NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst unterbreitet Vorschläge zur Entlastung der Unternehmen und Privathaushalte von den hohen Energiekosten.
GastbeitragHendrik Wüst: „Wir brauchen niedrigere Strompreise“
Die energieintensive chemische Industrie ist Teil unseren wirtschaftlichen DNA in Nordrhein-Westfalen. Seit vielen Jahren sieht sie sich mit zunehmenden Herausforderungen und einem starken Wandlungs- und Wettbewerbsdruck konfrontiert – insbesondere bei der Aufgabe, die Industrie bis 2045 klimaneutral umzugestalten. Die aktuellen hohen Strompreise belasten die energieintensiven Industriesparten massiv.
Industriepolitische Initiativen anderer Länder wie der Inflation Reduction Act der USA tragen zu weiteren Wettbewerbsnachteilen für die NRW-Industrie bei. Der Strompreis für Industrieunternehmen in Deutschland zählt seit Jahren zu den höchsten in Europa. Im Vergleich zu Ländern wie den USA oder China fällt der Unterschied noch größer aus. Aber gerade die Elektrifizierung von Prozessen, die mit der Transformation zur Klimaneutralität einhergeht, macht langfristig kalkulierbare und wettbewerbsfähige Strompreise umso wichtiger.
Energiekosten sind ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien. Es geht um viele Tausend Arbeitsplätze in den Grundstoffindustrien von Stahl über Zement bis hin zur Chemie. Die Chemie-Industrie insbesondere im Rheinland und im Ruhrgebiet ist systemrelevant für unsere gesamte Wirtschaft. Das muss auch in Berlin endlich ins Bewusstsein.
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Der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), einen Industriestrompreis einzuführen, kann ein wichtiger Baustein sein, um die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien zu erhalten. Zeitlich befristet, mit klaren Planungsgrundlagen für die Wirtschaft - das ist der richtige Ansatz beim Industriestrompreis.
Nur leider macht die Ampel-Koalition in Berlin auch hier wieder das, was sie am besten kann: Streiten, Lamentieren, Verzögern. Dabei brauchen die Unternehmen jetzt unbedingt Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Ein fester Industriestrompreis muss zudem europäisch eingebettet werden. Bislang ist unklar, wie sich die Ampel-Ideen unter dem europäischen Beihilfenrecht überhaupt realisieren lassen können. Die Zeit läuft ab. Ich sage in aller Klarheit: Sollte die Ampel weiter eine tragfähige Lösung verschleppen, droht dauerhafter Schaden für den Industriestandort Deutschland mit seinen Arbeitsplätzen.
Ich fürchte, dass die zögerliche und unentschlossene Industriepolitik der Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nachhaltig schwächt sowie Arbeitsplätze und möglicherweise ganze Produktionsstandorte insbesondere in der Chemie-Branche gefährdet. Das können wir einfach nicht akzeptieren.
Wir brauchen niedrigere Strompreise sowohl für Unternehmen wie für Privathaushalte. Langfristig erreichen wir dies, wenn reichlich Strom aus Erneuerbaren Energien zu günstigen Preisen zur Verfügung steht. Doch auch kurzfristig kann gehandelt werden – zum Beispiel durch eine Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz. Auch eine Senkung der Netzentgelte würde Entlastungen bringen. Es wäre gut, wenn die Ampel diese Optionen bei den Haushaltsberatungen mit überdenkt.
Die Industrie und mit ihr der weiterverarbeitende Mittelstand überall im Land brauchen Planungssicherheit bei den Energiekosten. Nur so kann hier in Deutschland in klimaneutrale Innovationen investiert und Wohlstand und soziale Sicherheit erhalten werden. Dazu braucht es ein entschlossenes Umsteuern in der Wirtschaftspolitik der Ampel - klar ausgerichtet an der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.