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„Wie ein kleiner Trump“SPD-Mann Miersch verurteilt Merz-Alleingänge bei „Hart aber fair“

Lesezeit 5 Minuten
„Das wäre für Europa fatal“: SPD-Politiker Matthias Miersch warnte vor einem deutschen Alleingang in der europäischen Migrationspolitik. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

„Das wäre für Europa fatal“: SPD-Politiker Matthias Miersch warnte vor einem deutschen Alleingang in der europäischen Migrationspolitik. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Die Wogen gingen auch bei „Hart aber fair“ hoch - bis sogar Klamroth konstatierte: „Es wurden genug Bälle hin- und hergeworfen.“

In der vergangenen Woche wurde im Deutschen Bundestag zum ersten Mal eine Mehrheit durch die Stimmen der AfD ermöglicht: „Haben wir diese Woche einen epochalen Tabu-Bruch erlebt oder war das notwendig?“, wollte Louis Klamroth folgerichtig bei „Hart aber fair“ wissen. Besonders in den ersten 15 Minuten ging es heiß her: Da saßen sich Thorsten Frei (CDU) und Publizist Albrecht von Lucke gegenüber - und beiden fiel es sichtlich schwer, in der Hitze des Gefechts die Contenance zu bewahren.

Publizist Albrecht von Lucke (rechts) wurde gegenüber Louis Klamroth deutlich und warf Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz „Irrsinn“ vor. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Publizist Albrecht von Lucke (rechts) wurde gegenüber Louis Klamroth deutlich und warf Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz „Irrsinn“ vor. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Von Lucke krititisierte den „Irrsinn“ seitens des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz und „seiner“ Union, „eine hoch angeschlagene Ampel-Regierung“ weiter zu beschädigen: „Wenn man ganz ruhig soliden Wirtschaftswahlkampf gemacht hätte, dann wäre diese Infragestellung der verfassungsrechtlichen Zuverlässigkeit der Union nie passiert.“

SPD-Generalsekretär über möglichen deutschen Sonderweg bei „Hart aber fair“: „Das wäre für Europa fatal!“

„Jetzt lassen Sie einmal die Kirche im Dorf“, war Thorsten Frei sichtlich um De-Eskalation bemüht. Vergeblich. „Die kann man nicht im Dorf lassen“, regte sich von Lucke nur noch weiter auf und bezog sich darauf, dass Merz in „Jekyll and Hyde“-Manier vor kurzem ankündigt habe, nach der Wahl am ersten Tag als Bundeskanzler den umstrittenen Fünf-Punkte-Plan umzusetzen und die Grenzen dichtzumachen. Dass er am Parteitag das nun „zum Glück ein Stück weit revidiert“ hatte, ändere an einem nichts: „Die Richtlinienkompetenz gibt es nicht am ersten Tag, da wird Koalition gemacht“, bliebe die Äußerung laut von Lucke „verfassungs- und europarechtlich problematisch“.

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CDU-Politiker Thorsten Frei nutzte die Gelegenheit, um seinen Parteichef Friedrich Merz gegen Kritik zu verteidigen. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

CDU-Politiker Thorsten Frei nutzte die Gelegenheit, um seinen Parteichef Friedrich Merz gegen Kritik zu verteidigen. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

„Wo steht Koalition in der Verfassung? Das wäre mir neu“, widersprach Frei. „Der Bundeskanzler an der Spitze einer Regierung kann diese Entscheidungen treffen.“ Zumal klar sei, dass Zurückweisungen an der Grenze heute bereits rechtmäßig möglich seien. Dass selbst prominente Mitglieder der CDU/CSU wie Michel Friedman und Altkanzlerin Angela Merkel Merz einen „schweren Fehler“ attestiert hatten, ließ Frei kalt: „Es war notwendig“, verteidigte er das Vorgehen. Angesichts von Attentaten wie zuletzt in Aschaffenburg könne man nicht Beileidsrhetorik betreiben und dann wieder zur Tagesordnung übergehen. „Die Menschen erwarten, dass die Politik vom Reden ins Handeln kommt“, argumentierte er und erhielt Zuspruch aus dem Publikum.

„Es war gezielte Planung und ein gezielter Wortbruch“, sah es Matthias Miersch (SPD, Generalsekretär) ganz anders. Das Vorgehen der Union sei „populistisch“, denn „der Fall von Aschaffenburg hätte nicht durch die Gesetzänderung verhindert werden können, sondern war eine Frage des Vollzugs“. Miersch plädierte er für ein „gemeinsames Vorgehen“ und verurteilte Alleingänge von Merz, der wie ein „kleiner Trump“ gehandelt habe: „Wenn Deutschland jetzt einen Sonderweg geht, verspreche ich: Das wäre für Europa fatal!“ Außerdem habe die Ampel-Regierung bereits zahlreiche Maßnahmen zum Grenzschutz getroffen, wollte er Freis Vorwurf des „Versagens und Nicht-Handelns“ nicht so stehen lassen.

„Hart aber fair“: Publizist rät Union, „einfach mal zu denken“

Sollte eine Regierungsbildung scheitern und Neuwahlen unabdingbar sein, war sich Beatrix von Storch (AfD) über die Stimmanteile ihrer Partei sicher: „Wir werden uns verdoppeln.“ (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Sollte eine Regierungsbildung scheitern und Neuwahlen unabdingbar sein, war sich Beatrix von Storch (AfD) über die Stimmanteile ihrer Partei sicher: „Wir werden uns verdoppeln.“ (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

„Da gab es Erfolge“, musste der CDU-Politiker zugeben, doch „in vier Jahren drei Millionen Menschen“ und „600.000 - 700.000 Kinder, die pro Jahrgang geboren werden“ seien „zu viel, um Integration zu ermöglichen“. Flüchtlinge und Migranten seien zwar nicht schuld an Problemen wie fehlenden Kita-Plätzen oder mangelndem Wohnraum, „aber es gäbe eine angespannte infrastrukturelle Situation in Deutschland“. Deshalb forderte er nicht nur sichere Drittstaatenlösungen und die Aufnahme von „Kontingenten von besonders Schutzbedürftigen“.

Die Migrationsdebatte bestimmte auch die Diskussion bei „Hart aber fair“ am Montagabend. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Die Migrationsdebatte bestimmte auch die Diskussion bei „Hart aber fair“ am Montagabend. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

„Wir brauchen Zurückweisungen an den Grenzen von denjenigen, die keine Papiere vorzeigen“, lautete seine Schlussfolgerung, die 57 Prozent aller Befragten im „Deutschlandtrend“ für richtig halten. „Geschickt abgeschrieben von der AfD?“, warf Louis Klamroths „sehr geschätzte ARD-Kollegin“ Isabel Schayani ein. „Abgeschrieben aus Artikel 16 a Absatz 2 des Grundgesetzes“, war der Jurist Frei keiner Antwort verlegen und verwies erneut auf die - seiner Ansicht nach - kugelsichere Rechtslage.

Von Lucke überzeugte er damit nicht. Statt diesem „Linnemann-Prinzip 'einfach mal machen'“ solle die CDU es doch lieber mit „einfach mal denken“ versuchen, ließ der Politologe das nicht gelten und bekam Applaus dafür. Wenn Friedrich Merz seinen Fünf-Punkte-Plan durchsetzen wolle, „hat das die Konsequenz, dass weder SPD noch Grüne mitgehen. Dann bleibt ein Koalitionspartner - die AfD.“

Beatrix von Storch (AfD) prognostiziert bei möglichen Neuwahlen bei „Hart aber fair“: „Wir werden uns verdoppeln“

„Das sage ich auch“, klang die Analyse ganz offensichtlich wie Musik in Beatrix von Storch (AfD, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion). Ihrer Ansicht habe Merz nach der Wahl drei Möglichkeiten: Entweder, er bliebe bei seiner Ansage, dass es keine Koalition mit der AfD gäbe. Andernfalls müsse er für ein Bündnis mit Rot oder Grün „seine Gewissensfrage“ aufgeben. Würde er dann „umfallen“, blieben nur Neuwahlen als letzter Ausweg. Sollte letzter Fall eintreten, zeigte sich von Storch überzeugt: „Dann werden sich die Mehrheiten neu gestalten, neu verschieben zu unseren Gunsten. Wir werden uns verdoppeln.“ Denn das Thema der Migration sei den Menschen zu wichtig.

„Alle Illegalen verlassen das Land, Kriminelle werden verwiesen, keine Neuen aufgenommen“, habe die AfD eine klare Perspektive dafür, schilderte die Politikerin die Pläne ihrer Partei. „Grundrecht auf Asyl bedeutet nicht ein Recht in Deutschland zu sein“, stimmte Amira Mohamed Ali (BSW, Parteivorsitzende) der AfD-Politikerin zu. Auch sie halte es für „dringend notwendig, die irreguläre Migration zu stoppen“ und plädierte dafür, sich auf die Inhalte und die Sache zu fokussieren.

Denn das „Spektakel der letzten Woche hat dazu beigetragen, dass die AfD stärker ist“, forderte die BSW-Politikerin, nach den Ursachen für den Zugewinn der Partei zu forschen. „Aber Debatten entlang von Brandmauern führen zum Gegenteil.“ Spätestens an dieser Stelle war dann offenbar auch Moderator Louis Klamroth der Debatte(n) und Schuldzuweisungen überdrüssig: „Es wurden genug Bälle hin- und hergespielt.“ (tsch)