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„Haben die den Verstand verloren?“Schwarzer kritisiert Lindner für pompöse Hochzeit

Lesezeit 3 Minuten
Schwarzer dpa 100722

Alice Schwarzer 

Die opulente Hochzeitsfeier von Bundesfinanzminister Christian Lindner und seiner Frau, der Journalistin Franca Lehfeldt, auf Sylt hat nun die Publizistin und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer auf den Plan gerufen. „Haben die denn ganz den Verstand verloren? Wissen die denn gar nicht mehr, was sich gehört“, fragt Schwarzer mit Blick auf das „Politpersonal“ der Deutschen.

Scharfe Kritik an der kirchlichen Feier des konfessionslosen Brautpaars in der evangelischen Kirche St. Severin kam auch von der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann.

Alice Schwarzer genervt von „demonstrativem“ Luxus

Schwarzer mokiert sich in einer Online-Kolumne ihres Magazins „Emma“ vor allem über den unpassenden Zeitpunkt der Feier. Deren „demonstrativen“ Luxus kontrastiert Schwarzer mit galoppierender Inflation, abgedrehten Gashähnen für „Alte und Arme,“ Krieg und Hunger in der Welt – „das Ganze medial effektiv beschirmt von einer Hundertschaft Polizei, bezahlt vom Steuerzahler“.

Lindner und Lehfeldt haben auf Sylt geheiratet

Der 43 Jahre alte FDP-Vorsitzende und seine zehn Jahre jüngere Frau hatten am Donnerstag standesamtlich geheiratet. Am Samstag folgte die kirchliche Trauung. Zu den 140 Gästen zählten Kanzler Olaf Scholz (SPD), CDU-Chef Friedrich Merz sowie dessen Vorgänger Armin Laschet. Der Philosoph Peter Sloterdijk hielt in der Zeremonie die Traurede. Danach feierte die Hochzeitsgesellschaft im Edel-Restaurant „Sansibar“.

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Süffisant beschreibt Schwarzer den pompös inszenierten Auftritt des Hochzeitspaars: „Die Braut steckt in einem cremefarbenen »Jumpsuit«, rückenfrei, der Bräutigam in einem sehr blauen Anzug. Er steigt, knapp vor dem Kirchenportal, aus einem schwarzen BMW. Sie folgt in einem schwarzen Porsche Targa.“

Schwarzer sieht sich zu einer „kleinen Zwischenfrage“ veranlasst: „Glauben die eigentlich selber an den kleinbürgerlichen Kitsch, den sie da produzieren?“ Auch erinnert sie daran, dass die „Emma“ Lindner 2020 zum „Sexist Man Alive“ gekürt hatte, einer als Ehrung getarnten Kritik an Macho-Allüren prominenter Männer.

Käßmann kritisiert Herabwürdigung der Kirche als Kulisse

Käßmann wiederum, von 1999 bis 2010 Landesbischöfin von Hannover, hält es für „empörend“, dass die Kirche lediglich als Kulisse für die „Glamourhochzeit des Jahres“ herhalten sollte. Lindner und Lehfeldt hätten mit ihrem Kirchenaustritt öffentlich erklärt, „dass sie sich nicht als Christen verstehen“, schreibt Käßmann in der „Bild am Sonntag“. Wofür die Kirche inhaltlich steht, sei offenbar egal. „Dazu sollte sich unsere Kirche nicht hergeben.“ Sonst würden Kirchenräume „zu billigen Eventlocations.“ Weiter spricht Käßmann von einem „Promi-Bonus-Geschmäckle“.

Der evangelische Bischof von Schleswig und Holstein, Gothard Magaard, hatte ähnliche Vorwürfe bereits vor der Trauung zurückgewiesen und auf das seelsorgerliche Ermessen gepocht, das in Ausnahmen auch eine Trauung für Ausgetretene zulasse.

„Es ist etwas Wunderbares, wenn sich zwei Menschen den Segen Gottes zusprechen lassen wollen“, argumentierte der Geistliche und empfahl: „Wir sollten mit dem Segen nicht knauserig umgehen. Gott ist ein großzügiger Gott.“