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Historische FlutkatastropheHochwasser-Schäden in NRW überschreiten 13 Milliarden Euro

Lesezeit 4 Minuten
Laschet Landtag

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Landtag

  1. Opposition fordert Krisenstab
  2. Genehmigungsverfahren vonKiesgrube in Erftstadt-Blessem auf den Prüfstand
  3. Laschet setzt Beauftragten für Wiederaufbau ein

Düsseldorf – Die Schäden durch das Unwetter Mitte Juli belaufen sich allein in Nordrhein-Westfalen nach ersten Schätzungen auf mehr als 13 Milliarden Euro. Das gab Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Montag in einer Sondersitzung des Düsseldorfer Landtags bekannt. Zuvor tagte der Umweltausschuss des Landtags ebenfalls in einer Sondersitzung. Hier ging es um Konsequenzen aus dem Hochwasser, das Laschet im Landtag als die „größte Naturkatastrophe, die Nordrhein-Westfalen seit Bestehen der Bundesrepublik getroffen hat“ bezeichnete.

Während der Debatte kam immer wieder Kritik an der Koordination der Landesregierung auf. „Wieso wurde der Krisenstab des Landes nicht aktiviert“, fragte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty und bemängelte die Arbeit der eingesetzten Koordinierungsgruppe. Es sei Aufgabe des Ministerpräsidenten, den Krisenstab einzuberufen, diese sei auch jetzt noch möglich, so Kutschaty.

Wurde genug gewarnt?

Im Plenum wie auch schon in der vorangegangenen Sondersitzung des Umweltausschusses wurde die Frage nach der Zuständigkeit bei der landesweiten Warnung der Bevölkerung laut. „Warum hat die Landesregierung nicht landesweit gewarnt und informiert?“, fragte Kutschaty. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) hatte dazu bereits eine weitere Ausschusssitzung in Aussicht gestellt, bei dem eine Dokumentation aller Warnhinweise auch auf europäischer Ebene zur Verfügung gestellt werden sollen. Aufgabe sei es, die Geschehnisse „Punkt für Punkt aufzuarbeiten, um zu sehen, wo wir hätten früher reingehen müssen.“ Zudem mahnte sie, Maßnahmen zum Hochwasserschutz schneller und unbürokratischer umzusetzen.

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Im Laufe der Sondersitzung kündigte Heinen-Esser an, das Genehmigungsverfahren der beim Jahrhundert-Hochwasser erodierten Kiesgrube in Erftstadt-Blessem auf den Prüfstand zu stellen. Es werde genau untersucht, ob es wasserwirtschaftliche Besonderheiten gegeben habe. Während der Flut war die Erft weit über die Ufer getreten und das Wasser in die Kiesgrube geströmt. Die Ministerin sprach von einer „unkontrollierten Erosion bis an den Ortsrand“. Bei dem Unglück seien drei Häuser in Blessem abgestürzt, acht weitere müssten abgerissen werden. Zudem müsse die Erft in ihr altes Flussbett zurückgeführt werden.

Kleine Flüsse müssten zukünftig besser beobachtet und das Warnsystem kleinteiliger gestaltet werden, so ein weiteres Fazit des Berichts des Ministeriums zu den Hochwasserereignissen. Systematischen Hochwasserschutz gebe es bisher nur für die großen Flüsse des Landes, der Rhein sei größtenteils gut abgesichert, sagte die Ministerin. Ein erster Punkt sei nun, für kleine Flüsse ein Hochwasserprognosesystem zu entwickeln. Dafür erarbeite die RWTH Aachen ein Modellsystem.

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Im Bericht des Ministeriums wird zudem eine Anpassung der bestehenden Bewirtschaftungskonzepte von Talsperren angekündigt. Das sei vor allem für kleinere Talsperren zu verstehen, die nicht in den Hochwasserschutz, sondern nur zum Vorhalten von Trink- und Brauchwasser gedacht sind. Mit Blick auf den Klimawandel sei es geboten, das Management so einzurichten, dass mithilfe digitaler Technik sowohl auf Trockenheit wie auf Hochwasser rechtzeitiger reagieren werden könne. Als Fazit der Katastrophenauswertung betonte Heinen-Esser „Die Talsperren, die eine Hochwasserfunktion haben, haben auch gehalten.“

Beauftragter für Wiederaufbau

Ministerpräsident Laschet kündigte bei der Sondersitzung im Landtag den Einsatz eines Beauftragten für Wiederaufbau an. Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nordwestfalen, Fritz Jaeckel, werde die Aufgabe übernehmen und werde damit im Kommunalministerium angesiedelt. „Herr Jaekel wird das nötige Tempo und die nötige Kreativität mitbringen, damit der Wiederaufbau von Wohnungen und Häusern noch vor dem Winter gelingt“, sagte Laschet. Jaeckel habe bereits in leitenden Funktionen an der Bewältigung der großen Hochwasser-Katastrophen von 2002 und 2013 in Sachsen mitgewirkt und wisse daher genau, was in einer solchen Situation zu tun sei, sagte Laschet.

Darüber hinaus habe er den langjährigen Präsidenten der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Albrecht Broemme, darum gebeten, am Beispiel dieser Flut umgehend zu untersuchen, wie die Städte und Dörfer im Katastrophenfall noch wirksamer geschützt werden könnten. Deutschland müsse beim Katastrophenschutz und bei der Alarmierung besser werden, sagte Laschet.

Warn-App NINA soll verbessert werden

Maßnahmen zur besseren Warnung der Bevölkerung kündigte auch Umweltministerin Heinen-Esser an. Die Warnapp NINA (Notfall- Informations- und Nachrichten-App) solle zukünftig möglichst kleinteiliger und regionaler funktionieren. Bisher umfasse sie eher größere Regionen und sei noch nicht auf lokale Bereiche anwendbar. Heinen-Esser kündigte eine Prüfung an, inwiefern die regionale Präzisierung hier möglich ist.

Schäden von mehr als 13 Milliarden Euro

Bei der Unwetterkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz waren Mitte Juli mehr als 180 Menschen gestorben, darunter allein 47 in NRW. Hinzu kamen enorme Sachschäden. Ministerpräsident Armin Laschet sprach in der Landtagssitzung von ersten Schätzungen, nach denen sich die Schäden in NRW auf mehr als 13 Milliarden Euro belaufen. Unter anderem seien mehr als 150 Schulen beschädigt worden, davon mindestens acht so schwer, dass ohne Ausweichlösung nicht einmal ein eingeschränkter Schulbetrieb möglich sei, berichtete Laschet. Zudem gab er zu bedenken: „Der schnelle Wiederaufbau Tausender privater Wohnungen und Häuser - das gab es hier bei uns in Nordrhein-Westfalen wohl seit dem Krieg nicht mehr.

Auch der Wiederaufbau müsse im Bewusstsein des Klimawandels geschehen, sagte Ministerin Heinen-Esser. Sowohl die betroffenen Regionen als auch neu geplante städtebaulichen Maßnahmen müssten unter der Maßgabe der Klimaresilienz durchgeführt werden. Wetterextreme könnten auch zukünftig nicht verhindert werden, es gelte aber, Leben und Arbeiten an den Klimawandel anzupassen und die zerstörten Orte wieder lebenswert zu machen. (mit dpa)