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NRW-Check zur LandtagswahlSPD zieht in Umfrage mit der CDU gleich

Lesezeit 9 Minuten
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Thomas Kutschaty (SPD), Hendrik Wüst (CDU) und die jüngst zurückgetretene Ursula Heinen-Esser (CDU).

Köln – Fünf Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai hat die CDU ihren deutlichen Vorsprung vor der SPD eingebüßt. Die Sozialdemokraten konnten in der Gunst der Wählerinnen und Wähler aufholen und liegen nun gleichauf mit der Partei von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Das ist das Ergebnis des aktuellen „NRW-Check“, einer Umfrageserie des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und weiterer 38 Tageszeitungen aus Nordrhein-Westfalen.

Würde nicht erst in einem Monat, sondern bereits am kommenden Sonntag gewählt, erhielten CDU und SPD je 30 Prozent der Stimmen. Das ist gegenüber der vorigen Befragung vom März ein Minus von 2 Prozentpunkten für die CDU, ein Plus von 3 Punkten für die SPD. Die Grünen kämen auf 18 Prozent (plus 1). Die FDP mit 8 Prozent und die AfD mit 6 Prozent könnten ihren Stimmenanteil halten. Die Linkspartei verlöre einen weiteren Prozentpunkt und landete mit 2 Prozent klar unter der Fünfprozenthürde.

Mit diesem Resultat wäre die amtierende schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf abgewählt. Beide Regierungsparteien verfehlen derzeit erheblich ihr Ergebnis der Landtagswahl von 2017, in der die CDU 33 Prozent, die FDP 12,6 Prozent erreichte. Die SPD, die vor fünf Jahren um fast acht Prozentpunkte auf 31,2 Prozent abgestürzt war, nähert sich derzeit zumindest diesem Wert wieder an. Einziger Gewinner im Vergleich zur vorigen Landtagswahl sind die Grünen, die ihr damaliges Ergebnis von 6,4 Prozent nach gegenwärtigem Stand fast verdreifachen.

Damit hinge auch die Regierungsbildung entscheidend davon ab, mit welcher der beiden großen Parteien die Grünen zusammengehen. Sowohl ein schwarz-grünes als auch ein rot-grünes Zweierbündnis sind derzeit rechnerisch möglich.

Kutschaty konnte Boden gegenüber Wüst gutmachen

Bei der Ministerpräsidenten-Präferenz konnte der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty gegenüber Amtsinhaber Wüst Boden gutmachen. Zwar würden sich im Fall einer Direktwahl des Regierungschefs immer noch mehr Wählerinnen und Wähler für Wüst als für Kutschaty entscheiden. Doch hat sich der Abstand zwischen den beiden Politikern seit dem „NRW-Check“ im März stark verringert. Damals sprachen sich 37 Prozent für Wüst aus, 21 Prozent für Kutschaty.

Weiter stark rückläufig ist der Anteil der Unentschiedenen, was für eine Profilierung beider Spitzenkandidaten in der Endphase des Wahlkampfs spricht. Aktuell würde sich nur noch ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger weder für Wüst noch für Kutschaty als Regierungschef entscheiden. In der ersten Befragungswelle des „NRW-Checks“ vom Dezember 2021 hatten dies noch 64 Prozent der Wahlberechtigten angegeben. Im Februar lag der Anteil bei 55 Prozent und im März bei 42 Prozent.

Hintergrund NRW-Check

Die Aktion

Der „NRW-Check“ ist eine Aktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und 38 weiterer NRW-Tageszeitungen. In ihrem Auftrag führt das Institut „Forsa“ vor der Landtagswahl am 15. Mai eine Serie repräsentativer Umfragen durch.

Die Sonntagsfrage

Einen Monat vor der Landtagswahl bildet der „NRW-Check“ mit den Ergebnissen der „Sonntagsfrage“ die derzeitigen Partei-Präferenzen der Wählerinnen und Wähler ab. Angesichts der Bewegungen in der Parteienlandschaft nach der Landtagswahl im Saarland und der massiven politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen im Zuge des Ukraine-Kriegs hat Forsa in der Zeit vom 4. bis 11. April eine zusätzliche Befragung von insgesamt 1821 Wahlberechtigte in Nordrhein-Westfalen vorgenommen, 865 in der Zeit vom 4. bis 7. April (bis zum Rücktritt von Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser) und 956 vom 8. und 11. April (nach dem Rücktritt). Die Befragung erfolgte anders als bei den bisherigen drei Erhebungswellen des „NRW-Checks“ in einem Methodenmix: 1092 Wahlberechtigte wurden telefonisch, 729 online befragt.

Die Ergebnisse

Die Ergebnisse der letzten regulären Welle werden in der letzten April-Woche veröffentlicht, gut zwei Wochen vor der Wahl.

Repräsentative Umfrage

Die Umfrage ist repräsentativ für die Gesamtbevölkerung Nordrhein-Westfalens. Die Größe der Stichprobe machte es zudem möglich, die politische Stimmung auch gesondert für das Ruhrgebiet auszuweisen. Hier wurden insgesamt 516 Wahlberechtigte befragt. Die statistische bedingte Fehlertoleranz liegt für das gesamte Bundesland NRW bei plus/minus 2,5 Prozentpunkten, für das Ruhrgebiet bei plus/minus 3,5 Prozent.

Die beteiligten Zeitungstitel

Die am „NRW-Check“ beteiligten 39 Zeitungstitel, unter ihnen der „Kölner Stadt-Anzeiger“, haben eine tägliche gedruckte Auflage von rund zwei Millionen Exemplaren und eine durchschnittliche wöchentliche Gesamtreichweite in gedruckten wie digitalen Angeboten von rund 9,8 Millionen Leserinnen und Lesern (b4p-Studie I/2021). (jf)

Als Grund für die deutlichen Verschiebungen in der politischen Stimmungslage lässt sich nach Angaben von Forsa-Chef Manfred Güllner ein positiver Mobilisierungseffekt aufseiten der SPD nach der gewonnenen Landtagswahl im Saarland ausmachen. Auch sei ein Abwandern früherer Wähler der Linkspartei zur SPD zu beobachten. Die Linke hatte im Saarland eine schwere Wahlniederlage erlitten.

SPD-Renaissance im Ruhrgebiet

Günstig für die SPD wirkt sich nach Güllners Worten insbesondere eine „Art Renaissance“ der Partei im Ruhrgebiet aus. In der einstigen „Herzkammer der Sozialdemokratie“ würde die SPD aktuell in einer (hypothetischen) Bundestagswahl ein um 4,5 Prozentpunkte besseres Ergebnis erzielen als in der vorigen Wahl vom September 2021. Die CDU hingegen würde im Revier wie auch im gesamten Land NRW ein um 2 Prozentpunkte schlechteres Ergebnis erreichen als im vergangenen September.

Allerdings kann die Union in NRW nach wie vor von einem ausgeprägten „Landes-Bonus“ profitieren. Dieser ist daran erkennbar, dass die CDU in der Befragung zur aktuellen Landtagswahlabsicht um 6 Prozentpunkte besser abschneidet als in der parallelen Befragung zu einer Bundestagswahl. Hier liegt die Union mit 24 Prozent um 7 Punkte hinter der SPD, die in NRW mit 31 Prozent der Stimmen rechnen könnte, 4 Punkte besser als im Bundesdurchschnitt.

Interessant ist auch hier ein gesonderter Blick auf das Ruhrgebiet. In der „Sonntagsfrage“ für eine Bundestagswahl kommt die SPD im Revier auf 39 Prozent der Stimmen, die CDU nur auf 20 Prozent.

Mallorca-Affäre wirkt sich nicht unmittelbar auf Wahlabsicht aus

Die Folgen der sogenannten Mallorca-Affäre um die frühere Landes-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser schlagen unmittelbar nach dem Rücktritt der CDU-Politikerin am 7. April nicht unmittelbar auf die Wahlabsichten der Menschen in Nordrhein-Westfalen durch.

Wahrnehmbare negative Folgen hatte die Affäre allerdings sowohl für die Zufriedenheit mit der Landesregierung als auch für die Zustimmung zu Wüst als Regierungschef. Dies lässt sich anhand einer getrennten Erfassung der Befragungsergebnisse vor und nach dem Höhepunkt der Affäre mit Heinen-Essers Rücktritt feststellen. Hatten sich in der Befragung „vor der Affäre“ (4. bis 7. April) noch 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler mit der Landesregierung zufrieden gezeigt, waren es danach (8. bis 11. April) nur noch 48 Prozent. Korrespondierend dazu stieg der Anteil der Unzufriedenen von 47 auf 50 Prozent. Im gleichen Zeitraum verlor Wüst drei Punkte in der Wählergunst. Sein Herausforderer Kutschaty gewann vier Punkte hinzu.

Kompetenzzuschreibungen unverändert

Derweil sind die Kompetenzzuschreibungen der Wählerinnen und Wähler für die verschiedenen Parteien unverändert. Zwischen dem „NRW-Check“ im März und der aktuellen Erhebung hatte sich die CDU in der Frage, welche Partei am besten mit den Problemen in NRW fertig wird, von 21 Prozent auf 24 Prozent verbessern können. Dieser im Befragungsteil „vor der Affäre“ (4. bis 7. April) erreichte Wert blieb auch im Befragungsteil vom 8. bis 11. April, also nach Heinen-Essers Rücktritt, unverändert.

Die SPD wiederum wird von gleichbleibenden 23 Prozent der Wahlberechtigten als die kompetenteste Partei für die Probleme des Landes gesehen, ein Zuwachs von 7 Punkten im Vergleich zum „NRW-Check“ des Monats März. Die Grünen legen um 4 Punkte auf 11 Prozent zu, die FDP kann ihr März-Ergebnis von 5 Prozent in etwa halten. Nur noch ein Drittel der Wähler (34 bis 35 Prozent) hält keine Partei für hinreichend kompetent, mit den Problemen des Landes fertig zu werden. Im Vormonat waren es noch 45 Prozent.

Die Aufmerksamkeit der Menschen in NRW für die „Mallorca-Affäre“ war insgesamt groß. Mehr als drei Viertel gaben an, die Berichterstattung über die Umstände eines Mallorca-Urlaubs der früheren Umweltministerin Heinen-Esser mit ihrer Familie in der Zeit nach der Flutkatastrophe vom Juli 2021 habe sie interessiert. Fast ein Drittel (29 Prozent) spricht sogar von starkem Interesse. Nur ein knappes Viertel (23 Prozent) der Menschen gibt an, der Vorgang habe sie gar nicht interessiert.

Mit Blick auf personelle Konsequenzen für weitere Mitglieder der Landesregierung zeigt sich eine Mehrheit der Bevölkerung ablehnend. 56 Prozent sind nicht der Ansicht, dass nach Heinen-Esser auch Bau- und Heimatministerin Ina Scharrenbach und Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner zurücktreten müssten. Wie erst kürzlich bekannt wurde, waren beide CDU-Politiker wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 für eine von ihrer Ministerkollegin Heinen-Esser ausgerichtete Geburtstagsfeier nach Mallorca geflogen. Gut ein Drittel der Wahlberechtigten in NRW (36 Prozent) hält das für einen Rücktrittsgrund, 8 Prozent machen keine Angabe.

Jeder Fünfte erwartet großen Schaden für CDU

Eindeutiger fällt die Erwartung aus, dass die gesamte Diskussion über das Verhalten Heinen-Essers und ihren Rücktritt der CDU in der Landtagswahl „sehr“ oder „etwas“ schaden werde. Drei Viertel (77 Prozent) sind dieser Ansicht. Jeder Fünfte erwartet sogar einen großen Schaden. Ein knappes Viertel sieht die Debatte hingegen als unschädlich für die Union an.

Für weniger massiv, aber dennoch deutlich tangiert halten die Menschen in NRW Ministerpräsident Wüst. Sein Ansehen werde durch den Rücktritt Heinen-Essers „sehr“ oder „etwas“ beeinträchtigt, glauben zwei Drittel (65 Prozent) der Wahlberechtigten. 16 Prozent gehen hier von einer starken Beeinträchtigung aus. Gegenteiliger Meinung ist ein Drittel (35 Prozent) der Bürgerinnen und Bürger.

Zusätzlich zur politischen Stimmungslage in NRW fragte Forsa auch nach der aktuellen Kanzlerpräferenz der Deutschen. Müssten sie sich aktuell entweder für den Amtsinhaber, Olaf Scholz (SPD), oder für den Oppositionsführer und CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz entscheiden, könnte Scholz mit einem dreimal höheren Stimmanteil rechnen als Merz: 42 Prozent würden sich laut dem Forsa-„Trendbarometer“ für RTL/n-tv hinter Scholz versammeln, 18 Prozent hinter Merz. 40 Prozent würden sich für keinen von beiden aussprechen.

Im „NRW-Check“ fällt die Zustimmung zum amtierenden Kanzler noch deutlicher aus: 52 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen hätten Scholz gegenwärtig auch weiterhin gern als Regierungschef. 17 Prozent sähen lieber Merz im Kanzleramt. Der Anteil der keinem von beiden Geneigten liegt in NRW bei 31 Prozent.

Selbst von den CDU-Anhängern im Land würde sich immerhin ein Drittel (33 Prozent) für den SPD-Kanzler Scholz entscheiden und nicht für Merz, den die eigene Klientel in puncto Kanzlerschaft nur zur Hälfte (54 Prozent) bevorzugt. Scholz hingegen könnte sich der Unterstützung seiner Partei-Anhänger sehr sicher sein: Sie stünden im Fall einer Kanzlerwahl aktuell mit 93 Prozent hinter ihm. Nur 2 Prozent würden Merz ihre Stimmen geben.