Am Wochenende soll es zu bundesweiten Demonstrationen zum Urteil gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. kommen. Alle Infos zum Fall im Überblick.
Urteil gegen Lina E.Aktivisten rufen zu „Tag X“ auf – Gericht untersagt Demonstration am Samstag
Nach dem Urteil gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. haben Aktivistinnen und Aktivisten bundesweit zum Protest aufgerufen. Noch am Mittwoch wurden Kundgebungen in Leipzig, Dresden und Chemnitz angemeldet, bundesweit könnte es zu Kundgebungen kommen. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen und bereitet sich auf einen Großeinsatz an „Tag X“ vor.
Die 28-jährige Lina E. war am Mittwoch von der Staatsschutzkammer des Oberlandesgerichts Dresden zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden. Welche Geschichte steckt hinter dem Urteil? Und was bedeutet der sogenannte Tag X? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Fall Lina E. im Überblick.
Was bedeutet der „Tag X“, an dem Demonstrationen zum Urteil gegen Lina E. stattfinden sollen?
Aktivistinnen und Aktivisten, die sich mit der mutmaßlichen Linksextremistin Lina E. solidarisieren, planen bereits seit Monaten Kundgebungen für den „Tag X“. Dieser soll am kommenden Samstag, 3. Juni, stattfinden. Es soll bundesweite Kundgebungen geben, um gegen das Urteil zu protestieren. In Leipzig wurde eine Demonstration gerichtlich untersagt.
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Bereits am Mittwoch hatte es in mehreren deutschen Städten kleinere Demonstrationen gegeben, die Polizei in Leipzig, wo Lina E. gelebt hat, hatte im Vorfeld bereits das Versammlungsrecht für den Mittwoch teilweise eingeschränkt. In Köln war es bei einer unangemeldeten Kundgebung in der Südstadt zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Demonstrierenden gekommen. Zwei Polizisten wurden dabei leicht verletzt. Auf der Hohenzollernbrücke wurde ein Banner ausgerollt.
Neben Kundgebungen befürchtet die Polizei bundesweit auch Ausschreitungen, einzelne Dienststellen bereiten sich daher auf einen Großeinsatz vor. Die Kölner Antifa rief in den sozialen Medien dazu auf, gemeinsam zur angekündigten Großdemonstration nach Leipzig zu fahren.
Die Kölner Polizei hat keinen größeren Einsatz am Wochenende geplant. Auch die Bundespolizei rechne mit einem keinem größeren Einsatz, hieß es auf Anfrage dieser Zeitung. Sollten Aktivistinnen und Aktivisten nach Leipzig reisen, könnten diese vom Kölner Hauptbahnhof aus die Reise antreten.
Linksextremismus-Vorwürfe: Wofür wurde Lina E. verurteilt?
Verurteilt wurde Lina E. für diverse Delikte, darunter Sachbeschädigung, gefährliche Körperverletzung, Urkundenfälschung, Diebstahl und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Der letzte Anklagepunkt sorgt auch für die vergleichsweise hohe Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Lina E. soll laut Anklage Mitglied der sogenannten Gruppe E. gewesen sein.
Die Bundesanwaltschaft, die den Fall übernommen hatte, hatte in ihrem Plädoyer eine Haftstrafe von acht Jahren gefordert, das Oberlandesgericht in Dresden blieb deutlich unter dieser Forderung. Dennoch ist die Strafe gegen Lina E. eine der härtesten Urteile gegen Linksextremisten der vergangenen Jahre.
Positiv wirkte sich dabei aus, dass das Gericht E. nicht als „Rädelsführerin“ in der Gruppe E. betrachtete, sondern eher als „Überblicksperson“, die Trainingscamps organisierte und gezielte Angriffe der Gruppe vorbereitete.
Neben Lina E. waren noch drei weitere Männer angeklagt. Sie erhielten ebenfalls Haftstrafen: Lennart A. hat als Mitglied der Gruppe E. eine Strafe von drei Jahren bekommen; Jannis R. hat als Unterstützer der Vereinigung zwei Jahre und fünf Monate. Phillip M. erwarten wegen Unterstützung und einer Tat in Berlin drei Jahre und drei Monate Haft.
Welche Angriffe werden Lina E. konkret zur Last gelegt?
Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe E. vor, zwischen 2018 und 2020 mehrere Angriffe auf Rechtsextremisten durchgeführt zu haben. So sollen sie einer Gruppe Neonazis nach einer Demonstration im sächsischen Wurzen aufgelauert haben, in Eisenach sollen sie einen rechtsextremen Kneipenbesitzer attackiert haben. Dabei wurde Lina E. von der Polizei in einem Fluchtauto erwischt.
Besonders schwer wiegt laut dem Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats ein Angriff auf einen Kanalarbeiter in Leipzig. Mitglieder der Gruppe hatten diesen angegriffen, weil er eine Mütze einer bei Rechtsextremen bekannten Marke getragen hatte. Schlüter-Staats sagte dazu: „Diese Tat zeigt, wohin der militante Antifaschismus führen kann, wenn eine Mütze ausreicht, um einen Menschen so zuzurichten.“
Schlüter-Staats erklärte auch, dass ein Freispruch deswegen für ihn nicht infrage käme: „Rechtsextremisten entgegenzutreten, ist ein achtenswertes Motiv. Allerdings macht es Gewalttaten nicht zu Bagatellen – es bleiben schwere Straftaten.“ Gesucht wird in dem Zusammenhang weiterhin Johann G., der Verlobte von Lina E. Er ist seit ihrer Festnahme untergetaucht.
Fall Lina E.: Welche Rolle spielt der Kronzeuge Johannes D. und warum wird ihm gedroht?
Möglich wurden die Festnahmen und der Prozess um die Gruppe E. erst durch einen Kronzeugen. Johannes D. hatte sich im Jahr 2020 an die Polizei gewandt. Seine Aussagen führten zur Festnahme von Lina E. am 6. November 2020, sie wurde damals mit einem Polizeihubschrauber zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe geflogen.
D. war laut eigenen Angaben ein ehemaliges Mitglied der Gruppe, er befindet sich aktuell im Zeugenschutzprogramm des sächsischen Landeskriminalamts. Über den Grund für den Austritt von Johannes D. kursieren in den sozialen Medien zahlreiche Gerüchte, teilweise wird auch von einem Rauswurf gesprochen.
Viele Aktivistinnen und Aktivisten machen Johannes D. für den Prozess und das Urteil verantwortlich. Nach der Urteilsverkündung drohten einige linke Accounts ihm auf Twitter. „Sicherlich erhofft er sich eine Art Abschluss mit dem heutigen Tag, dies wird aber nicht passieren“, war dort unter anderem zu lesen.
Wie geht es weiter im Fall Lina E.?
Eine Revision ist sowohl seitens der Verteidigung, als auch der Anklage möglich. Sollte sich eine der beiden Seiten für Rechtsmittel entscheiden, könnte der Fall vor dem Bundesgerichtshof landen. Auch die Bundesanwaltschaft könnte Interesse an einer erneuten Verhandlung haben, denn das Oberlandesgericht Dresden blieb deutlich unter dem geforderten Strafmaß.
Lina E. wird trotz des Urteils erstmal aus der Untersuchungshaft entlassen. Sie muss ihre Haftstrafe erst antreten, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Bis dahin muss sich die 28-Jährige zweimal wöchentlich bei der Polizei melden und darf ihren Wohnsitz nur mit Genehmigung des Gerichts wechseln. (shh)