- Ein Acht-Punkte-Plan, wie Köln mit Charakterstärke und Entschlossenheit durch die Pandemie und aus der Krise kommen kann.
Es ist ein Sinnbild für die aktuelle Situation: Vor Ostern hat die Kölner Stadtverwaltung den Rheinboulevard gesperrt, um dort größere Ansammlungen zu verhindern. Die Menschen treffen sich aber trotzdem – jetzt eben ein paar hundert Meter weiter, auf der Alfred-Schütte-Allee. Das Problem wurde nicht gelöst, es wurde nur verschoben. Und ich frage mich wieder einmal: Ist das wirklich alles, was wir tun können?
Natürlich nicht. Deutschland war im ersten Halbjahr 2020 noch auf einem sehr guten Weg. Im internationalen Vergleich wurde das Krisenmanagement hierzulande immer wieder gelobt. Kein Wunder! Deutschland kann Krise. Das haben wir beim Zusammenbrechen der Finanzmärkte ebenso gesehen wie in der Eurokrise. Im vorigen Sommer aber sind wir dann leider leichtsinnig geworden. Statt sich bei niedrigen Inzidenzwerten für die erwartbare nächste Welle zu rüsten, unternahmen die zuständigen Regierungsstellen – nichts! Weder der Bundesgesundheitsminister noch der Innenminister oder das Kanzleramt haben in dieser Zeit Maßnahmen auf den Weg gebracht, die uns auf die aktuelle Lage vorbereitet hätten. Obwohl wir dank Leuten wie dem Virologen Christian Drosten, der Infektiologin Marylyn Addo oder dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach mittlerweile viel über die Pandemie gelernt hatten.
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Stattdessen erlebten wir ein Hin und Her von Vorschlägen, ein Öffnen und Schließen verschiedenster Einrichtungen. Dieser Zustand hält bis heute an – begleitet von einer zunehmenden Zahl an Fehlern bis hin zum Chaos. Niemand kann mehr so richtig überblicken, welche Regeln für wen wann und wo gelten, in welchem Umfang und mit welchen Konsequenzen. Die Folge sind Gleichgültigkeit und Vertrauensverlust, verstärkt noch durch die Korruptionsaffäre der CDU/CSU.
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Als Kommunalpolitiker macht mich das rasend: Die Stadt badet aus, was auf der Ebene des Bundes und der Länder nicht gelingt. Und zu allem Überfluss schwankt unsere Oberbürgermeisterin zwischen „No Covid“ und planlosen Lockerungen. Zuletzt hat sie die Verantwortung an die Leiterin des Krisenstabes abgegeben, welche die Pandemie weiterhin eher verwaltet als bekämpft. Mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen fürchte ich, dass wir um einen weiteren kurzen, harten Lockdown nicht herumkommen. Eventuell sogar mit – zeitlich klar begrenzten – Ausgangssperren, um die dritte Corona-Welle zu brechen. In Köln sollten wir diese Zeit nutzen, um folgende Maßnahmen umzusetzen:
Wir richten flächendeckend Teststationen im ganzen Stadtgebiet ein. Egal ob Apotheke, Drogeriemarkt oder Nagelstudio – in jedem Quartier muss Testen möglich sein.
Das Testen wird zu jeder Zeit und überall kostenlos angeboten.
In allen Schulen und Kindertagesstätten wird verbindlich und regelmäßig getestet, jede Person mindestens zweimal pro Woche. Das Land hat damit Schwierigkeiten, aber die Stadt kann das leisten.
In Köln ansässige Unternehmen werden durch Wirtschaftsförderung und Gewerbeaufsicht beim betrieblichen Testen unterstützt. Ziel auch hier: mindestens zwei Testungen pro Woche.
Die Testung wird zur Voraussetzung für die Teilnahme am öffentlichen Leben. Es gibt bereits Apps, mit denen ein negativer Test per QR-Code nachgewiesen werden kann. Damit könnten der Einzelhandel, die Gastronomie oder die Kultur Spielräume erhalten.
Im Sportverein, im Fitnesscenter oder auf dem Bolzplatz darf mit negativem Testergebnis wieder trainiert werden.
Bußgelder für Verstöße gegen Abstands- und Maskenregelungen sowie gegen Testauflagen werden erhöht, die Kontrollen verstärkt.
Impfungen werden dezentral angeboten, idealerweise durch die Hausärzte. Pragmatik ist dafür oberstes Gebot: Sofern es zu Akzeptanzproblemen beim Astrazeneca-Impfstoff kommt, soll dieser umgehend an Interessierte verimpft werden.
Ich bin mir sicher: Mit verständlichen Regeln, deutlichen Vereinbarungen und ebenso klaren Sanktionen kann das Vertrauen der Menschen in Politik und Verwaltung zurückgewonnen werden. Dafür müsste jetzt allerdings die Oberbürgermeisterin vorangehen und im Rahmen ihrer Verantwortung diese Schritte veranlassen. Meine Unterstützung hätte sie.
In einigen Medien wird gerade öfter an Helmut Schmidt erinnert. Seinen Ruf als Krisenmanager hatte sich der frühere Bundeskanzler zuallererst in der Stadtpolitik erarbeitet. Als Innensenator von Hamburg bewahrte er seine Stadt in der Sturmflut von 1962 buchstäblich vor dem Untergang – durch pragmatische Lösungen und klare Entscheidungen. Das wünsche ich mir auch für Köln: Charakterstärke und entschlossenes Handeln aller Verantwortlichen.
Christian Joisten ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Köln.