Das Modehaus Weingarten hat Geschäfte am Kölner Friesenplatz und Filialen in fünf weiteren Städten für „große Größen“
Die 34-jährige Theresa Weingarten ist seit zehn Jahren Geschäftsführerin des Familienunternehmens
Nach heftigen Umsatzrückgängen während der Corona-Pandemie belebt sich das Geschäft
Frau Weingarten, nach zweieinhalb Jahren mit Lockdowns und Verkaufsbeschränkungen – wie läuft derzeit das Geschäft mit Kleidern und Anzügen für Feiern, für das Sie bekannt sind?Weingarten: Wir sind sehr positiv überrascht. Viele Kommunions- und Konfirmationsfeiern und Hochzeiten wurden nachgeholt. Wir haben einen Run auf Anlassbekleidung erlebt. Gerade dieses festliche Geschäft haben viele andere Wettbewerber eingestellt.
Wie beruhigend ist es, dass der Verkauf anzieht?Es war eine lange Durststrecke mit Lockdowns, in denen wir nicht beraten, nicht in persönlichen Kontakt mit unseren Kunden treten konnten. Der Aufschwung motiviert jetzt super unser Personal.
Was ist denn etwa für Abibälle angesagt in diesem Jahr?Für die Zeugnisverleihung stehen Jumpsuits bei Mädchen hoch im Kurs, bei den Jungs Chinos und Sakkos. Bei den großen Abifesten dann lange Ballkleider, auch viel Glitzer. Jungs gehen auch mal im Smoking, obwohl es meistens etwas Sportiveres mit Sneakern wird. Das kann man später noch mal auftragen.
Und kommen junge Kunden mit Fotos aus dem Internet und sagen: Das Kleid, den Anzug möchte ich haben?Natürlich informieren sich junge Leute viel über Instagram. Aber jedes Kleid sitzt anders an jeder Person. Wenn die Influencerin super darin aussieht, heißt das nicht immer, dass die Abiturientin gut darin aussieht. Die Scheinwelt lässt sich nicht immer hundertprozentig umsetzen.
Und ausgerechnet als das Geschäft wieder anzieht, macht die Kartenzahlung in vielen Geschäften – auch bei Ihnen – schlapp.Da steht einem kurz mal das Herz still, wenn Kunden an den Kassen nicht bezahlen können. Es müssen alle Zahlterminals ausgetauscht werden, aber viele Zahlarten wie Lastschrift funktionieren bereits wieder.
Ihr Urgroßvater hat das Unternehmen 1930 gegründet, ihr Großvater als „König vom Friesenplatz“ weitergeführt …… und er ist heute 86 und kommt immer noch vorbei, geht durch alle unsere Häuser und begrüßt die Mitarbeiter, die er noch kennt. Er schaut mal nach dem Rechten, was seine Tochter und seine Enkelin da so treiben.
War der Namen Weingarten für Sie mehr Ehre oder Last in ihrer Kindheit?Auf jeden Fall Ehre. Ich fand das immer toll, für Mode zu stehen.
War für sie als einzige Tochter der Weg in die Geschäftsführung vorgezeichnet?Ich wurde nie explizit gefragt, ob ich das machen möchte. Und ich habe tatsächlich erst nach dem abgeschlossenen Studium gesagt, „Okay, ich kann mir das vorstellen“. Dann war es aber auch nicht selbstverständlich, dass die Familie einem die Geschäftsführung zutraut und man mit 24 schon diese Position innehaben darf.
„Zufrieden mit 8000 Quadratmetern am Friesenplatz“
Das war also vor zehn Jahren?Ich hatte vorletzte Woche Jubiläum und habe vier Bäume geschenkt bekommen – als Zeichen für die nächsten Früchte, die das Unternehmen tragen soll.
Und die werden Sie weiter am Friesenplatz ernten, dem Platz, um den sie sechs Geschäfte aufgebaut haben – von Herren- über Damen- bis hin zu Übergrößen-Mode?Wir sind mit unseren 8000 Quadratmetern am Friesenplatz sehr zufrieden – auch wenn der Friesenplatz ist eine 1c-Lage ist, weil er eben keine Fußgängerzone ist und es auch wenig Einzelhandelsgeschäfte rundherum gibt. Aber wir werden nicht zusätzlich auf die Schildergasse, Hohe Straße oder Ehrenstraße gehen.
Das eigene Kunden-Parkhaus ist von großer Bedeutung für sie, aber die Zufahrt ist schwierig – die Vogelsanger Straße ist gesperrt, der Ring nur noch einspurig …Es ist schwerfällig geworden und wir finden das auch keine gute Entwicklung. Fahrradspuren und vielseitige Verkehrsführung sind sicherlich richtig, aber man darf halt nicht eine Gruppe komplett außen vor lassen. Aktuell ist es für Autofahrer sehr beschwerlich.
Die U-Bahn-Station am Friesenplatz hat noch nicht mal Fahrstühle. Das hat selbst die KVB letztens „verkorkst“ genannt.Natürlich wollen wir auch Menschen mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer bei uns begrüßen dürfen. Die U-Bahn-Station ist auch sehr dunkel und hat viele dreckige Ecken. Ein zusätzliches Beleuchtungskonzept wäre sicherlich sinnvoll.
Podcast „ekonomy mit K“
Das komplette Gespräch mit Theresa Weingarten können Sie auf allen gängigen Podcast-Plattformen wie Apple Podcasts, Spotify oder Deezer hören. Suchen Sie dort dazu nach „ekonomy mit K“ oder „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Unter anderem finden Sie dort auch Interviews mit Santos Grill-Geschäftsführer Daniel Schellhoss, Art-Invest-Chef Markus Wiedenmann oder Mühlenkölsch-Chefin Melanie Schwartz.
Wenn Sie dem Podcast folgen, verpassen Sie keine der künftigen Ausgaben. Alternativ können Sie das Gespräch auch hier hören.
Gegenüber auf der Ecke am Ring – an der Stelle der ehemaligen Strauss-Filiale – soll ein Hochhaus entstehen, über dessen mögliche Höhe so heftig debattiert wurde, dass es gerade gar keine Fortschritte gibt. Wie sehen Sie die Entwicklung?Ganz klar ist: An dem Gebäude muss gemacht werden. Zumindest über eine Interimsnutzung muss man sich unterhalten. Es gibt so viele Pop-up-stores oder es könnte mal ein Jahr eine Galerie aufmachen für junge genaue Künstler. Es braucht ein bisschen Bewegung, ein bisschen Leben.
Was müsste am Friesenplatz selbst ihrer Meinung nach geschehen?Generell denke ich, dass man die Plätze in Köln noch mal überdenken muss, um die Verweildauer zu erhöhen. Der Friesenplatz ist doch sehr karg, es gibt kaum Bänke und Bäume. Und der Platz sollte einfacher für Events genutzt werden können. Wenn man den Platz beantragt zur Nutzung, ist es sehr langwierig und teuer.
„Egal in welchem Bereich sich Reiner Calmund bewegt, bei uns findet er das Passende“
Sie haben 2020 einen Umsatzrückgang von 39 Prozent verzeichnet, auch 2021 gab es einen zweistelligen Umsatzrückgang. Wie geht es Weingarten wirtschaftlich?Wir sind ein sehr solide wirtschaftendes, alteingesessenes Unternehmen mit sehr vielen Rücklagen. Das kam uns in der Pandemie zugute und wir sind nicht in eine bedrohliche Schieflage gekommen. Aber mit diesem Umsatzeinbruch sind wir nicht zufrieden, wir wollen wieder an alte Zeiten anknüpfen und wachsen.
Sie haben einige Filialen für Große Größen nicht nur in Köln, sondern auch in Berlin oder Düsseldorf und keines der Geschäfte geschlossen. Wird das denn so bleiben können?Wir halten an unseren aktuell sechs Standorten in Deutschland fest und sind da langfristig orientiert.
Sie haben einmal verraten, dass Reiner Calmund, der ehemalige Manager von Bayer Leverkusen, bei ihnen einkauft. Er hat jetzt 90 kg abgenommen und wiegt nur noch die Hälfte. Haben Sie das mitbekommen?Natürlich habe ich das mitbekommen!
Heißt dass, sie haben einen Kunden für große Größen verloren?Wir bieten ja auch Normalgrößen. Also egal in welchem Bereich sich Reiner Calmund bewegt, bei uns findet er das Passende.
In den beiden Corona-Jahren ist viel Ware nicht verkauft worden. Was ist damit passiert?Wir haben uns dazu entschieden, diese Ware zu behalten und haben sie in die nachfolgenden Saisons integriert. Das ist jetzt eigentlich ein Segen, denn dieses Jahr kam ja eine neue Problematik auf: Wir bekommen sehr viel Ware nicht angeliefert aufgrund des Transportkollapses aus Asien heraus. Von daher hatten wir große Ausfälle und konnten das kompensieren – mit der Ware, die noch da war.
„Wir haben 20 Prozent der Lampen in unserem Geschäft rausgedreht“
In Köln gibt es viele Kleiderkreisel und Second-Hand-Läden, dazu Apps zum Wiederverkauf getragener Kleidung. Wie reagieren Sie darauf?Wir als Modebranche müssen uns mit dem Thema Nachhaltigkeit viel mehr beschäftigen. Ich glaube der Appell ist verstanden. Bei uns immer spielt auch eine Photovoltaik-Anlage auf unserem Dach eine Rolle, die wir jetzt bauen. Es sind die auch kleinen Sachen, die zählen: also Energie zu sparen, sich über Verpackungen zu unterhalten.
Auf Solarenergie setzen sie, um Energiekosten zu senken. Das ist nicht bloß ein idealer Wert, oder?Mit der Kostenexplosion bei den Energiepreisen hat niemand gerechnet. Das sind Ausgaben, die man an keiner anderen Stelle auffangen kann. Wir müssen das Licht anschalten, müssen heizen und auch teilweise Klimaanlagen anmachen. Aber wir haben zum Beispiel 20 Prozent der Lampen in unserem Geschäft rausgedreht. Und ich glaube, man kann immer noch alles gut erkennen.
Frau Weingarten, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview ist eine redaktionell überarbeite Fassung einer Aufzeichnung von „ekonomy mit K“, dem Wirtschafts-Podcast des „Kölner Stadt-Anzeiger“.