, eben erst geborene Ferkel. 

Mit dem was sie tut, will Anna Schubert die Gesellschaft aufrütteln. Als sie vor acht Jahren mit den Stallrecherchen begann, so erzählt sie es, verfolgten sie die Erlebnisse bis in ihre Träume. Aber sie wollte ihre Ohnmacht überwinden. „Ich habe es als schlimmer empfunden, zu wissen, dass diese Dinge passieren und nichts dagegen zu tun“, sagt sie. Und ausgerechnet die direkte Konfrontation mit dem Leid der Tiere hat die überzeugte Veganerin nachsichtiger gegenüber werden lassen gegenüber Menschen, die Fleisch essen. Ihr sei bewusst geworden, dass diese nicht per se aus Egoismus handelten, sondern aus Unwissen und aus Verdrängung, sagt Schubert.

„Am schlimmsten ist es, wenn ich die Tiere berühre“

Anna Schubert startet den Film und eine trächtige Sau erscheint auf dem Monitor ihres Laptops. Neugierig versucht das Tier, seinen Kopf durch die Gitterstäbe des Metallkäfigs zu schieben. Die Kamera zoomt heran: Augen, so blau wie das Meer, Wimpern und Augenbrauen, die denen des Menschen ähneln. Ein Blinzeln, ein Schnuppern mit dem Rüssel. Es sind solche Momente der Nähe, der Kontaktaufnahme, bei denen Schuberts Schutzhülle zu zerreißen droht. „Am schlimmsten ist es, wenn ich die Tiere berühre“, sagt sie.

Die Sau steht, wie etwa 1.800 weitere in der Anlage, in einem Kastenstand. Ein körpergroßer Metallkäfig, in dem die Mutterschweine fixiert sind. Darunter Spaltenboden: harter Beton, von Schlitzen durchzogen, durch die Kot und Urin abläuft. Kein Stroh, kein Auslauf, keine Bewegung. Der Film zeigt ein Maßband, mit dem Anna Schubert die Breite einiger Kastenstände misst: 65 Zentimeter. Liegen können die Sauen darin nur, wenn sie ihre Beine durch das Gitter strecken – in den Bauch oder Rücken der Nachbarin. Umdrehen ist unmöglich auf dieser Fläche, die kaum größer ist als ein Kinderbett. So verbringen die Tiere oft ihr halbes Leben. Wenn sie nach zwei bis drei Jahren nicht mehr genügend Ferkel werfen, kommen sie zum Schlachthof. Ihre natürliche Lebenserwartung wären bis zu 20 Jahre.

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Die Einbrüche werden sorgfältig vorbereitet. 

Bereits 1992 war in der Schweinehaltungsverordnung festgelegt worden, dass der Kastenstand so breit sein muss, dass sich die Tiere jederzeit ungehindert ausstrecken können. Doch in der Praxis ist das längst nicht immer der Fall, oft stoßen die Tiere beim Ausstrecken an Gitter oder an die Nachbarin. Und während die Kastenstände ihre Maße behielten, wurden die Sauen über die Jahrzehnte immer größter gezüchtet. Laut der jüngsten Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung von 2019 müssten es für Sauen mit mindestens 90 Zentimetern Schulterhöhe immerhin 85 Zentimeter Kastenstand-Breite sein. Mehr aber auch nicht, sonst könnten sich die Tiere „umdrehen und dabei verletzen“, heißt es in der Verordnung.

Klöckner setzte sehr lange Übergangsfristen

Zwar beschloss der Bundesrat im Juli 2020 den Ausstieg aus der Kastenstandshaltung. Allerdings setzte die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) gegen den Widerstand von Tierschutzorganisationen sehr lange Übergangsfristen durch: acht Jahre für das Deckzentrum, in dem die Sauen besamt werden, und 15 Jahre im sogenannten Abferkelbereich. Sämtliche Kastenstände wurden damit nachträglich legalisiert, ganz gleich welcher Größe.

Verboten ist es aber nach wie vor, trächtige Sauen nach der Besamung länger als vier Wochen im Kastenstand zu halten. In dem Brandenburger Zuchtbetrieb scheint das niemanden zu interessieren. Als die Kamera einige der Sauenkarten in den Fokus nimmt, auf denen das Datum der Besamung vermerkt ist, zeigt sich: Die Sauen stehen seit neun Wochen, elf Wochen, 15 Wochen im Kastenstand. „Das habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen“, sagt Schubert. „Ein eklatanter Verstoß.“ Der Mangel an Bewegung, das zeigen Studien, macht die Schweine körperlich und psychisch krank.

Ferkel hängt zitternd in der blutigen Nachgeburt fest

Der Film zeigt die Kinderstube der Anlage, den Abferkelbereich. Ein Ferkel, zwei Tage alt, hängt zitternd in der blutigen Nachgeburt seiner Mutter fest. „Das müsste man jetzt versorgen, dann hätte es auch eine Chance“, sagt Schubert. „Aber so wird es sterben oder am nächsten Tag von einem Mitarbeiter totgeschlagen.“ Drumherum drei weitere Neugeborene, alle bleich und regungslos. In benachbarten Kastenständen, hier Ferkelschutzkorb genannt, stehen Ferkel auf den verwesenden Kadavern ihrer Geschwister, an den Zitzen ihrer Mutter saugend. Für die, die es geschafft haben, folgt wenige Tage nach der Geburt in vielen Zuchtanlagen eine schmerzhafte Prozedur: Der Schwanz wird kupiert, die Eckzähne werden abgeschliffen. Beides ohne Betäubung und obwohl es nur in Ausnahmefällen erlaubt ist.

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Die Tiere liegen gequetscht zwischen den Gittern. 

„Die Kastenstandshaltung ist völlig obsolet.“ Claudia Preuss-Ueberschär, Veterinärin aus Niedersachsen und Vorsitzende des Vereins „Tierärzte für eine verantwortbare Landwirtschaft“, muss hörbar ihren Ärger im Zaum halten, während sie über die Schweinehaltung spricht. Die Tiere in engen Kastenständen zu halten, sei die logische Folge eines Systems, das möglichst billig und zu Weltmarktpreisen produzieren müsse. „Das ist eine Zwangsmaßnahme, und die ist nur ausnahmsweise vertretbar, wenn man Sauen untersuchen oder besamen will.“

Schweine auf Dauer einsperren? Geht gar nicht!, sagt die Veterinärin

Schweine auf Dauer einzusperren, sagt die Tierärztin, widerspreche allem, was man über die Tierart wisse: dem starken Sozialverhalten, dem Wühlinstinkt zur Futteraufnahme, der Reinlichkeit, den Muttergefühlen der Sauen, die Nester buddeln, in denen sie ihre Ferkel groß ziehen. Zudem sei ihr Geruchssinn sehr stark, stärker als der von Hunden. Die aggressiven Ammoniakdämpfe in den Ställen seien deshalb nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Schweine selbst schwer zu ertragen und führten oft zu Bindehautentzündungen, sagt die Veterinärin.

Um den Bedürfnissen der Schweine wenigstens ansatzweise gerecht zu werden, sagt sie, müsse man ihnen deutlich mehr Platz geben, Stroh zum Bauen von Nestern einstreuen und Kontakt nach draußen ermöglichen. Was sie aufzählt, sind die heutigen Vorgaben in der Bio-Haltung. Das, sagt Preuss-Ueberschär, müsse der Mindeststandard sein.

So hatte 2019 auch der damalige Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) argumentiert, als er im Namen der Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Schweinehaltung, insbesondere den Kastenstand einreichte. Im Laufe dieses Jahres will das Gericht in Karlsruhe ein Urteil fällen. Behrendt hatte gesagt, er hoffe auf eine wegweisende Entscheidung – ähnlich dem Legehennenurteil von 1999, mit dem das Gericht die Käfighaltung verboten hatte.

Özdemir will gute Haltungsbedingungen sichtbar machen

Gleich nach Amtsantritt hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) erste Schritte zum Umbau der Nutztierhaltung und zu mehr Tierschutz angekündigt. Schließlich fordert seine Partei seit Jahren eine Abkehr von der Massentierhaltung. Unter anderem geht es darum, die Bestände stärker an der verfügbaren Fläche der Betriebe zu orientieren, was die Zahl der Tiere verringern soll. Kürzlich hat Özdemirs Ministerium Eckpunkte einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung vorgestellt, zunächst allerdings nur für Schweinefleisch. „Damit machen wir gute Haltungsbedingungen sichtbar: Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen auf einen Blick, wie ein Tier gehalten wurde“, sagt Silke Brandt, Sprecherin des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Übergangsfristen für die Kastenstandshaltung sollen allerdings nicht angetastet werden.

Fest steht: Ab 2035 dürfen die Sauen nur noch zur Besamung in den Kastenstand genommen werden, die Gruppenhaltung wird dann Standard sein. Wie die aussieht, zeigt Anna Schubert in ihrem Video: Eine Halle mit Boxen von je etwa 16 Quadratmetern ist zu sehen. Darin jeweils acht bis zehn Sauen, die, von Fliegen übersät, auf Spaltenboden in ihrem eigenen Kot und Urin liegen. In einer Ecke hängt eine rostige Eisenkette, daneben steckt ein Häufchen Stroh in einem Korb. Beides soll als Beschäftigungsmaterial dienen und so das Tierwohl steigern. „Tolle Alternative zum Kastenstand“, kommentiert Schubert.

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Die Aktivistin wird der Anlage mit ihrer Gruppe noch einen Besuch abstatten, um weitere Beweise zu sammeln. Das Material will Schubert der Tierrechtsorganisation „Animal Rights Watch“ übergeben. Wenn die es an die Justiz weiterleitet, wird die Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnen, es aber aller Erfahrung nach vermutlich wieder einstellen. Ohne Folgen bleiben solche Enthüllungen dennoch nicht. Dass in den vergangenen Jahren überhaupt über den Kastenstand diskutiert wurde, dass Gerichte seine Verbreiterung forderten, dass Schlachthöfe und Mastanlagen schließen mussten, ist auf die Arbeit von Rechercheaktivistinnen wie Schubert zurückzuführen.

Mit dem Begriff „Erfolg“ tut sie sich dennoch schwer. Eigentlich gehe es ihr nicht so sehr um Gesetzesverstöße wie etwa überdehnte Kastenstandszeiten, sagt Schubert. Das System an sich sei das Problem. Es produziere immer Leid, ob legal oder illegal, ob bio oder konventionell. Eine komplette Abschaffung der Tierhaltung müsse das Ziel sein, schließlich sei eine rein pflanzliche Ernährung in den Industriegesellschaften möglich. „Warum sollte ich nur aus Geschmacksgründen Leid und Tod unterstützen?“

Das Ende der Nutztierhaltung zu fordern – so weit geht Veterinärin Claudia Preuss-Ueberschär nicht. Aber eine starke Reduktion der Tierzahlen um 50 bis 75 Prozent hält sie für geboten, auch aus Gründen der Gesundheit und des Klimaschutzes. Strafrechtler Jens Bülte sieht das ähnlich. „Die deutsche Intensivtierhaltung widerspricht dem Tierschutzgesetz“, sagt er.

Auf der Rückfahrt von der Zuchtanlage, als vor dem Autofenster nebelverhangene Wiesen in der Morgendämmerung vorbeizogen, hatte Anna Schubert gesagt, sie sei jedes Mal erleichtert, wenn es vorbei sei. Der beißende Gestank, der Lärm der Maschinen, die Hitze. Das schlage ihr schon nach einer halben Stunde auf den Kreislauf. „Ich frage mich, wie es den Tieren geht, die ihr ganzes Leben darin verbringen“, hatte sie gesagt. „Es muss die Hölle sein.“