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Brandbrief an WüstIst die Rettung der Sprach-Kitas eine Mogelpackung?

Lesezeit 3 Minuten
Kinder stehen im Rahmen eines Medientermins in einem Kindergarten.

In NRW haben 30 Prozent der Kita-Kinder Probleme, Deutsch zu sprechen.

Sprach-Kitas sollen Kinder aus Familien, in denen kaum Deutsch gesprochen wird, gezielt fördern. Viele Fachkräfte haben aber schon das Weite gesucht. Kam die Rettung durch Schwarz-Grün zu spät?

Die Erleichterung war groß, als NRW-Familienminister Josefine Paul (Grüne) die Entscheidung bekannt gab. Nachdem die Ampelregierung überraschend aus der Förderung der Sprach-Kitas ausgestiegen war, kündigte die Grüne an, das Land werde in die Bresche springen. Mittlerweile macht sich bei den vielen Kita-Trägern aber Ernüchterung breit. Die Initiative erweise sich in der Praxis als eine „Pseudorettung“, heißt es in einem Brandbrief an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Fast jedes 3. Kind hat Förderbedarf

In NRW wachsen rund 30 Prozent der Kinder, die in Kitas betreut werden, in Familien auf, in denen nicht vorrangig Deutsch gesprochen wird. In den rund 1300 Sprach-Kitas werden diese Kinder besonders in den Blick genommen. Sie sollen die Sprache spielerisch erlernen, auch die Eltern werden mit eingebunden. Sprach-Kitas wirkten wie ein „Integrationsmotor“, hieß es bei den Grünen. NRW nimmt rund 38 Millionen Euro in die Hand, um zusätzliches Personal für die Einrichtungen zu bezahlen.

Das Problem: Die Ankündigung des Bundes, aus dem Projekt auszusteigen, löste bei den betroffenen Erzieherinnen und Erzieher nachvollziehbarerweise eine erhebliche Verunsicherung aus. „Eine große Anzahl von Sprach-Kita-Fachkräften oder Fachberatungen haben selbst gekündigt“, heißt es in dem Brief des „Netzwerk Zusätzliche Fachberatungen Sprach-Kitas NRW“. Das offizielle Antragsverfahren und die Förderrichtlinien hätten die Sprach-Kitas erst am 25. Mail 2023 erreicht - fünf Wochen vor dem Auslaufen des Bundesprogramms. Dies sei „deutlich zu spät“ gewesen. „Gewachsene Verbünde sind auseinandergebrochen bzw. drohen auseinanderzubrechen“, so das Kita-Netzwerk. Ist die Sprach-Kita-Rettung nun eine Mogelpackung?

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Paul soll Familienausschuss über die aktuelle Lage informieren

Handwerkliche Fehler seien gemacht worden. So habe eine Anpassung der Förderbeiträge an die Tariferhöhungen nicht stattgefunden. Zahlreiche Träger könnten die Differenz nicht mehr länger auffangen. Die Auszahlung der Zuwendungen erfolge außerdem erst am 15. September. „Die Träger müssen entsprechend fast drei Monate in Vorleistung gehen“, heißt es in dem Schreiben.

Derzeit ist unklar, wie viele Fachkräfte inzwischen bei den Sprach-Kitas ausgeschieden sind. Die FDP verlangt jetzt in der nächsten Sitzung des Familienausschusses eine Stellungnahme zu den Vorwürfen des Kita-Netzwerks. „Durch das zögerliche Handeln von CDU und Grünen sind die Sprach-Kitas in Nordrhein-Westfalen derzeit massiv gefährdet“, sagte Kita-Experte Marcel Hafke dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Vor einem halben Jahr habe die schwarz-grüne Landesregierung angekündigt, die Sprach-Kita-Träger zum fachlichen Austausch einladen zu wollen. „Aber die Briefkästen und E-Mail-Postfächer der Träger blieben leer“, so Hafke. Träger müssten entlastet werden, das Fachwissen erhalten bleiben: „Wir riskieren sonst, dass weitere Menschen kündigen und das System der Sprach-Kitas in NRW kollabiert.“

Das NRW-Familienministerium erklärte auf Anfrage, die Auszahlungs- und Antragsmodalitäten seien „rechtzeitig bekannt" gewesen. Die Fachszene sei frühzeitig informiert worden. „Insgesamt ist die Situation in vielen Kitas aktuell äußerst angespannt, so dass sich dies auch im Kontext der Förderung der Sprach Kitas auswirkt", sagte ein Sprecher. „Dieser Lage sind wir uns bewusst und sind mit den Trägervertretern und den sonstigen Interessenvertretungen im Gespräch, um nach gemeinsamen und zielführenden sowie möglichst zeitnahen Lösungen zu suchen."