Die künftige Regierung hat sich auf neue Schulden im Milliardenbereich geeinigt. Noch ist unklar, ob die Pläne überhaupt umgesetzt werden können.
Im alten BundestagSind die fundamentalen Änderungen der Schuldenbremse rechtens?

Der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l-r) unterhält sich mit dem künftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil, (SPD).
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CDU/CSU und SPD haben sich im Rahmen ihrer Sondierungsverhandlungen auf weitgehende Änderungen im Haushalts-Verfassungsrecht geeinigt. Schon in der nächsten Woche soll der Bundestag (noch in alter Zusammensetzung) über drei Gesetzentwürfe für Grundgesetzänderungen abstimmen.
Derzeit sieht die Schuldenbremse für den Bund vor, dass pro Jahr grundsätzlich nur Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) möglich sind. Bei schlechter Konjunktur kann die Summe erhöht werden.
Außerdem kann die Schuldengrenze für Ausgaben in Folge von plötzlichen Notlagen vom Bundestag ausgesetzt werden. Dies wurde in der Corona-Pandemie und nach dem russischen Angriff auf die Ukraine genutzt. Für Verteidigungsausgaben wurde 2022 ein Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro eingerichtet, das nicht auf die Schuldenbremse angerechnet wird, aber bald aufgebraucht ist.
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Laut schwarz-roter Einigung sollen künftig – erstens – Verteidigungsausgaben nur noch bis zu einer Höhe von einem Prozent des BIP – das sind circa 45 Milliarden Euro – bei der Schuldenbremse eingerechnet werden. Alle darüber liegenden Verteidigungsausgaben sollen in beliebiger Höhe auf Kredit finanziert werden können.
„Whatever it takes“ und „no limit“
Es werde ausgegeben „Whatever it takes“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz bei der Vorstellung der Pläne, es gebe „no limit“, sagte der CSU-Vorsitzende Markus Söder. „Alles, was die Bundeswehr braucht, wird angeschafft“, so Söder. Anders als bisher diskutiert, soll im Grundgesetz also nicht das bisherige Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro erhöht werden, denn ein Sondervermögen wäre mit festen Obergrenzen verbunden.
Es soll aber – zweitens – ein neues kreditfinanziertes Sondervermögen für die Modernisierung der deutschen Infrastruktur geben. Dieses soll 500 Milliarden Euro umfassen und binnen zehn Jahren ausgegeben werden. Auch dieses Sondervermögen wird nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Es geht im Schnitt also um 50 Milliarden zusätzliche Schulden pro Jahr. Ein Fünftel dieses Sondervermögens – also 100 Milliarden Euro – soll den Bundesländern für ihre Infrastrukturausgaben zugutekommen.
Klimaschutz taucht nicht auf
Der Begriff Infrastruktur wird im Einigungspapier sehr weit definiert. Es fallen darunter nicht nur Ausgaben für Straßen, Brücken und Schienenverkehr, sondern auch für Krankenhäuser, Energieversorgung, Bildung, Wissenschaft, Kinderbetreuung, Digitalisierung, Zivil- und Bevölkerungsschutz. Der Begriff Klimaschutz taucht bisher nicht auf, allerdings können Investitionen in Verkehrs- und Energie-Infrastruktur durchaus dem Klimaschutz dienen.
Nach der bisherigen Regelung der Schuldenbremse, darf sich nur der Bund pro Jahr bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent des BIP neu verschulden, während den Bundesländern gar keine Neuverschuldung erlaubt ist. Dies soll sich ändern. Künftig sollen – drittens – auch die Länder bis zu 0,35 Prozent des BIP neue Schulden eingehen dürfen. Das sind etwa 16 Milliarden Euro pro Jahr. Diese neue Grenze gilt aber wohl nicht pro Bundesland, sondern für alle Bundesländer zusammen. Wie die neuen Schuldenkontingente dann auf die Länder verteilt werden, ist noch nicht bekannt.
Woher kommen die Stimmen für die Zwei-Drittel-Mehrheit?
Für diese drei Vorschläge muss jeweils das Grundgesetz geändert werden. CDU/CSU und SPD wollen in der nächsten Woche entsprechende Anträge in den Bundestag einbringen. Es soll also keinen gemeinsamen Antrag mit den Grünen geben, obwohl diese für die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag gebraucht werden. Theoretisch könnte zwar auch die FDP zur Zwei-Drittel-Mehrheit verhelfen. Das ist aber unrealistisch, weil die FDP bisher jede Aufweichung der Schuldenbremse abgelehnt hat.
Die Linke hat zwar eine Organklage dagegen angekündigt, dass der Bundestag den Grundgesetzänderungen noch in alter Zusammensetzung zustimmen soll. Eine Klage dürfte aber wenig Erfolgsaussichten haben, weil das Grundgesetz klar regelt, dass der alte Bundestag so lange handlungsfähig ist, bis der neu gewählte Bundestag zusammentritt. Dies ist frühestens nach der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses am 14. März möglich, spätestens 30 Tage nach der Wahl, also am 25. März.
Auch im Bundesrat könnte es eng werden
Erforderlich ist bei Grundgesetzänderungen auch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat. Diese ist hier auch nicht selbstverständlich, weil an sieben Landesregierungen die Grünen beteiligt sind. An sieben Landesregierungen sind zudem FDP, Linke, BSW oder Freie Wähler beteiligt.
Viele Länder dürften aber ein eigenes Interesse an den Grundgesetz-Änderungen haben, weil sie ja auch am Sondervermögen Infrastruktur teilhaben sollen und weil die Schuldenbremse für die Länder etwas gelockert werden soll.
Erst in der nächsten Wahlperiode will die neue Koalition über eine generelle Reform (nicht Abschaffung) der Schuldenbremse sprechen. Die Reform soll durch eine Sachverständigenkommission vorbereitet werden und schon Ende 2025 abgeschlossen sein, versprach SPD-Chef Lars Klingbeil.