Die Entscheidung in der K-Frage der SPD ist erst nach einer quälenden Debatte gefallen. Die Jusos machen die Parteiführung verantwortlich.
SPD-KanzlerkandidaturJuso-Chef wirft Parteiführung „Shit Show“ bei K-Frage vor
Mit scharfer Kritik an der Parteiführung haben die Jusos auf die zähe und kontroverse Debatte über die SPD-Kanzlerkandidatur reagiert. Zum Auftakt des Bundeskongresses des Jugendverbands in Halle an der Saale sprach Juso-Chef Philipp Türmer den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil die Führungsfähigkeit ab. „So geht's nicht weiter. Was war das eigentlich für eine Shit Show in den letzten Wochen“, sagte er unter Applaus der 300 Delegierten an die Adresse der SPD-Führung.
Diskussionen seien zwar wichtig, aber sie müssten „ordentlich moderiert und angeleitet“ werden. „Und liebe Saskia, lieber Lars: Leider hatte ich zu keinem Zeitpunkt in den letzten Wochen den Eindruck, dass ihr die Herrschaft über diesen Prozess oder die Diskursherrschaft über die Partei oder gar einen klaren Plan hattet.“
Ausgangslage nun „noch deutlich schwieriger“
Die Ausgangslage der Partei sei schon vor der Kandidaten-Debatte nicht einfach gewesen. „Aber jetzt ist sie noch deutlich schwieriger geworden“, sagte Türmer. Die Parteiführung hatte nach dem Koalitionsbruch und der Neuwahl-Entscheidung darauf verzichtet, Kanzler Olaf Scholz sofort als Kanzlerkandidaten zu nominieren.
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Dadurch war in den vergangenen zwei Wochen eine Debatte über eine Einwechslung des weitaus beliebteren Verteidigungsministers Boris Pistorius entstanden. Sie wurde erst am Donnerstag durch den Verzicht von Pistorius auf die Kandidatur beendet. Am Montag will der Vorstand nun Scholz als Kanzlerkandidaten nominieren. „Ganz ehrlich: Das Ergebnis von gestern, das hätte man dann halt auch schon vor zwei Wochen haben können“, sagte Türmer dazu.
Zu der Frage, ob nun Scholz oder Pistorius der bessere Kandidat ist, äußerte der Juso-Chef sich nicht. „Niemand von Euch ist wegen Boris oder Olaf in diese Partei eingetreten“, sagte er an die Jusos gerichtet. Statt sich klar hinter Scholz zu stellen, rief Türmer dazu auf, alles dafür zu tun, einen CDU-Kanzler Friedrich Merz zu verhindern. Es müsse verhindert werden, „dass dieser neoliberale Typ Kanzler wird“.
Klingbeil will kein Basta-Parteivorsitzender sein
Die Jusos stellen knapp ein Viertel der Bundestagsabgeordneten. Mit Türmers harten Worten hat die aus dem Ruder gelaufene Kandidatendebatte nun ein Nachspiel. Dabei hatte Klingbeil nach der Entscheidung für Scholz dazu aufgerufen, geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen: „Wenn die SPD was kann, dann ist das kämpfen“, sagte er auf einem Kommunalkongress in Berlin.
Sein Vorgehen in der K-Frage verteidigte er. Natürlich müsse diskutiert werden in der Partei. „Ich bin ein Parteivorsitzender, der nicht sagt Basta (...), sondern ich will auch reinhorchen in die Partei, ich will auch ernst nehmen, was diskutiert wird.“
Am Samstag werden Parteichefin Esken, Generalsekretär Matthias Miersch und der stellvertretende Parteivorsitzende und Arbeitsminister Hubertus Heil beim Juso-Kongress in Halle erwartet.
Zwei Geburtstage am Wahltag: „Es muss also gutgehen“
Auch Scholz hielt auf dem Kommunalkongress in Berlin vor gut 100 Teilnehmern seine erste Rede nach der Klärung der K-Frage. Er bekräftigte darin sein Nein zur Lieferung des Marschflugkörpers Taurus in die Ukraine, warb für eine Reform der Schuldenbremse und für mehr bezahlbaren Wohnraum. Auf die Querelen bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur ging er mit keinem Wort ein.
Das letzte Wort hat der Parteitag am 11. Januar, auf dem sich die Partei für die Wahl am 23. Februar aufstellt. „An diesem Datum wollen wir zeigen, wofür wir stehen, wie wir dieses Land weiterhin führen können“, sagte Scholz in seiner Rede. Dabei solle die SPD auch auf die Erfolge aufbauen, die sie bisher erreicht habe.
Auf die schwierige Ausgangslage mit einem Rückstand von bis zu 19 Prozentpunkten auf die Union ging Scholz nicht ein. Er versuchte aber mit einem Scherz, sich und seiner Partei Mut zu machen: Die Wahl finde am Geburtstag von Parteichef Lars Klingbeil und seiner Frau Britta Ernst statt. „Es muss also gut gehen.“
Scholz bekräftigt Kurs der „Besonnenheit“ im Ukraine-Krieg
Gleich als erstes Thema sprach Scholz den Ukraine-Krieg an und bekräftigte seinen Kurs der „Besonnenheit“. Es sei richtig gewesen, Deutschland zum wichtigsten Unterstützer der Ukraine nach den USA zu machen, sagte er. Es gehe aber auch darum, einen Krieg zwischen Russland und der Nato zu verhindern. „Das habe ich getan.“ Den Einsatz von russischen Mittelstreckenraketen nannte er „eine furchtbare Eskalation“ und er machte klar, dass er von seinem Nein zur Lieferung der Taurus-Marschflugkörper nicht abrücken werde.
Gegenwind bekam Scholz beim Kommunalkongress nicht. In einer Fragerunde wurde die holprige Klärung der K-Frage genauso wenig angesprochen wie die Entscheidung selbst. Der Kanzler wurde nach seiner Rede stehend mit Applaus gefeiert
Bis zu 19 Prozent Rückstand auf die Union
Die Ausgangslage für Scholz könnte ungünstiger kaum sein. Wenn er wiedergewählt werden will, muss er eine extreme Aufholjagd hinlegen. In den Umfragen liegt die SPD aktuell mit Werten zwischen 14 und 16 Prozent noch hinter der AfD mit 17 bis 19 Prozent und weit hinter der Union mit Kanzlerkandidat Merz (CDU), die auf Werte zwischen 32 und 34 Prozent kommt. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend haben jetzt sogar die Grünen mit der SPD gleichgezogen.
Scholz hatte kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung“ an die Bundestagswahl 2021 erinnert, vor der manche die SPD schon in aussichtsloser Lage wähnten. „Die Zuverlässigkeit solcher Umfragen ist überschaubar, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, auch wenn das manche schnell vergessen haben.“
Die SPD lag damals zweieinhalb Monate vor der Wahl ebenfalls weit hinter der Union - bis zu 16 Prozentpunkte. Doch dann fiel Unionskanzlerkandidat Armin Laschet ein Lacher im Flutgebiet auf die Füße, und die Stimmung drehte sich. Bei der Wahl holten die Sozialdemokraten schließlich 25,7 Prozent der Stimmen und Scholz wurde Kanzler der ersten Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene. (dpa)