Montreal – Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich auf ihrer Reise nach Kanada überraschend deutlich zur Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke geäußert. Für sie sei eine Verlängerung der Laufzeiten „keine Option“, sagte Baerbock bei einer Pressekonferenz mit ihrer kanadischen Amtskollegin Mélanie Joly.
Baerbock widerspricht damit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich wenige Stunden zuvor noch überraschend offen für eine Laufzeitverlängerung der verbleibenden drei deutschen Atomkraftwerke gezeigt hatte.
Olaf Scholz: Ampel erwägt Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke
Bei einem Besuch des Unternehmens Siemens Energy erklärte Scholz: „Die Kraftwerke sind ausschließlich für die Stromproduktion relevant und nur für einen kleinen Teil davon. Aber trotzdem kann das Sinn machen.“ Die Bundesregierung diskutierte derzeit eine mögliche Laufzeitverlängerung.
Einen Seitenhieb an CSU-Chef Markus Söder konnte sich Scholz nicht verkneifen: „Die Bundesländer sind unterschiedlich weit beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Sie wissen, dass das insbesondere in Bayern langsam vorangegangen ist, vor allem beim Ausbau der Windenergie.“ Auch seien dort die Netzstrukturen nicht so schnell geschaffen worden, wie in anderen Bundesländern.
Grüne: Annalena Baerbock widerspricht Ricarda Lang bei AKW-Verlängerung
Annalena Baerbock betonte bei ihrem Besuch in Montreal, dass die Atomkraftwerke für die aktuellen Energiesparmaßnahmen nicht relevant seien. „Der Kanzler hat ja unterstrichen, das finde ich wichtig bei seinen Äußerungen, dass wir über die Wärme und damit die Gasversorgung sprechen“, so Baerbock. Für diese seien die Atomkraftwerke als Stromproduzenten nicht relevant.
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Die Grünen-Politikerin stellt sich damit auch gegen Teile der eigenen Partei. Parteivorsitzende Ricarda Lang und Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hatten zuletzt einen sogenannten Streckbetrieb, also die Weiternutzung der vorhandenen Brennstäbe, im Ausnahmefall befürwortet.
Atomkraftwerke: Robert Habeck will Stresstest in der Energiekrise durchführen
Baerbock sieht das anders: „Wirtschaftsminister Robert Habeck hat ja bereits betont, dass die Atomkraftwerke für die Sicherung der Wärmeversorgung im Winter keine bedeutende Rolle spielen werden“, erklärte die Außenministerin weiter. Dennoch sei es wichtig, dass bei dem von Habeck angekündigten Stresstest „alle Eventualitäten“ für Herbst und Winter berücksichtigt würden.
Vor allem Union und FDP hatten in den vergangenen Wochen immer wieder die Verlängerung der Laufzeiten für die drei verbliebenen Atommeiler Isar II, Neckarwestheim II und Emsland gefordert. Alle drei sollen eigentlich planmäßig zum Jahresende 2022 vom Netz genommen werden. (shh)