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Interview mit Forsa-Chef Güllner„Noch ist der emotionale Schutzpanzer stark“

Lesezeit 5 Minuten
Güllner dpa

Forsa-Chef Manfred Güllner

  1. In den neusten Umfragen zur Corona-Krise erkennt Forsa-Chef Manfred Güllner eine ganz klare Tendenz.
  2. Er stellt auch fest: Profilierung durch Abgrenzung gegen die Regierung sei jetzt genau das Verkehrte.
  3. Über die Befunde der Umfrage, Wege für die Opposition und der Vegleich mit anderen Bundesländern.

Herr Güllner, was ist der für Sie entscheidende Befund der Umfrage zur Corona-Krise in NRW?

Manfred Güllner: Die Ergebnisse spiegeln eine Tendenz, die wir auch bundesweit feststellen: Die Politik tut nach Ansicht einer Mehrheit das, was die Bürger von ihr erwarten, nämlich sich um die Probleme und Sorgen der Menschen zu kümmern. Und im Moment ist das nun mal die Corona-Krise. Lösungen etwa in dem Sinne zu erwarten, dass die Regierenden das Virus stoppen könnten, wäre übermenschlich. Aber die Menschen honorieren, dass etwas getan wird. Allerdings profitiert davon in NRW – wie auch im Bund – in erster Linie die CDU.

Die Zustimmungswerte für die Regierung, aber auch für Ministerpräsident Armin Laschet sind dementsprechend gut.

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Das ist sicher einem Regierungsbonus in Krisenzeiten geschuldet. Aber die von uns gemessenen Werte sind auch unter Berücksichtigung dieses Effekts extrem gut, zumal es bei den Anhängern der verschiedenen Parteien – mit Ausnahme der AfD-Klientel – nur minimale Abweichungen in der Beurteilung der Regierung gibt. Die Menschen schätzen, wie Laschet sich in der Krise verhält, und sagen „richtig so!“.

Manfred Güllner

Manfred Güllner, geboren 1941, ist Soziologe, Sozialpsychologe und Betriebswirt. 1984 gründete er das Meinungsforschungsinstitut Forsa, dessen Geschäftsführer er bis heute ist. Zuvor hatte Güllner lange in Köln gearbeitet, unter anderem als Direktor des städtischen Amts für Statistik.

Für die Umfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zur Stimmungslage in Nordrhein-Westfalen in der Corona-Krise befragte Forsa vom 6. bis 8. April 1984 repräsentativ ausgewählte wahlberechtigte Bürger Nordrhein-Westfalens. (jf)

Auch im Vergleich etwa zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder mit seinem vergleichsweise kantigeren oder härteren Vorgehen?

Ich glaube, die Bewertungen unterscheiden sich da nur in Nuancen. Gemeinsam ist, dass sie als Politiker wahrgenommen werden, die – wie ich eingangs sagte – „was tun“. Laschet mit seiner bundesweit bislang geringeren Bekanntheit kann davon jetzt über NRW hinaus profitieren. Gewiss werden diese Zustimmungswerte sich nach dem Ende der akuten Krisenphase wieder ein Stück normalisieren. Die Regierungsarbeit in der Krise wird dann auch wieder differenzierter und womöglich kritischer gesehen werden als jetzt.

Die SPD liegt in der Sonntagsfrage bei nur 20 Prozent. Aber was soll sie als Oppositionspartei im Land auch machen?

Profilierung durch Abgrenzung gegen die Regierung wäre jetzt genau das Verkehrte. Entgegen verbreiteten Annahmen in den Parteien und auch entgegen den Empfehlungen mancher Politikwissenschaftler ist die Konsens-Orientierung der Bürger viel größer als der Wunsch nach Streit und klarer Kante.

Der Streit gehört doch zur Demokratie. „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche“, ist wilhelminisch, autoritär und letztlich undemokratisch.

Richtig. Aber gerade in einer Krise sind die Bürger in erster Linie an der Bewältigung der Probleme interessiert. Wer ihnen hier das Gefühl gibt, nicht mit an einem Strang zu ziehen, wird abgestraft. Belohnt wird Pragmatik und in einer so unüberschaubaren Lage wie jetzt das „Fahren auf Sicht“, bekanntlich Angela Merkels große Spezialität. Sie können das übrigens spiegelbildlich gut an der Entwicklung der Grünen in den vergangenen Jahren ablesen: Zu ihrer ganz großen Stärke sind sie gelangt, seit die neue Parteiführung einen konfrontativen Politikstil durch ein pragmatisches-rationales Herangehen ersetzt hat.

Gibt es denn in der Krise dann überhaupt einen Weg für die Opposition, als solche sichtbar zu sein?

Hätte die SPD vor der Krise insgesamt besser dagestanden, käme ihr eine konstruktive Haltung zumindest bei ihren Anhängern auch stärker zugute. Im Bund wird sie derzeit im Grunde nur von Finanzminister Olaf Scholz vertreten, der dafür ja auch gute Noten bekommt. Jetzt erinnert man sich daran, dass der Mann in der SPD ist, der Partei, die ihn aber nicht als Vorsitzenden wollte. In NRW hat die SPD das zusätzliche Problem, dass kaum einer ihre führenden Köpfe kennt. Das ist völlig unabhängig von Corona so.

Sie sagten schon, dass die AfD-Anhänger als einzige signifikant anders auf die Krise reagieren als die Bürger sonst. Woran liegt das?

Die Anhängerschaft der AfD bestätigt mustergültig, was die Parteienforschung und die Soziologie ihr seit langem attestiert: Es gibt in dieser Partei und bei ihren Unterstützern ein hohes Maß an Irrationalität. Sie sind anfällig für Aggressionen, wilde Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien aller Art. Es gibt eine große Zahl an Dauernörglern, die immer und mit allem unzufrieden sind. Das zeigt sich jetzt exakt in den Reaktionen auf die Krise: Die einen halten deren Gefahr für übertrieben, die anderen für untertrieben. Den einen passiert zu viel, den anderen zu wenig. Diese Ausschläge in beide Extreme sind auffallend und typisch.

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Die größte Sorge der Menschen insgesamt ist laut Ihrer Umfrage die Entwicklung der Wirtschaft. Für sich persönlich oder den eigenen Haushalt dagegen sind die Menschen zuversichtlich. Wie kommt es zu dieser merkwürdigen Kluft?

Dieses Ergebnis ist in der Tat interessant: Man koppelt die eigene ökonomische Situation ab von der Lage der Volkswirtschaft. Das hat zunächst damit zu tun, dass die Deutschen vor der Krise überwiegend zufrieden waren mit ihrer wirtschaftlichen Lage, an der sich für sie bislang wenig geändert hat. Deswegen ist der wirtschaftliche Niedergang eine eher abstrakte Befürchtung, die noch am eigenen emotionalen Schutzpanzer abprallt. Dessen Stärke sieht man übrigens auch an einer anderen, ganz ähnlich gelagerten Diskrepanz: Ein hoher Anteil der Befragten macht sich wegen des Coronavirus Sorgen um enge Angehörige, aber nicht um sich selbst. Dabei ist das Infektionsrisiko erst einmal für alle gleich, auch wenn der Krankheitsverlauf bei Covid-19-Erkrankung dann verschieden sein mag. „Anderen kann was passieren, aber mir doch nicht.“ Diese Annahme stimmt jedenfalls nur sehr bedingt.