- Gesundheitsminister Jens Spahn sagte am Dienstag: „Ich kann mir Karneval in diesem Winter, mitten in der Pandemie, schlicht nicht vorstellen.“
- Nicht bei jedem Karnevalisten rund um Köln kam diese Aussage gut an. Doch jetzt ist Kreativität gefragt, um Alternativen zu finden.
- „Vielleicht ist es da doch ganz gut, dass Spahn den Wettbewerb um den CDU-Vorsitz im Team mit Armin Laschet bestreitet“, kommentiert Chefredakteur Carsten Fiedler.
Karneval absagen? Was für eine absurde Idee! Man sagt ja auch nicht die Lebensfreude ab, den Humor, das Gemeinschaftsgefühl oder das augenzwinkernde Unterlaufen von Autoritäts- und Machtgehabe aller Art. Schon deswegen wird und muss der Karneval auch in der Session 2020/21 stattfinden. Gerade auch in Zeiten der Pandemie. Allerdings ganz anders, als wir ihn heute kennen.
Den Straßenkarneval in der gewohnten Form wird es nicht geben können. Auch auf den Kneipenkarneval werden die Jecken verzichten müssen. Und alle zum Feiern Aufgelegten in der Peripherie Kölns, die sich das Epizentrum des rheinischen Frohsinns als rechtsfreien Raum vorstellen, in dem man sich an den tollen Tagen hemmungslos gehen lassen kann – ihnen müssen die Verantwortlichen der Stadt mit allem Ernst klarmachen: Lasst es! Bleibt zuhause! Dieser Karneval, den ihr euch vorstellt, fällt tatsächlich aus.
„Der Mann will ja auch nicht Prinz Karneval werden“
Das durchzusetzen, wird eine Herausforderung. Nicht nur für die Behörden, sondern auch für alle, die den Karneval organisieren. Sie müssen schon jetzt darüber nachdenken und mit den Planungen für einen alternativen Fastelovend beginnen.
Aber der Karneval erschöpft sich ja auch nicht in bestimmten Formaten. Er steht für eine Lebensart, er ist eine Volksbewegung mit hohem Gemütswert. Einem Politiker wie Jens Spahn, karnevalistisch in Westfalen sozialisiert, ist es nicht zu verdenken, wenn ihm für die Wucht und Bedeutung des rheinischen Brauchtums das Verständnis fehlt. Der Mann will ja auch nicht Prinz Karneval werden, sondern Bundeskanzler.
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Vielleicht ist es da doch ganz gut, dass Spahn den Wettbewerb um den CDU-Vorsitz im Team mit Armin Laschet bestreitet. Jedenfalls weiß der NRW-Ministerpräsident als Aachener, dass die Menschen in der Region ein „Karnevalsverbot“ nicht als gebotene Fürsorge, sondern als behördlichen Wahnwitz empfinden und darauf mit einem gewissermaßen genetisch bedingten Widerborstigkeitsreflex reagieren würden.
Karneval 2020: Jetzt ist Kreativität gefragt
Pauschale Verbotsfantasien helfen niemandem weiter. Fantasien für einen anderen Karneval sehr wohl. Kreativität ist gefragt und vielleicht sogar so etwas wie Irrwitz: ein stehender Rosenmontagszug, an dem die Jecken vorbeidefilieren – warum nicht wenigstens über so etwas nachdenken? Sitzungen in großen Sälen mit wenig Publikum und Live-Stream. Nachbarschaften, die ihr Veedel aus dem offenen Fenster mit Musik beschallen und sich über die Straße hinweg im Distanzschunkeln üben. Kindergärten und Schulen, die diesmal besonderen Wert auf originell gestaltete Kostüme legen, mit denen die Kinder sich daheim als echte kölsche Jecke präsentieren können. Vieles ist denkbar – und machbar, auch unter Corona-Bedingungen.
Noch 83 Tage sind es bis zum Elften im Elften, noch fast ein halbes Jahr bis Weiberfastnacht. Da geht noch was. Corona im Auge behalten, den Gesundheitsschutz im Kopf – und Karneval im Herzen.