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„Ausufernde Pressearbeit des BSI“Faeser wird während Wahlkampf mit Mobbing-Affäre konfrontiert

Lesezeit 4 Minuten
Die Bundesinnenministerin, Nancy Faeser, hält ihren Zeigefinger nachdenklich an ihr Kinn und schaut in die Ferne - der Hintergrund ist schwarz.

Nancy Faeser (SPD) beantwortet Fragen zur Hessenwahl beim DGB Sommerfest mit Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten zur Landtagswahl in Hessen.

Der Fall Schönbohm beschäftigt die Bundesinnenministerin Nancy Faeser weiterhin. Von mehreren Seiten gibt es Kritik am Vorgehen Faesers.

Allzu gerne würde Nancy Faeser sich auf den Hessenwahlkampf konzentrieren. Wäre da nicht die Mobbing-Affäre um den strafversetzten Ex-Präsidenten des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. Seit Tagen schlägt sich die Bundesinnenministerin mit dem Vorwurf herum, den ehemaligen Cyber-Abwehrchef aus fadenscheinigen Gründen entlassen zu haben.

Auch steht der Verdacht im Raum, dass die Sozialdemokratin das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auf den Behördenleiter angesetzt hatte, damit die Geheimdienstler kompromittierendes Material aufspürten. Zwar blieben alle Bemühungen erfolglos, um ein Disziplinarverfahren gegen Schönbohm einzuleiten.

Als der Leiter der Personalabteilung im Ministerium am 28. April 2023 Schönbohm in einem kurzen Schreiben mitteilte, dass „die eingehende Untersuchung der Sachverhalte“ zu dem Ergebnis geführt haben, dass „Disziplinarmaßnahmen nicht zu ergreifen sind“, hatte Faeser längst reinen Tisch gemacht. Die Ministerin hatte Schönbohm zum Chef der Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung degradiert.

Jan Böhmermann warf Schönbohm Russlandnähe vor

Inzwischen hat der Ex-BSI-Präsident seine Dienstherrin und teils auch die Hausspitze wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht auf Schadenersatz verklagt. Der Fall avancierte längst zum Politikum, weil das Ministerium auf die Sendung des ZDF-Moderators Jan Böhmermann hereingefallen war. Am 7. Oktober 2022 hatte Böhmermann Schönbohm als „Cyber-Clown“ diffamiert und mittelbar Kontakte zum russischen Geheimdienst über den von ihm mitgegründeten Verein „Cybersicherheitsrat Deutschland“ unterstellt. Ein Vorwurf, der sich als Nonsens herausstellte.

Vergebens suchte die CDU-Opposition in zwei Sondersitzungen des Innenausschusses die Ministerin zu stellen. Faeser schwänzte beide Termine. In der Haushaltsdebatte tat sie die Affäre als „Theaterdonner“ im Hessenwahlkampf ab.

Um die leidige Affäre zu beenden, gab die SPD-Politikerin der „Bild“-Zeitung ein Interview in der Causa Schönbohm. Ein politischer Fehler. Vergleicht man ihre Aussagen mit den Dokumenten um den Rauswurf Schönbohms, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen, so tun sich Wahrheitslücken auf.

Nancy Faeser dementiert Zusammenhang zu Böhmermann

Im Interview hatte Faeser behauptet, die Ablösung habe nichts mit der Böhmermann-Story zu tun gehabt. Vielmehr sei es um das Vertrauen in das BSI generell gegangen. In dem Bescheid zum Verbot der Dienstgeschäfte an Schönbohm vom 18. Oktober 2022 liest sich das allerdings ganz anders.

Punkt 1 behandelt ausführlich die Vorwürfe Böhmermanns. Im Vorspann heißt es: „Aufgrund der aktuellen Vorwürfe gegen Sie in Ihrer Funktion als Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, die nach der Ausstrahlung der ZDF-Sendung ‚ZDF Magazin Royale‘ vom 7. Oktober verbreitet wurden, ist in der Öffentlichkeit das Vertrauen in Amtsführung nachhaltig beschädigt.“

Faesers Aussagen in Interview widersprechen den Fakten

Und weiter heißt es: „Unabhängig davon, wie stichhaltig diese sind und ob dieses sich im Ergebnis als zutreffend erweisen, ist in der öffentlichen Meinung ein Vertrauensverlust eingetreten, der eine weitere Amtsführung unmöglich macht und die Aufgabenerfüllung im BSI.“

Gerade in der aktuellen Sicherheitslage einer hybriden Kriegsführung Russlands müsse das BSI und seine Amtsleitung über jeden Zweifel „hinsichtlich kompromittierender Beziehungen zu Russland und nahestehender Kreise“ erhaben sein, hieß es in dem Ministeriumsbescheid.

Wie passen diese Sätze zu den Aussagen der Bundesinnenministerin ? So bekundete Faeser im Interview, man habe lange und sorgfältig den Fall geprüft. Dabei wurde Schönbohm bereits elf Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe abgesetzt. Die Nachforschungen in der Causa waren da längst noch nicht abgeschlossen.

Anwalt sieht „strafrechtlichen Anfangsverdacht“

Normalerweise müssen vordisziplinarische Untersuchungen binnen drei Monaten zu einem Ergebnis führen. Doch im Fall Schönbohm ließ sich die Dienstherrin Zeit. Laut den Akten war im Januar 2023 schon klar, dass keine Amtsverstöße vorlagen. Dennoch gingen nochmals zwei Monate ins Land, ehe Faeser die Verfassungsschützer zum zweiten Mal einschaltete. Was danach geschah, bleibt im Dunkeln.

Die Ministerin betonte, dass Schönbohm nicht durch den Inlandsgeheimdienst ausgeforscht worden sei. Anwalt Winterhoff hegt seine Zweifel. Aus seiner Sicht besteht „ein strafrechtlicher Anfangsverdacht“.

In dem Zusammenhang verweist der promovierte Jurist auf den Paragrafen 344 Absatz 2 hin: „Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme berufen ist, absichtlich oder wissentlich jemanden, der nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ Aus Sicht Winterhoff bestand kein Anlass, den Verfassungsschutz einzubinden, „da es keinerlei Hinweise auf einen Rechtsbruch meines Mandanten gab.“

Nancy Faeser hält an ihrer Linie fest

Ministerin Faeser hält indes an ihrer Linie fest: Alles gut gelaufen. „Ich habe das BSI neu aufgestellt und gestärkt“, so ihre Devise. Dabei verschwieg sie wohlweislich, wie alle ihre sonstigen sechs Punkte für ein Fehlverhalten Schönbohms in ihrer Verbotsverfügung in sich zusammenfielen. So rügte die Ministerin etwa die „ausufernde Pressearbeit des BSI“.

Am 28. April 2023 warb die Hausleitung um gutes Wetter. In dem Schreiben an Schönbohm, das von der Einstellung der Untersuchung handelte, freute sich Faesers Personalchef Martin von Simson auf eine „Fortsetzung der begonnenen erfolgreichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit“. Eine erstaunliche Volte. Denn bis heute macht seine Chefin Faeser den Vertrauensverlust für die Absetzung Schönbohms verantwortlich.