Köln – Nach der Vorlage des Rechtsgutachtens zum Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln zeichnet sich ein Konflikt um die weitere Aufarbeitung ab. Im Diözesanpastoralrat, dem wichtigsten Beratungsgremium von Kardinal Rainer Woelki, bestand nach Angaben des Erzbistums Einigkeit darüber, dass das Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke mit dem Nachweis von insgesamt 75 Pflichtverletzungen führender Bistumsvertreter „nur ein erster Schritt und damit ein Mosaikstein im Prozess der Aufarbeitung sein“ könne.
Nach Teilnehmerangaben zeigte Woelki in der Sitzung aber keine Perspektiven aufgezeigt. In der Diskussion sei vielmehr erneut deutlich geworden, dass das Vertrauen vieler Priester sowie haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeitenden in den Kardinal und die Bistumsleitung nachhaltig erschüttert sei. „Auf die Frage, wie wir da rauskommen, gab es keine Antworten“, berichtete ein prominentes Mitglied des Diözesanpastoralrats. Klar sei, dass mit dem Gercke-Gutachten „das rettende Ufer nicht erreicht“ sei.
Woelki spricht von Rissen
Eine Presse-Erklärung des Erzbistums spricht mit Blick auf den Reformbedarf in der katholischen Kirche und im Erzbistum von „teils sehr unterschiedlichen Einschätzungen“ und einem dringend bestehenden weiteren Gesprächsbedarf. Woelki selbst habe „Risse“ angesprochen, die „nicht einfach übersprungen oder zugekittet“ werden dürfte. Laut Sitzungsteilnehmern wiederholte er die Klage aus seiner Weihnachtspredigt, dass alle im Erzbistum darunter leiden müssten, was ihm in der Diskussion über die Aufarbeitung und insbesondere das unter Verschluss genommene Missbrauchsgutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) angetan worden sei.
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Insgesamt, so Teilnehmer der Sitzung, habe Woelki aber „wie befreit“ gewirkt. Von Treffen des Kardinals mit Priestern in der vorigen Woche wurde die Einschätzung berichtet, „der Sonnenkönig ist zurück“. Kirchenpolitisch sei der Kardinal nun „wieder mit Volldampf nach Rechts unterwegs“, hieß es mit Verweis auf die Unterstützung des römischen Segnungsverbots für homosexuelle Paare.
Kritik der Laienvertretung
Derweil bekräftigte der Diözesanrat, die Laien-Vertretung im Erzbistum, seine Forderung nach umfassender Aufarbeitung. Hierfür sei auch das WSW-Gutachten zugrunde zu legen, heißt es in einem einstimmigen Beschluss des Gremiums, wie dessen stellvertretende Vorsitzende Bettina Heinrichs-Müller am Wochenende auf Facebook mitteilte. Der Diözesanrat machte sich im Übrigen die Stellungnahme des Kölner Katholikenausschusses zu eigen, wonach die moralische Verantwortung der Bistumsleitung bislang nicht hinreichend geklärt ist. Dafür müsse zum Beispiel auch die Rolle der Weihbischöfe und Geheimsekretäre bei der Behandlung von Missbrauchsfällen aufgearbeitet werden. Beide Funktionen hatte Kardinal Woelki zusammen fast anderthalb Jahrzehnte inne.
Am Dienstag und Mittwoch stellen sich Woelki und Generalvikar Hofmann in zwei Videokonferenzen der Diskussion mit ehrenamtlichen Gemeindevertretern. Beide wollen sich zu den Ergebnissen des Gercke-Gutachtens und zu ersten Konsequenzen äußern, die in einem in der vorigen Woche vorgestellten Acht-Punkte-Plan enthalten sind.