Sechs Tage vor der Bundestagswahl stellen sich die Kanzlerkandidaten erneut den Fragen von Wählern. Vor allem bei Weidel wird es privat.
AfD-Chefin wird persönlichWeidel muss in der ARD-„Wahlarena“ Fragen zu ihrer Homosexualität beantworten

Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, verlässt am Montagabend (17. Februar) das Studio nach dem Auftritt bei der Sendung ARD „Wahlarena“.
Copyright: dpa
Die Kanzlerkandidaten haben in der ARD-„Wahlarena“ kritische Bürgerfragen zu Rente, Steuern, Fachkräftemangel und hohen Mieten beantworten müssen. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz versuchte mit der Ankündigung von Steuersenkungen und radikalen Änderungen beim Bürgergeld, bei den Wählern zu punkten. „Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten können, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen“, kündigte der CDU-Politiker für den Fall einer von der Union geführten Regierung nach der Bundestagswahl am 23. Februar an.
Einer Lehrerin für Pflegeberufe, die nebenher in der Firma ihres Mannes mitarbeitet und die sich über die aus ihrer Sicht zu hohe Steuerlast beklagte, versprach Merz „mehr Netto vom Brutto“. „Wir haben eine zu hohe Steuerbelastung in Deutschland“, fügte er hinzu. Das betreffe auch Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.
Auch Alice Weidel (AfD) sprach sich für niedrigere Steuern und Energiepreise sowie für weniger Bürokratie aus.
Klimaschutz und Regulierung in der ARD-„Wahlarena“
Unterschiede gebe es beim Klimaschutz vor allem zu den Grünen, sagte Merz. Die Union setze auf Technologieoffenheit und Innovationen. „Wir wollen es nicht mit mehr Regulierung.“ Der Kurs der früheren Ampel-Regierung und der Grünen hat nach seiner Einschätzung auf Dauer nicht die Zustimmung der Bevölkerung. „Wenn, dann müssen wir es mit der Bevölkerung machen.“

Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, ist in der „Wahlarena“ als Letzter an der Reihe.
Copyright: Kay Nietfeld/dpa
Merz sagte, die Union setze auch auf CO2-Bepreisung, die das Heizen und Tanken teurer macht. Es sei nicht so, „dass die Preise da durch die Decke gehen, das wird nicht der Fall sein“. Der Anstieg werde schrittweise geschehen, um die Bevölkerung mitzunehmen.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck widersprach Merz' Aussagen in Teilen. „Hinter dem Wort „technologieoffen“ verbirgt sich der Angriff auf die Klimaziele“, sagte Habeck. So würden neue Heizungen gefördert, wenn sie nicht mit fossilen Brennstoffen betrieben würden, sagte er unter Bezug auf das Heizungsgesetz. Habeck plädierte auch für eine Kopplung von Bafög und Sozialleistungen insgesamt an die Inflation. Außerdem wolle er „Ungerechtigkeitslücken“ schließen; so sei nicht klar, warum Studenten mehr Bafög als Auszubildende erhielten.
Merz kann man in der Berliner S-Bahn antreffen
Als jemand nach dem Deutschlandticket fragte, ließ Merz wissen: „Ich fahre hier in Berlin relativ häufig S-Bahn und U-Bahn, meine Sicherheitsleute mögen das mittlerweile nicht mehr, aber ich fahre hier sehr viel.“ Er sprach sich grundsätzlich dafür aus, das Deutschlandticket über das laufende Jahr hinaus zu erhalten. Man müsse sich mit den Ländern darüber verständigen, wie das zu bezahlen sei, „denn das ist ein ziemlich teures Projekt“. Merz schränkte zudem ein, das Ticket sei „vor allen Dingen etwas für die Ballungsräume“.
Eine Bürgerin aus dem Umland von Hamburg erzählte Kanzler Olaf Scholz (SPD), ihr sei zweimal das Zuhause genommen worden wegen Eigenbedarf. Mit jedem Umzug sei es teurer geworden. Bei der Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum habe die Bundesregierung ihr Ziel verfehlt.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der Unions-Kanzlerkandidat, Friedrich Merz, gehen beide davon aus, dass sie nach dem 23. Februar nicht gemeinsam einer Regierung angehören werden.
Copyright: Kay Nietfeld/dpa
Scholz gab zurück, es brauche „konkrete Maßnahmen bei den vorhandenen Mieten“, etwa die Verlängerung der Mietpreisbremse. Außerdem habe die Bundesregierung die Grundlage geschaffen dafür, dass mehr bezahlbare neue Wohnungen gebaut werden könnten.
Passt Weidels Lebensentwurf zur AfD?
Ein junger Mann, der sich als Homosexueller vorstellte, wollte von Weidel wissen: „Wie können Sie eigentlich Mitglied dieser Partei sein als homosexuelle Person?“ Nach ihrer persönlichen Lebenssituation als Frau, die mit einer Frau und zwei Kindern in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, wurde Weidel auch von anderen Studiogästen gefragt. Im Wahlprogramm der AfD heißt es: „Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, ist die Keimzelle der Gesellschaft.“ Weidel sagte, dies sei ein „Leitbild“, das auch sie vertrete.
Sie sprach sich zugleich dafür aus, dass eingetragene Lebenspartnerschaften, wie die ihre, rechtlich mit der Ehe gleichgestellt werden sollten. „Warum sollte ich und meine Frau nicht steuerlich gleichgestellt sein, wie in einer normalen Ehe?“ Es sei ein großes Thema bei ihr zu Hause, und sie diskutiere mit ihrer Frau darüber, wie es erbschaftsteuerlich geregelt sei, wenn sie versterbe. „Und da glaube ich, dass unsere Lebenspartnerschaft nicht nachrangig sein sollte zu einer traditionellen Ehe.“ Diese Forderung wird von der AfD als Partei im Wahlprogramm nicht vertreten.
Knappe Staffelübergabe zwischen den Kandidaten
In der Sendung „Wahlarena 2025 zur Bundestagswahl“ hatten Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, ihre Fragen live an die Kanzlerkandidaten zu richten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte vergeblich versucht, sich auf juristischem Wege einen Platz in der Sendung zu erstreiten.
Längere Gespräche zwischen den vier Kanzlerkandidaten, die nacheinander befragt wurden, sah das Format der Sendung nicht vor. Es kam aber zu kurzen Begegnungen. Als Weidel nach Scholz auftrat und von den Moderatoren gefragt wurde, ob sie jüngst noch etwas Neues über den Kanzler erfahren habe, gab sie zurück: „Ich habe ihn erlebt in zwei Regierungen, und ich glaube, es ist alles gesagt.“ Scholz geht es ähnlich. Er sagte: „Frau Weidel bleibt sich treu, und ich weiß, warum ich sage: Mit dieser Partei darf man in Deutschland nicht zusammenarbeiten.“ (dpa)