AboAbonnieren

Lauterbach beim Streit der WocheSollten Mallorca-Reisen in der Krise erlaubt sein?

Lesezeit 5 Minuten
Lauterbach

Karl Lauterbach hat nicht nur über Corona viel zu sagen, sondern auch Köln, seine Wahlheimat seit 25 Jahren.

  1. Ist Mallorca-Urlaub in der Krise angesichts Inzidenzen von über 100 in Köln moralisch gerechtfertigt?
  2. SPD-Politiker Karl Lauterbach ist gegen die Reisen, Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbands dafür.
  3. Unser Streit der Woche.

Ich habe großes Verständnis für die Menschen, die sich nach den langen Wochen zu Hause im Lockdown nach Sonne und Erholung im Süden sehnen. Ich selbst würde auch am liebsten in den Ferien nach Spanien oder Südfrankreich reisen. Aber dafür ist die Zeit jetzt noch nicht gekommen. Ich appelliere dringend an alle, über Ostern noch einmal zu Hause zu bleiben.

Wir stehen jetzt in einer entscheidenden Phase der Pandemie. Es besteht die große Gefahr, dass uns die Infektionszahlen in der dritten Welle aus dem Ruder laufen. Ich befürchte, dass die 50- bis 80-Jährigen in den kommenden Wochen einem hohen Risiko ausgesetzt sind. In dieser Altersgruppe drohen schwere Krankheitsverläufe und ansteigende Todeszahlen.

Wir müssen alles tun, um die dritte Welle, die die gefährlichste werden könnte, so flach wie möglich zu halten. Urlaubsreisen heizen die Pandemie weiter an. Noch haben wir vergleichsweise wenige Infektionen mit den hochansteckenden Mutanten aus Brasilien und Südafrika in NRW festgestellt. Aber Urlaubsreisen über Ostern sind das perfekte Einfallstor für diese Mutationen, die auch Geimpften und schon Erkrankten Probleme machen können – und vielen Menschen das Leben kosten werden, wenn sie sich bei uns ausbreiten. Darüber muss sich jeder klar sein, der in Flugzeug steigt.

Wer die Menschen jetzt in Versuchung führt, handelt unsolidarisch

Ich finde es daher verantwortungslos, dass die Reisewirtschaft jetzt die Werbetrommel für den Osterurlaub in der Sonne schlägt. Wer die Menschen jetzt in Versuchung führt, den Regeln in der Heimat durch einen Trip in den Süden zu entfliehen, handelt meines Erachtens unsolidarisch.

Das könnte Sie auch interessieren:

Es ist doch weltfremd anzunehmen, dass Hygienekonzepte in den Hotels die versprochene Schutzwirkung entfalten werden. Menschen, die sich jetzt trotz aller Bitten und Warnungen für eine Urlaubsreise entscheiden, beweisen schon durch die Buchung ihre Risikobereitschaft. Wer nach Mallorca fliegt, tut das ja meistens nicht deshalb, um mit der Maske durch das Hinterland zu wandern. Vor allem junge Menschen suchen Spaß und Geselligkeit. Das werden sich viele auch nicht durch etwas strengere Regeln im Hotel verbieten lassen, falls das überhaupt versucht wird.

Auch die heimischen Tourismusregionen haben geschlossen

Das Argument, man müsse die Wirtschaft auf den Balearen unterstützen, zieht für mich nicht. Die Tourismusregionen in Deutschland leiden genauso unter dem Lockdown und können nicht öffnen.

Gerade weil die Inzidenzen auf Mallorca so niedrig liegen, sind auch die Auflagen derzeit nicht besonders streng. Das wiegt die Urlauber in einer fatalen Scheinsicherheit. Es ist zu befürchten, dass die Osterferien auf Mallorca zu einem neuen Ischgl werden. Die Menschen infizieren sich dort und verbreiten die hochansteckenden Mutationen nach ihrer Rückkehr in Deutschland.

Den Schaden begrenzen

Diesem Risiko müssen wir jetzt ins Auge sehen und wenigstens versuchen, den Schaden zu begrenzen. Wir sollten niemanden zurück ins Land lassen, der nicht bereit ist, zumindest einen Schnelltest zu absolvieren. Der Schnelltest sollte an den deutschen Flughäfen durchgeführt werden. Jeder Urlauber sollte vor Abreise zudem mit einplanen, dass er sich bei einem positiven Test nach der Rückkehr möglicherweise für 14 Tage in Quarantäne begeben muss. Viele Arbeitgeber raten ihren Mitarbeitern schon aus diesem Grund von Reisen über Ostern ab.

Karl Lauterbach, Bundestagsabgeordneter der SPD und Gesundheitsexperte

Aufgezeichnet von Gerhard Voogt

Falsches Verhalten ist gefährlich – im In- und Ausland

Verantwortungsvoller Urlaub ist mit entsprechenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen möglich. Wir alle werden noch eine Zeit lang mit dem Virus leben müssen, auch weil wir in Deutschland nicht sehr schnell mit den Impfungen unterwegs sind. Gerade deswegen muss es möglich sein, unter Beachtung hoher Infektionsschutzstandards Freiheitsbeschränkungen verantwortungsvoll zurückzunehmen und auch internationale Mobilität sowie wirtschaftliche Erholung schrittweise zu ermöglichen.

Norbert Fiebig Reisen

Norbert Fiebig hält verantwortungsvolles, organisiertes Reisen für möglich.

Mallorca hat seit dem 22. Februar eine stabile Inzidenz unter 50, derzeit sogar unter 20, also wesentlich niedriger als in den meisten Regionen Deutschlands. Folgerichtig hat das Robert-Koch-Institut (RKI) die Insel von der Risikoliste gestrichen und das Auswärtige Amt die Reisewarnung für die Balearen aufgehoben. Diese Entscheidung basiert auf einem vielstufigen Sicherheitssystem, das Politik und Wissenschaft entwickelt haben. Urlauber und die Reisewirtschaft haben seit Monaten gefordert: Reisewarnungen auszusprechen, wo es notwendig ist; und dort zu öffnen, wo dies vertretbar ist. Viele Menschen wünschen sich nach dem Lockdown ein paar sichere Tage in der Sonne.

Urlauber haben ohnehin eingeschränkte Möglichkeiten

Die Sicherheitsstandards sind hoch: Ohne negativen PCR-Test darf keiner in den Flieger auf die Balearen einsteigen. Auf der Insel gibt es strenge Maßnahmen: Restaurants und Cafés schließen um 17 Uhr, Bars bleiben geschlossen. Auf Straßen, Plätzen und der Strandpromenade gilt eine Maskenpflicht. Und am Abend ab 22 Uhr eine Ausgangssperre. Zu Ostern werden Maßnahmen nochmals verschärft: So dürfen sich nur Personen ein Zimmer in einem Hotel teilen, wenn diese auch sonst in einem Haushalt zusammenleben.

Getestete Urlauber bewegen sich also mit sehr eingeschränkten Möglichkeiten begleitet von umfassenden Hygienemaßnahmen auf einer Insel mit einer sehr geringen Inzidenz und deutlich weniger, ebenfalls getesteten anderen Gästen als üblich.

Von Bedeutung ist das eigenverantwortliche Handeln

Reiseveranstalter und Zielgebiete im In- und Ausland haben ebenso wie die Fluggesellschaften, Flughäfen und viele andere Unternehmen der Reisewirtschaft Hygiene- und Sicherheitskonzepte umgesetzt, um das Risiko einer Ansteckung mit Corona während der Reise zu minimieren. Von zentraler Bedeutung ist das eigenverantwortliche Handeln: Wer verreist, muss sich an die geltenden Sicherheits- und Hygienemaßnahmen halten, Mund-Nasen-Schutz tragen und Abstand halten.

Reisen – weder im In- noch im Ausland – ist nicht per se gefährlich. Gefährlich ist falsches Verhalten, egal ob zuhause oder unterwegs. Das zeigt auch eine Studie des RKI, die Reisen im zurückliegenden Pandemiesommer analysiert hat: Demnach hat die klassische, mit Reiseveranstaltern organisierte Urlaubsreise kaum zum Infektionsgeschehen in Deutschland beigetragen. Organisierter Urlaub ist kein Pandemietreiber. Bei der organisierten Reise, so das RKI, komme es zu wenig intensiven Kontakten mit der einheimischen Bevölkerung und damit zu einem geringen Ansteckungsrisiko. Verantwortungsvoller Urlaub ist also möglich – durch die hohen Sicherheitsvorkehrungen gerade auch auf Mallorca.

Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes