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Kommentar zum NovemberDieser Lockdown ist brutal – und ungerecht

Lesezeit 3 Minuten
Stühle Gastro

Die Gastronomie trifft der Lockdown hart.

  1. Nun ist das eingetreten, was niemand wollte und einige nicht haben kommen sehen: Der zweite Lockdown ist beschlossen.
  2. Er wird härter als der im Frühjahr, und er wird auf mehr Widerstand stoßen.
  3. An diesem Punkt sind wir nun auch, weil die Coronapolitik der vergangenen Monate gescheitert ist. Ein Kommentar

Liebe Leserinnen,Liebe Leser,fühlen Sie sich auch ein Stück weit betrogen durch den zweiten Lockdown? Es nutzt nichts, darum herumzureden. Faktisch sind wir jetzt, Ende Oktober, wieder da gelandet, wo wir Mitte März begonnen haben: bei einem fast vollständigen Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens. Und man fragt sich: Waren denn alle Anstrengungen vergebens? Hat alles Bemühen um Hygiene- und Abstandsregeln nichts gebracht?

Mit AHA kommen wir gut durch die Krise, stand überall auf Plakaten zu lesen. Scheint ja nicht gestimmt zu haben. Vielleicht ist es das, was dieses Gefühl von Betrug ausmacht. Aber wer ist der Betrüger? Die Politiker und ihre Berater? Die Corona-Ignoranten und Maskenmuffel, die das ganze Gewese um die Pandemie für übertrieben hielten und dachten, so schlimm werde es schon nicht kommen? Oder ist der Betrüger das Virus selbst, das sich im Sommer zahm gab, um jetzt wieder unbändig zu wüten?

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Carsten Fiedler, Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“

Auf jeden Fall müssen wir uns das Scheitern einer Corona-Politik eingestehen, die spätestens seit dem Ende der Sommerferien nicht mehr auf der Höhe der Entwicklung war. Es liegt nicht in der Hand der Politiker, wann ein wirksamer Impfstoff für die breite Anwendung verfügbar sein wird. Aber es fehlte an einer entschlossenen Vorbereitung auf das, was schon im Sommer als zweite Welle im Herbst im Gespräch und absehbar war.

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Es wurde viel Zeit vertan

Jetzt also dieser erneute Lockdown, entgegen des Versprechens der Politik, dass es flächendeckende Maßnahmen nicht mehr geben werde. Statt in den eher unbeschwerten Monaten von Juni bis September konsequent daran zu arbeiten, wie Risikogruppen besser geschützt, die Regeln agiler angepasst, wirksame Hygienekonzepte umgesetzt und effizientere Testverfahren angeboten werden können, wurde viel Zeit vertan. Es wurde zudem versäumt, die Parlamente in Bund und Ländern besser einzubinden und die Pandemie-Bekämpfung dadurch politisch stärker zu legitimieren.

Wie hoch sich die zweite Welle aufbauen würde, darauf waren offenbar weder die Politik noch die Virologen eingestellt. Sie erwischt uns jetzt mit all ihren Folgen hart. Der zweite Lockdown ist brutal und, ja, auch ungerecht. Er ist ein Stück Ausdruck von Hilflosigkeit oder beginnender Panik. Am stärksten betroffen sind nun die, die es mit am wenigsten verdient haben. Die Gastronomen, die Kulturveranstalter, die Tourismusbetriebe – sie haben allesamt mehr oder weniger ausgefeilte Hygienekonzepte entwickelt, sehen sich aber jetzt um den Erfolg ihrer Bemühungen gebracht.

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Die Akzeptanz der beschlossenen Auflagen wird geringer ausfallen als im Frühjahr. Das ist jetzt schon abzusehen. Auf die Verwaltungsgerichte wird sehr viel Arbeit zukommen, und wenn die Justiz erst der Exekutive in die Parade fährt und ihrem Vorgehen Grenzen setzt, dann wird es ganz schwer, die Bürgerschaft noch auf die „nationale Kraftanstrengung“ festzulegen, von der Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch gesprochen hat.

Das Wort „national“ trifft es aber auch nur zum Teil. Es ist ja die Kraftanstrengung jedes und jeder Einzelnen, die in der Summe zu einer nationalen wird. Alles spricht dafür, dass dem Virus jede Unachtsamkeit, jede Gedankenlosigkeit, jeder Kontrollverlust – egal ob versehentlich oder absichtsvoll - gerade recht kommt. Im Ergebnis ist das so schlimm, weil das Bemühen der Vielen durch das Fehlverhalten weniger zunichte gemacht werden kann. Disziplin ist in dieser Situation keine Sekundärtugend, sondern erste Bürgerpflicht. „Das muss jetzt funktionieren“, hat Kölns Oberbürgermeister Henriette Reker am vorigen Freitag gesagt. Inzwischen sind wir fast eine Woche weiter. Der Lockdown muss bald Wirkung zeigen. Und die Politik muss die Zeit nutzen, die sie gewonnen hat. Damit nicht alle zu Verlierern werden.