Der bolivianische Bischof Eugenio Coter Eugenio Coter erklärt im Interview den Einsatz der Kirche für den Erhalt des Regenwaldes. Und, was er von den Reformanliegen des Syndonalen Wegs hält.
Interview mit Bischof aus Bolivien„Reformgegner sind Hindernis für die Kirche“
Der bolivianische Bischof Eugenio Coter sieht große Übereinstimmung der Kirche in der Amazonas-Region mit den Reformanliegen des Synodalen Wegs in Deutschland. Die Bremser seien angstgetrieben. Im Interview erklärt der Geistliche, der als Gast des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat zu Besuch in Deutschland ist, auch den Einsatz der Kirche für den Erhalt des Regenwaldes.
Herr Bischof, die deutschen Bischöfe sind mit ihren Reformbestrebungen bei ihrem jüngsten Besuch beim Papst und bei der römischen Kurie auf wenig Gegenliebe gestoßen. Das kennen die Bischöfe Amazoniens auch. Ihre Forderung, wegen des Priestermangels in Ihrer Region verheiratete Priester zuzulassen, ließ der Papst unerfüllt. Warum spricht Franziskus von Veränderungen, springt aber nicht, wenn’s drauf ankommt?
Eugenio Coter: In ökologischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Fragen ist der Papst im Schluss-Dokument der Amazonas-Synode sogar weiter gegangen, als wir Bischöfe das erwartet hatten. Er hat auch die Vielfalt der Dienste und Ämter in der Kirche sehr deutlich anerkannt. Was die Viri probati (verheiratete Priester) betrifft, glaube ich: Er hat schon verstanden, worum es uns bei unserer Bitte nach der Zulassung ging, fürchtete aber eine Spaltung der Kirche, wenn er ihr stattgegeben hätte.
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Verfolgen Sie die Reformdebatten auf dem „Synodalen Weg“ der katholischen Kirche in Deutschland?
Sehr. Es gibt weltweit eine große Aufmerksamkeit für das, was gerade in Deutschland passiert. Mein Eindruck ist, dass wir bei etlichen Themen absolut gleich empfinden.
Bei welchen Themen?
Zum Beispiel beim Problem der leeren Kirchen oder beim Priestermangel, der dazu führt, dass die Gläubigen um die Sakramente, besonders die Eucharistie, gebracht werden. Wie Sie in Deutschland sehen wir das Problem der wiederverheirateten Geschiedenen, die nicht zur Kommunion gehen dürfen. Und auch die Diakonenweihe von Frauen ist ein Thema, das wir gemeinsam vorangetrieben wissen wollen, wie überhaupt die Anerkennung der Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche.
Dann ist der Vorwurf nationaler Alleingänge oder eines deutschen Sonderwegs mit der Gefahr einer Kirchenspaltung unzutreffend?
Das ist schlicht falsch. Wenn Katholiken in Deutschland und in Amazonien in Fragen wie den eben genannten gleich ticken, dann spricht vieles dafür, dass sie die Weltkirche insgesamt bewegen – und zwar deshalb, weil es Schlüsselthemen sind für die Kirche und ihren Ort in modernen Gesellschaften. Die Widerstände gegen Veränderung sind letztlich nur Ausdruck einer großen Angst davor, wie Petrus auf dem See Genezareth aus dem sicheren Boot zu steigen und auf Christus zu übers Wasser zu gehen – im Vertrauen auf die Hilfe Gottes.
Gehen Sie in Amazonien womöglich schon übers Wasser und lassen sich nicht herunterziehen?
Vielleicht trägt das Wasser bei uns etwas besser als bei Ihnen. Klar ist: Wir müssen alle weit über das hinauskommen, was wir derzeit haben. Wenn der Papst sagt, die Kirche sei im Aufbruch, dann darf man nicht stehenbleiben, sondern muss neue Wege suchen. Für den Synodalen Weg in Deutschland lautete die einzige Weisung des Papstes: Wahrt die Einheit!
Müsste sich in Ihrer Logik diese Mahnung nicht auch an jene richten, die – wie Sie sagen – einfach stehenbleiben wollen?
Ja, die sind das Hindernis. Ihr Beharren passt nicht zum christlichen Stil.
Was ist „christlicher Stil“?
Christ zu sein, bedeutet, sich auf diese Welt und ihre Wirklichkeit einzulassen – so wie Jesus Christus, der menschgewordene Gott, das vor 2000 Jahren auch getan hat.
Was sagen Sie zur Situation im Erzbistum Köln, wo Kardinal Rainer Woelki seit Monaten auf eine Entscheidung des Papstes über sein Rücktrittsangebot wartet?
Ich glaube, der Papst reagiert immer erst dann, wenn er sich sicher ist. Das ist im Missbrauchsskandal der Kirche von Chile auch so passiert. Er hat einige Mal nachfragt: Habt ihr Beweise? Sonst haltet bitte den Mund! Aber als er die Beweise hatte, hat er auch gehandelt.
Die Weihnachtsaktion des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, als dessen Gast Sie in Deutschland sind, stellt die Themen medizinische Versorgung und Umwelt in den Mittelpunkt. Versteht die Kirche in Ihrer Region sich als sozial-ökologische Pressure group?
Den Druck macht das Volk. Die Kirche begleitet das, motiviert, spornt an – ein bisschen nach Art der alttestamentlichen Propheten, die sich in ihrer Sozialkritik mit den Reichen und Mächtigen angelegt haben.
Das Volk macht Druck? In Brasilien stand bis vor Kurzem noch eine Mehrheit hinter dem rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro, der die ungehemmte Vernichtung des Regenwalds zugelassen hat.
Womit er sich in nichts unterschied vom früheren sozialistischen Präsidenten Boliviens, Evo Morales. Die Haltung zur Natur und zur Umwelt ist keine Frage der politischen Orientierung.
Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass sich in Brasilien beim Umgang mit dem Regenwald unter dem alten und neuen Präsidenten Lula da Silva etwas ändert?
Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Lula ökologisch sensibler agieren wird als Bolsonaro. Aber insgesamt kann ein Präsident zwar ein wenig das Tempo drosseln oder erhöhen. Aber ein echter Richtungswechsel kommt nur zustande, wenn sich der Druck aus dem eigenen Volk mit internationalem Druck paart.
Wie ist das in Bolivien?
Unsere Regierung mit Präsident Luis Arce interessiert sich nicht für den Erhalt des Regenwalds. Sie erlaubt nach wie vor Geschäftemacherei mit der Rodung, sogar in den Nationalparks, und sie missachtet die Rechte der indigenen Bevölkerung.
Wäre das anders, wenn die Opposition an die Macht käme?
Nein. Arces Vorgängerin Jeanine Anez Chavez, die jetzt im Gefängnis sitzt, hat die gleiche Politik gemacht.
Dann nimmt sich niemand des Umwelt-Problems an?
Das Hauptproblem ist, dass sich zu viele Menschen noch auf der Gewinnerstraße wähnen, während sie in Wahrheit die Verlierer sein werden. Die fortschreitende Zerstörung der Natur vertreibt schon jetzt die Menschen aus ihren angestammten Lebensräumen und macht sie zum Lumpenproletariat in den Armenvierteln der Vorstädte. Auch die klimatischen Folgen sind überdeutlich. Im Hochland von Cochabamba etwa halten die Menschen Andachten und Bittprozessionen für Regen ab.
Was kann Entwicklungsarbeit der Kirche ausrichten?
Als allererstes solche Prozessionen zu irgendwelchen Heiligen sein lassen, weil die sicher niemanden daran hindern werden, Geschäfte mit der Abholzung des Regenwalds zu machen.
Was dann?
Kirchliche Projektarbeit von unten zielt auf Bewusstseinsbildung und einen Mentalitätswandel im Umgang mit der Natur: Subsistenzwirtschaft, Verzicht auf Brandrodungen, um die Humusschicht der Böden zu erhalten. Noch vor fünf Jahren stand morgens auf meinem Weg in die Bischofskirche beißender Rauch in den Straßen, weil das Laub auf den Straßen einfach verbrannt wurde. Inzwischen wird es kompostiert. Das sind kleine Schritte, gewiss, aber die Leute merken den Unterschied. Und das bewirkt Veränderung auch im Großen.
Glauben Sie wirklich?
Ich nehme es so wahr. Die staatlichen Autoritäten müssen reagieren, um auf Dauer noch ernstgenommen zu werden.
Die diesjährige Weihnachtsaktion des katholischen Hilfswerks Adveniat steht unter dem Motto „Gesundsein fördern“. Die Eröffnung ist am ersten Advent in Trier. An Weihnachten wird in allen Gottesdiensten für Adveniat-Projekte in Lateinamerika und der Karibik gesammelt.
Auch die evangelische Kirche ruft vor Weihnachten zu Spenden für Hilfsprojekte im Kampf für Klimagerechtigkeit auf. „Eine Welt. Ein Klima. Eine Zukunft“ lautet das Motto der 64. Aktion „Brot für die Welt“.