Union und SPD benötigen die Grünen für ihre Milliardenpläne. Diese werfen Merz und Söder mangelnden Anstand vor.
Nach Lästerei von CSU-Chef„Mackergehabe und Sprücheklopperei“ – Grüne sind sauer auf Söder und Merz

Britta Haßelmann (r.) und Katharina Dröge, Bundestags Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, bei einem Statement nach dem Treffen mit Friedrich Merz
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Union und SPD haben sich auf neue Schulden in Milliardenhöhe geeinigt – und das noch bevor überhaupt ein Koalitionsvertrag steht. Am Dienstagabend verkündeten die Parteispitzen Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) sowie Lars Klingbeil und Saskia Esken für die SPD die Entscheidung. Unter Druck der weltpolitischen Lage, so hieß es, werden nun gigantische neue Verteidigungsausgaben möglich, und für die Infrastruktur soll es in den nächsten zehn Jahren ein milliardenschweres Sondervermögen geben.
Noch bevor die neue Regierung unter Kanzlerkandidat Merz also überhaupt steht, ist die Schuldenbremse Geschichte. Die Maßnahmen sollen noch vom alten Bundestag beschlossen werden. Dabei war Merz mit dem Versprechen angetreten, die Schuldenbremse nicht aufzuweichen. Diese beschränkt die Neuverschuldung des Bundes auf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch kurz nach der Bundestagswahl hatte der CDU-Chef noch gesagt: „Es ist in der naheliegenden Zukunft ausgeschlossen, dass wir die Schuldenbremse reformieren“.
Extra-Milliarden: Grüne legen sich nicht auf Zustimmung fest
Für die Verteidigungsausgaben soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse nun also gelockert werden – dies ist nur mit einer Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten möglich. Durch das Erstarken von AfD und auch der Linken wird dies im neuen Bundestag ab dem 14. März nicht möglich sein. Angewiesen sind Union und SPD also bei einer Einberufung des alten Bundestages in naher Zukunft auf die Stimmen der Grünen. Diese hatten im Gegensatz zur FDP eine Reform der Schuldenbremse immer befürwortet und sich auch für eine Aufstockung der Ukraine-Hilfe ausgesprochen.
Nach der Entscheidung von Union und SPD machten die Spitzen der Grünen aber sehr deutlich, dass sich der Wahlsieger und der Ex-Koalitionspartner nicht auf einen „Durchmarsch“ im Bundestag einstellen können. Die beiden Grünen-Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann betonten, dass sie sich nicht unter Druck setzen lassen werden. Nach einem Gespräch mit Merz sagte die Kölnerin Dröge am Mittwoch: „Ob wir am Ende diesen Grundgesetzänderungen zustimmen werden, ist offen“.
„Wir sondieren nicht – das tun CDU, CSU und SPD“, sagte Haßelmann. Gleichzeitig sei klar: Wer Mehrheiten brauche, müsse verhandeln. Vor allem, dass Klimaschutz in den Reformvorschlägen von Union und SPD keine Rolle spiele, sei aus Sicht der Grünen nicht nachvollziehbar, sagte Dröge.
Haßelmann griff zudem CSU-Chef Markus Söder in harschen Worten an: „Das, was wir gerade an Tönen aus der CSU hören, insbesondere von Markus Söder, widert an. Es ist ein Mackergehabe und eine Sprücheklopperei, die dieses Land in dieser Situation nicht verdient hat“, ätzte Haßelmann. Haßelmann wies auf das gebrochene Wahlversprechen der Union hin. Von den „Lautsprechern“ der Union sei wochenlang verkündet worden, dass die deutsche Wirtschaft allein mit Steuersenkungen und Bürokratieabbau wieder Fahrt aufnehmen werde, eine Reform der Schuldenbremse sei nicht notwendig. Die Grünen hätten Merz in der vergangenen Legislaturperiode Gesprächsangebote gemacht, welche dieser ausgeschlagen hätte. Nun also die Kehrtwende beim CDU-Chef.
Auch Grünen-Chef Felix Banaszak warf Merz eine 180-Grad-Wende vor. „Einen Tag nach der Wahl stellt Friedrich Merz fest: Huch, da fehlen ja ein paar Hundert Milliarden Euro! Da müssen wir jetzt aber dringend mal was machen“, sagte er beim politischen Aschermittwoch in Landshut. Merz habe entweder „keine Ahnung oder keinen Anstand oder beides. Nichts davon qualifiziert ihn zum Bundeskanzler.“
Haßelmann bezog sich mit ihren scharfen Worten auf Äußerungen des CSU-Chefs Markus Söder, ebenfalls vom Aschermittwoch. Söder hatte in seiner Rede in Passau die Grünen scharf angegriffen und war damit erneut bei seinem Lieblingsthema gelandet. Auch der künftige Koalitionspartner SPD wurde nicht geschont.
Söder lästert über Grüne – deren Stimmen die Union aber dringend braucht
Söder lästerte genüsslich über die abgewählte Koalition und den noch amtierenden Kanzler: „Der Spuk von drei Jahren Olaf Scholz ist ab heute Geschichte.“ Vor allem eine zentrale Mission habe er mit der CSU erfüllt: „Grün ist raus.“ Noch-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck rief Söder zu: „Goodbye, gute Reise, auf Nimmerwiedersehen“, trat er gegen den Grünen Spitzenkandidaten nach.
CSU-Generalsekretär Marin Huber schrieb ebenfalls am Mittwoch bei X, Robert Habeck könne jetzt „wieder Kinderbücher schreiben, Annalena Baerbock über feministische Außenpolitik philosophieren“ und Cem Özdemir „Tofu-Schnitzel essen“.
Später kritisierte auch SPD-Chef Lars Klingbeil Attacken Söders gegen die Grünen. „Man demütigt sich nicht in solchen Situationen“, sagte er in der ARD-Sendung „Maischberger“ auf eine Frage nach der Rede des bayerischen Ministerpräsidenten. Klingbeil, dessen Partei genauso wie die Union von den Grünen abhängig ist, versuchte es mit sanften Tönen: „Wir brauchen die Grünen, ich bin immer fair mit ihnen umgegangen“, sagte er.
Auch am Donnerstag bekräftige Grünen-Fraktionschefin Haßelmann im ZDF-„Morgenmagazin“, dass die Zustimmung zum Investitionspaket kein Selbstläufer sei. Die Maßnahmen seien ein „komplizierter Eingriff ins Grundgesetz in mindestens drei Punkten“. Sie frage sich, welche Strategie dahinter stecke, wenn man einerseits die Leute „bepöbele“ und andererseits an deren Verantwortung appelliere, so Haßelmann. (mit dpa)