Köln – Man muss nicht die Kölner Geschichte mit der Schlacht von Worringen 1288 bemühen, in der sich die Kölner Bürgerschaft eines ungeliebten Erzbischofs entledigte. Heutzutage geht es zum Glück friedlicher zu. Aber eine historische Dimension hat es schon auch, was Anno 2022 im Erzbistum Köln geschieht. Fast geschlossen wenden sich die Katholikinnen und Katholiken gegen eine Rückkehr ihres Erzbischofs, Kardinal Rainer Woelki, aus der vom Papst bestimmten „geistlichen Auszeit“. Neun von zehn Kirchenmitgliedern hätten sich einen Rücktritt Woelkis aus freien Stücken gewünscht, und in puncto Zufriedenheit liegen die Werte buchstäblich am Boden: Drei Prozent Zufriedene im Erzbistum, ein Prozent in der Stadt Köln – noch tiefer geht es schlechterdings nicht.
Die Umfrage zeigt eines ganz klar: Die These, der Erzbischof sehe sich nur der Kritik einer mutmaßlich kirchenfernen Minderheit ausgesetzt, ist in den Bereich der Fabel zu verweisen – oder des Schönredens. In Wahrheit erschüttert die aktuelle Führungs- und Vertrauenskrise die Kirche Kölns in ihren Grundfesten und in ihrer Mitte.
Das ist ein Grund zur Trauer – nicht nur für die Menschen, die sich ihrer Kirche verbunden fühlen, sondern auch für alle, denen kirchliches Wirken in vielerlei Hinsicht wichtig ist: ob in der Seelsorge, in der Sozialfürsorge oder bei der Verteidigung von Grundwerten des menschlichen Miteinanders. Die Kirche tut hier viel – und sie hätte auch viel zu sagen, wenn das Versagen einer auf Machterhalt ausgerichteten Hierarchie und ihr Scheitern an christlichen Idealen ihre Stimme nicht so blechern und hohl klingen ließe.
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Der Missbrauchsskandal ist für die Kirche nicht von ungefähr die große Katastrophe. Hier wurde alles verraten, wofür Kirche stehen sollte. Nach zwei Jahrzehnten verweigerter, gescheiterter oder nach wie vor schleppender Aufarbeitung ist der Ruf nach dem Staat im Grunde genommen kein Angriff auf die Kirche, sondern eher ein letztes Angebot: Ein Großreinemachen von außen kann helfen, den Kirchenraum neu gestaltbar und vielleicht sogar wieder anziehend zu machen. Reformorientierte Kräfte in der Kirche haben das Putzzeug auch schon selbst in die Hand genommen.
Aber es gibt Widerstände – nicht zuletzt der bisherigen Führung des Erzbistums Köln, aber auch der Kirchenzentrale in Rom. Dort scheinen weder der immense Druck des Reformstaus noch die Selbstwidersprüchlichkeit eines überkommenen Herrschaftssystems und seiner (Moral-)Lehren allzu großen Eindruck hinterlassen zu haben.
Reformverweigerung und Bewegungsunfähigkeit in Rom werden aber den Abwärtstrend andernorts – nicht nur in Deutschland – weiter beschleunigen. Davon miterfasst zu sein und mitgerissen zu werden, das haben zumindest all jene nicht verdient, die auf die Kirche als Botschafterin des Glaubens und Mittlerin eines Gottes der Liebe und der Menschenfreundlichkeit setzen.