Der Attentäter von Krefeld stand seit kurzem unter besonderer Beobachtung der Sicherheitsbehörden. Die Tat verhindert hat dies allerdings nicht. Was sind die Hintergründe?
Iraner wollte Kino in Krefeld anzündenHassan N. war dem NRW-Innenministerium als Risikoperson bekannt
Der Iraner Hassan N., der in Krefeld versucht hatte, ein Cinemaxx-Kino in Brand zu setzen, war seit dem 17. September als Prüffall in dem Präventionsprogramm PeRiskoP des Düsseldorfer Innenministeriums gelistet. Das bestätigte ein Sprecher von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. PeRiskoP steht für „Personen mit Risikopotenzial“ – das Konzept soll dazu dienen, potenzielle Amokläufer zu erkennen und rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen.
Einsatzkräfte hatten den Mann vergangene Woche im Foyer des Kinos niedergeschossen, nach dem er dort versucht hatte, mit Benzin ein Feuer zu legen. Zuvor soll er in einer Wohnung, einem Auto und einem Bürogebäude Brände entfacht haben. Hassan N. hatte sich seit Jahren unter 27 verschiedenen Alias-Personalien in Deutschland und in europäischen Nachbarstaaten aufgehalten. In Krefeld wurde er 2010 wegen Gewaltdelikten und einer versuchten Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt.
Zwei Tage vor der Brandstiftung hatte Hassan N. einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde gedroht. Dort war man schon vor längerer Zeit zu der Einschätzung gekommen, dass der Iraner zu einem Sicherheitsrisiko werden könnte und hatte ihn dem Innenministerium als Person mit Risikopotenzial gemeldet. Ein Reul-Sprecher erklärte, das PeRiskoP-Team habe sich im kurzen Beobachtungszeitraum noch kein konkretes Bild von dem Mann machen können. Hinweise auf eine bevorstehende Straftat habe es nicht gegeben.
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SPD will Zahl potenzieller Amokläufer in NRW wissen
Die SPD im Düsseldorfer Landtag hat jetzt einen Brief an Reul und NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) geschrieben, der unserer Zeitung in Kopie vorliegt. Darin fordert SPD-Innenexpertin Christina Kampmann die Minister auf, die Hintergründe des Falls transparent zu machen. Es stehe der Verdacht im Raum, dass das Abschiebemanagement der Landesregierung „auch in diesem Fall kläglich versagt“ habe. „Warum wurde der Tatverdächtige zudem trotz bestehender Ausreisepflicht und seiner umfangreichen Vorstrafen nicht längst abgeschoben?“, fragt Kampmann.
Auch die Einstufung als Prüffall für das PeRiskoP-Programm werfe viele Fragen auf. Die SPD will wissen, wie viele Personen als potenzielle Amoktäter in NRW gelistet sind. „Die Stadt Krefeld ist nach allem, was wir bisher wissen, am vergangenen Donnerstag höchstwahrscheinlich nur um Haaresbreite einer schrecklichen Katastrophe entgangen“, heißt es in dem SPD-Schreiben. Es sei einzig dem beherzten Eingreifen der zum Einsatzort geeilten Polizistinnen und Polizisten zu verdanken, dass der mutmaßliche Täter noch gestoppt werden konnte, bevor andere Menschen zu Schaden gekommen sind.
Der Vorgang führt möglicherweise dazu, dass viele NRW-Abgeordnete in den Herbstferien nach Düsseldorf kommen müssen. Die SPD droht damit, für Sondersitzungen des Innen- und Integrationssauschusses zu betragen, sollten die offenen Fragen im Fall Hassan N. nicht bis zum Ende der Woche beantwortet werden. „Wir wollen endlich wissen, wie viele kriminelle geduldete Asylbewerber sich in NRW aufhalten“, sagte der SPD-Abgeordnete Andreas Bialas unserer Zeitung.
Reul appelliert für Sachlichkeit
Auch die FDP wirft der schwarz-grünen Landesregierung Versagen vor. Der generelle Abschiebestopp in den Iran sei seit Jahresbeginn aufgehoben, sagte Innenexperte Marc Lürbke. Es sei besonders unverständlich, dass trotz der Bedrohung eines Mitarbeiters des Krefelder Ausländeramtes keine angemessenen präventiven Maßnahmen ergriffen wurden. „Die Behörden müssen erklären, warum sie trotz der Gefährdungssituation offenbar nicht gehandelt und die Mitarbeiter geschützt haben“, sagte Lürbke. Es könne zudem nicht sein, dass die wahre Identität des Iraners trotz erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte. „Dies ist ein klares Verwaltungsversagen, das dringend aufgearbeitet werden muss“, so der Liberale.
Innenminister Herbert Reul warnte bei der Aufklärung vor überhitzten Reaktionen. „PeRiSkoP ist keine Festnahmeeinheit. Wir wollen mit diesem einmaligen Konzept Personengruppen mit psychischen Störungen besser in den Blick nehmen – unter Berücksichtigung des strengen Datenschutzes“, sagte Reul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Polizei tue alles Menschenmögliche, um Gefahren abzuwenden. „Ich lasse meine Leute in Ruhe arbeiten und aufklären, und dann können wir über alle weiteren Fragen sprechen. Diese Zeit muss man den Ermittlern aber schon geben. Solche Themen muss man sich sachlich anschauen und nicht mit Schaum vor dem Mund“, so der Innenminister.