Die Bahn plant einen Neubau der Strecke Hannover-Hamburg. Doch dieser würde durch den Wahlkreis von SPD-Chef Lars Klingbeil führen.
„Populistische Aussagen“Klingbeil blockiert Bahnprojekt – Fridays for Future greift SPD-Chef an
Der deutsche Ableger der Klimaschutzbewegung Fridays for Future (FFF) hat einen offenen Brief an SPD-Chef Lars Klingbeil veröffentlicht. Darin kritisieren die Aktivistinnen und Aktivisten seine Blockadehaltung gegenüber einem Neubauprojekt der Deutschen Bahn für eine neue Streckenführung zwischen Hannover und Berlin.
Fridays for Future wirft dem SPD-Vorsitzenden „populistische Aussagen“ und Doppelzüngigkeit beim Klimaschutz vor. „Schöne Reden vom Klimaschutz, aber wenn es konkret wird, duckt man sich. So etwas würden wir von Ihnen nicht erwarten“, steht in dem offenen Brief.
Strecke zwischen Hamburg und Hannover gilt als besonders verkehrsbelastet
Die Bewegung fordert Klingbeil dazu auf, seine Blockade gegen das Bahnprojekt aufzugeben und „sich verstärkt für die konsequente Einhaltung der Klimaziele einzusetzen“.
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Die Strecke zwischen Hamburg und Hannover gilt als besonders verkehrsbelastet – ob auf der Straße oder auf der Schiene. Die Bahn plant schon seit den 1990er-Jahren einen Neubau der Strecke. Und eine mögliche Streckenführung steht bereits: Die neue Trasse soll die beiden Großstädte auf möglichst direktem Wege verbinden. Dieser führt an Bispingen und Soltau in der Lüneburger Heide vorbei. Lars Klingbeil ist direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Rotenburg I-Heidekreis, in dem Bispingen liegt.
Klingbeil kritisiert Milliardenprojekte „durch die Hintertür“ – FFF wirft ihm „Not-In-My-Backyard-Politik“ vor
Bei Bispingen müsste der neuen Bahntrasse das Gewerbegebiet Horstfeld weichen. Dagegen regt sich Widerstand der Bürgerinnen und Bürger, wie der „Spiegel“ berichtet. Unterstützt werden sie besonders vom SPD-Vorsitzenden Klingbeil. Dieser habe bei einer Protestveranstaltung Mitte Juli moniert, dass man mit den neuen Plänen „im Gewerbegebiet kein Gewerbe mehr treiben“ könne, zitiert ihn das Nachrichtenmagazin. Über Milliardenprojekte werde „durch die Hintertür“ entschieden, statt im Bundestag, und so das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger „abgeräumt“.
Fridays for Future äußert Verständnis dafür, dass der geplante Trassenneubau in Klingbeils Wahlkreis „Betroffenheiten“ auslösen würde. Doch der SPD-Abgeordnete sollte „Betroffene zu Beteiligten“ machen, anstatt „wie bisher mit populistischen Aussagen eine Neubaustrecke und somit die Verkehrswende im Land aktiv zu blockieren“. Und die Klimaaktivisten gehen noch weiter: „Ihre Not-In-My-Backyard-Politik (nicht in meinem Hinterhof, Anm. d. Red.) zeichnet nach, welche politische Haltung seit so vielen Jahren Fortschritt blockiert.“
Klingbeil übrigens beruft sich bei Arbeit gegen den Streckenneubau darauf, dass stattdessen ein Ausbau bereits vorhandener Trassen „zum schnelleren Erreichen der Klimaziele“ beitragen würde. Unterstützung bekommt er dabei von den SPD-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen.
Außerdem führten die geplanten Strecken nicht nur durch Gewerbe-, sondern auch durch Naturschutzgebiete. Die Bahn hingegen hat einen Ausbau der Strecke bereits verworfen, da diese dann nicht wirtschaftlich zu betreiben sei – auch mit Blick auf den von der Ampel avisierten Deutschland-Takt.
Gleichzeitig setzt sich der SPD-Vorsitzende für einen Ausbau der A7 auf sechs Spuren ein, denn das Auto sei „Verkehrsmittel Nummer eins hier im Heidekreis“, zitiert ihn der „Spiegel“.
Besonders dieser Punkt bringt die Klimaaktivistinnen und -aktivisten gegen ihn auf: „Es herrscht breite wissenschaftliche Einigkeit darüber, dass neue Autobahnspuren nicht zu weniger Verkehr und Emissionen führen, sondern immer zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen und mehr Emissionen führen“, schreiben sie in ihrem Brief an Klingbeil. „Bereits seit Jahren ist ebenfalls klar, dass alleine eine neue Bahnstrecke den Verkehrsengpass zwischen Hamburg und Hannover sinnvoll auflösen kann.“
Fridays for Future kritisiert den favorisierten Ausbau der Bestandsstrecke
Zudem kritisiert die Bewegung, dass der von Klingbeil und seinem SPD-Landesverband favorisierte Ausbau der Bestandsstrecke „nachweislich unzureichend“ sei, „um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen“. Zudem würde der Ausbau „mehrere Jahrzehnte länger dauern“ als ein Neubau der Strecke.
Damit würden sich ebenfalls Emissionssenkungen verzögern. „Wenn es erklärtes Ziel der SPD ist, sozial gerechte Mobilität für alle Menschen zu ermöglichen, wie soll dann ein Ausbau der Strecke eine gute, sinnvolle Lösung sein?“, fragen die Aktivistinnen und Aktivisten. (RND/sic)