Bisher kann nur ein Teil der Betroffenen des Bottroper Apotheker-Skandals Geld aus einem Fond des Landes beantragen. Das hat der Landtag nun geändert.
Bottroper Apotheker-Skandal„Wir wurden endlich anerkannt. Endlich wurden wir gehört“
Mehr Opfer des Bottroper Apotheker-Skandals als bisher haben nun einen Anspruch auf Geld aus einem Hilfsfond des Landes. Das hat der nordrhein-westfälische Landtag am Freitag beschlossen. Alle Fraktionen nahmen einstimmig einen entsprechenden Antrag von CDU und Grünen an, zudem soll die Antragsfrist für Opfer um drei Monate bis Ende März 2023 verlängert werden. Der Landtag hatte zehn Millionen Euro für Landeshilfen bereitgestellt, von dem jedoch nur ein geringer Teil ausgezahlt wurde.
Die SPD-Fraktion hatte einen eigenen Antrag vorgelegt und darin gefordert, den Entschädigungsfonds auf zwölf Millionen Euro zu erhöhen. Letztendlich stimmten die Sozialdemokraten doch für den Antrag der schwarz-grünen Regierungskoalition.
Durch den Beschluss des Landtags können nun alle, die zwischen 2001 und 2016 nachweislich in der Bottroper Apotheke hergestellte Krebsmedikamente gekauft haben, Geld aus dem Fond des Landtages beantragen. Dies gilt auch für Angehörige von verstorbenen Opfern. Für jede betroffene Person stellt das Land 5000 Euro bereit.
Alles zum Thema Karl-Josef Laumann
- „Katastrophe und unverantwortlich“ 32.000 Menschen protestieren gegen Sozialkürzungen in NRW
- 12000 Ehrenamtliche Dritte Hospiz- und Palliativtage in NRW stehen im Zeichen der Freiwilligenarbeit
- Übergangsfrist Laumann verschiebt NRW-Krankenhausreform – Kliniken erleichtert
- Kampf gegen Adipositas Lässt Laumann die Übergewichtigen im Stich? – Streit um Versorgung in NRW
- Krankenhausplan in NRW Frühchenversorgung in Gummersbach in Gefahr?
- DPA-Umfrage Nur eine Ministerin verschickt rein digitale Weihnachtspost
- Anstieg um 18,6 Prozent In NRW hat die Zahl der Frauen, die Suizid begehen, stark zugenommen
„Wir wurden als Opfer anerkannt. Endlich wurden wir gehört“
Renate Okrent, eine der Opfer des Bottroper Apothekers, begrüßt die Entscheidung des Landtags: „Es ist schön zu sehen, dass die ganzen Bemühungen auch etwas bringen“, sagt sie gegenüber dieser Zeitung. Bislang waren die Zahlungen an Opfer und Hinterbliebene auf die rund 2000 im Essener Urteil genannten Geschädigten begrenzt. Dazu gibt es nach verschiedenen Angaben jedoch noch 1500 bis 1700 weitere Geschädigte, die mutmaßlich gering dosierte Medikamente bekommen haben.
Die Betroffenen protestierten gegen die frühere Regelung und im September 2022 lud NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann alle Demonstranten, die sich vor seinem Ministerium versammelt hatten, zu einem Gespräch im Saal des Hauses ein. Okrent sagt, sie und weitere Betroffene hätten dort „die Fakten auf den Tisch gelegt“. Laumann versprach damals den Demonstranten, mögliche Zahlungen an weitere Betroffene zu prüfen. Der Minister habe sein Wort gehalten, sagt Okrent. Dafür sei sie ihm und den Fraktionen im Landtag sehr dankbar. Den Vorschlag der SPD auf die Erweiterung des Entschädigungsfonds hätte sie zwar schöner gefunden, aber letzten Endes sei sie froh über den insgesamt „positiven Ausgang“. „Wir wurden endlich als Opfer anerkannt. Endlich wurden wir gehört. “
Auch Christiane Piontek, die im September die Demonstration vor dem Ministerium mitorganisiert hatte, zeigt sich zufrieden: „Wir sind überglücklich über die Entscheidung des Landtages“, sagt sie. Die Anerkennung als Opfer sei eine „große Erleichterung“. Rechtsanwalt Manuel Reiger fordert das Ministerium nun auf klarzustellen, wie die Geschädigten an die Zahlung gelangen. Viele seiner Mandantinnen hätten bereits Anträge gestellt, die vom Ministerium abgelehnt worden seien. „Die Geschädigten brauchen jetzt noch Klarheit, ob sie nochmals Anträge stellen müssen oder ob die bereits gestellten Anträge nochmal geprüft werden“, so Reiger.
Nur geringer Teil des Hilfsfonds bisher ausgezahlt
Von den bereitgestellten zehn Millionen Euro wurde (Stand September) nur etwas über eine Million ausgezahlt. Viele Opfer haben womöglich nichts von dem Fond mitbekommen, vermutet Laumann. Das Gesundheitsministerium versuche weiter, die Adressen der Opfer zu ermitteln, die im Prozess identifiziert wurden.
Im November 2016 wurde der Apotheker Peter S. verhaftet und im folgenden Prozess zu 12 Jahren Haft verurteilt. Er hatte stark unterdosierte Krebsmedikamente verkauft und damit Millionen verdient. Manchmal bestand das verkaufte Medikament nur aus Kochsalzlösung. (mit dpa)