- Auch die Kölner OB Henriette Reker findet deutliche Worte für die Vorgänge im Erzbistum.
Köln – Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, gerät wegen eines von ihm nicht verfolgten Missbrauchsfalls immer stärker unter Druck. Die frühere Missbrauchsbeauftragte Christa Pesch, die 2010/2011 mit dem Fall befasst war, widersprach Woelkis Darstellung vehement.
Weder Woelki selbst noch sein Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, hätten versucht, den Vorwurf der Vergewaltigung eines Kindergartenkinds in den 1970er Jahren aufzuklären, die das Opfer 2010 bei Pesch angezeigt hatte.
„Es ist für mich schwer erträglich, wie der Kardinal und die Bistumsleitung jetzt die Verantwortung von sich wegschieben und an andere weitergeben“, sagte Pesch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. (Lesen Sie hier das ganze Interview.) Schon 2011 habe sie das Erzbistum in einem schriftlichen Vermerk darauf hingewiesen, dass der Fall O. weiter verfolgt werden müsse. Das Bistum habe aber „nichts unternommen“.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) kritisierte Woelkis Vorgehen bei der Aufklärung des Missbrauchsskandals im Erzbistum. Sie sei zwar keine Kirchenrechtlerin, „aber alle Fälle von sexualisierter Gewalt in der Kirche müssen schnellstmöglich ans Tageslicht gebracht werden und da, wo es möglich ist, auch strafrechtlich verfolgt werden“, sagte Reker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Mit Blick auf das Rechtsgutachten einer Münchner Kanzlei, das Woelki Ende Oktober wegen angeblicher formaler Mängel und juristischer Risiken unter Verschluss genommen hätte, sagte Reker: „Ich hätte mir einen anderen Umgang des Erzbistums mit dem Missbrauchsgutachten gewünscht“. Die den Missbrauchsfällen zugrunde liegenden Strukturen aus der Vergangenheit müssten „konsequent aufgeklärt“ werden, forderte die OB. Nur so könne Vertrauen wiederhergestellt werden. „Die Kirche, die eine moralische Botschaft in die Welt sendet, muss sich natürlich auch selbst an diese halten.“
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Im Fall O. hatte Woelki nach Sichtung der Personalunterlagen im Jahr 2015 entschieden, keine Untersuchung einzuleiten und keine Meldung nach Rom zu machen, was nach Ansicht von Kirchenrechtlern seine Pflicht gewesen wäre. Pesch sagte, sie erkläre sich Woelkis Agieren „mit einem Nachsehen für einen hochbetagten Pfarrer, der ihm nahe stand, und mit dem Wunsch, dessen persönliches Ansehen nicht zu beschädigen“. Das rechtfertige sein Verhalten nicht, zeige aber „den Loyalitätskonflikt, in den der Kardinal in seinem Bemühen um Aufklärung geraten ist.“
„Bestürzt“ und fassungslos“ zeigte sich die 74-Jährige, deren Engagement für Missbrauchsopfer Woelki 2017 mit einem hohen päpstlichen Orden gewürdigt hatte, dass der Kardinal nun dem Opfer und ihr die Schuld für sein Nicht-Handeln im Fall O. gebe. Woelkis Verhalten komme ihr vor „wie ein verzweifelter Rettungsversuch auf dem Rücken des Betroffenen und zu Lasten Dritter.“
Systematisches Vertuschen
Die Haltung der Verantwortlichen in der Ära Meisner beschrieb Pesch als systematisches Verdrängen und Vertuschen. Das Thema Missbrauch sei Meisner so „unangenehm“ gewesen, dass er nach ihrem Eindruck das Bemühen um Transparenz gebremst oder gar verhindert habe. „Jedes weitere Zugehen auf die Betroffenen stand seinem Bedürfnis entgegen, die Kirche zu schützen.“ Diese Einstellung dürfte auf alle Verantwortlichen abgestrahlt haben, die „somit wohl Teil des Systems waren“.