Der Messerangriff in Duisburg könnte schon der zweite Anschlag gewesen sein. Der Syrer soll neun Tage vor der Tat einen Mann erstochen haben.
Weitere Bluttat in OsternachtDas wissen wir über die mutmaßlichen Terroranschläge in Duisburg
Der Angreifer im Duisburger Fitnessstudio ist vermutlich auch für die Tötung eines Mannes in der Osternacht verantwortlich. Zunächst soll der 26-jährige Maan D. am frühen Ostersonntag einen 35-jährigen Mann in der Duisburger Altstadt erstochen haben. Irfan D. hatte mit Bekannten teilweise draußen auf der Straße einen Geburtstag gefeiert. In der Nacht verschwand er kurz, um einmal auszutreten. Als der Partygast nicht zurückkam, suchten ihn seine Freunde. Schwerverletzt fanden sie ihn. Kurz darauf verblutete das Opfer. Der Tatort liegt nur wenige hundert Meter vom Tatort Fitnessstudio entfernt.
Im Innenausschuss des Landtages Nordrhein-Westfalen äußerte sich Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag zu den neuen Entwicklungen in dem Fall. Viele Fragen bleiben weiterhin offen.
Was hat der tatverdächtige Maan D. mit der Tötung eines 35-Jährigen an Ostersonntag zu tun?
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Am Schuh des Tatverdächtigen haben die Ermittler Blut gefunden. Eine DNA-Analyse zeigt, dass dieses nicht nur zu den Opfern im Duisburger Fitnessstudio gehörte: Es klebte offenbar auch Blut des Opfers aus der Osternacht an dem Schuh. Deshalb gilt der 26-Jährige nun in beiden Fällen als dringend tatverdächtig.
Gibt es Hinweise auf weitere Taten?
Nein. Die Ermittlungsbehörden haben keine Hinweise darauf, dass der Tatverdächtige für weitere Straftaten verantwortlich ist.
Wie kommen die Behörden auf den Verdacht des islamistischen Terrors?
Neben zwei möglichen Tatmessern fanden die Ermittler Hinweise auf eine islamistische Gesinnung. Darauf deuten nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Sicherheitskreisen schriftliche dschihadistische Sentenzen in arabischer Sprache hin, die sich gegen die Ungläubigen hierzulande wenden. Ferner wurden auf dem Handy Bilddateien gefunden, unter anderem mit Bezügen zur Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS). Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen haben die Mordermittler bisher nicht entdeckt.
Der Angriff im Fitnessstudio wurde erst als Amoktat eingeordnet, dann ermittelte wieder die Mordkommission, jetzt steht Islamismus im Raum. Wieso lässt sich das Motiv so schwer zuordnen?
Das Verhalten des Täters ist weder typisch für einen Amokläufer noch für einen Terroristen. „Warum läuft der Beschuldigte in die Umkleidekabine eines Fitnessstudios und verübt seine Tat nicht im Eingangsbereich oder an irgendeinem anderen, öffentlichen Ort wie einem Bahnhof? Das passt nicht richtig zu einem Anschlagsszenario“, sagte Reul am Donnerstag im Innenausschuss. „Warum läuft er nach der Tat seelenruhig hinaus und verübt nicht weitere Angriffe? Das wiederum passt auch nicht zu einer Amoktat.“ Es sei zudem sowohl für einen Atten- als auch Amoktäter untypisch, dass der Verdächtige noch immer schweigt. „Das Täterverhalten wirft noch viele Fragen auf. Vielleicht ist die Motivationslage auch eine ganz andere, als wir das heute auf dem Schirm haben.“ Auffällig ist auch: Beim Sturm auf die Wohnung von Maan D. in der Altstadt setzte ein Spezialeinsatzkommando einen Polizeihund ein. Das Tier biss den Tatverdächtigen in den Unterarm. Interessanterweise zeigte Maan D. keine Reaktion.
War der Duisburger mutmaßliche Täter den Behörden als gewaltbereiter Islamist bekannt?
Nein. Der 26-jährige Syrer reiste vor sieben Jahren als Geflüchteter nach Deutschland ein und besaß zuletzt eine Aufenthaltsgestattung. Wie zu erfahren war, begründete Maan D. seinen Antrag auf Asyl mit der Furcht, durch das syrische Militär eingezogen zu werden. In diesen Tagen soll der mutmaßliche Mörder auf seinen Geisteszustand untersucht werden. In den sieben Jahren, seit der Beschuldigte hier lebt, wurde er nicht wegen psychiatrischer Auffälligkeiten aktenkundig. Auch nicht wegen extremistischer Umtriebe. Abgesehen von zwei kleinen Betrugsvorgängen, die beim Zoll und der Bundespolizei bearbeitet wurden, blieb er unauffällig. „Staatsschutzrelevante Erkenntnisse lagen bis zur Tat nicht vor“, so Reul.
Am Dienstagmorgen wurde in Hamburg ein Islamist festgenommen, der einen Anschlag geplant haben soll. Stehen die Festnahmen in einem Zusammenhang?
Nein. Hinweise auf einen Zusammenhang mit der Festnahme in Hamburg sind der Generalstaatsanwaltschaft nicht bekannt.
Welche islamistischen Gruppierungen sind am gefährlichsten?
Die größte Terror-Gefahr geht laut dem Innenministerium in NRW nach wie vor von internationalen jihadistischen Terrororganisationen aus. Besonders relevant sind demnach regionale Ableger des Islamischen Staats (IS).
Terror von Duisburg: Gefahr von Anschlägen in Deutschland immer noch hoch
Wie hat sich der Islamismus in NRW in den letzten Jahren strukturell verändert?
Terrororganisationen wie Al-Qaida und der IS wurden in den letzten Jahren deutlich zurückgedrängt. Das beeinflusst auch die islamistische Szene in Nordrhein-Westfalen. Da diese Terrororganisationen jedoch laut dem NRW-Innenministerium „in Teilen durchaus handlungsfähig“ sind, gerade durch Propaganda und Untergrundaktivitäten, sei die Gefahr für terroristische Anschläge in Deutschland „unverändert hoch“.
Im Jahr 2022 zählte der Verfassungsschutz noch 4070 Islamisten in Nordrhein-Westfalen. Das ist ein Rückgang um 11,7 Prozent: 2021 waren es noch 4610. Auch die Zahl der gewaltbereiten Islamisten sank deutlich von 780 auf 600. „Das ist auf den ersten Blick gut“, sagte Reul im Ausschuss. „Aber wie verborgen und deshalb umso gefährlicher Islamisten in unseren Reihen sind, konnten wir bei den Festnahmen Anfang dieses Jahres in Castrop-Rauxel sehen.“ Zwei Iraner hatten damals einen Anschlag mit den Giftstoffen Rizin und Cyanid geplant.
Welche Rolle spielen Einzeltäter?
Einzeltäter und autonome Kleinstgruppen sind zur Zielgruppe von Terrororganisationen wie dem IS und Al-Qaida geworden. „Es sind gerade Messertaten von Einzeltätern, die von Islamisten im Hintergrund als ‚einfachstes‘ Anschlagsszenario propagiert werden“, so Reul.
Wie viele islamistische Gefährder wurden aus NRW wurden abgeschoben?
Dazu gibt es nur gesicherte Zahlen ab 2017. Vorher wurden die Rückführungen von Gefährdern und sogenannten Relevanten Personen statistisch nicht einzeln erfasst. Seit 2017 schob Nordrhein-Westfalen 49 Gefährder und 15 Relevante Personen – Menschen, die innerhalb der Szene eine Führungs- oder Helferrolle einnehmen – ab. Drei Gefährder reisten freiwillig aus.