In NRW haben wiederholt psychisch auffällige Risikopersonen in NRW schwere Straftaten begangen, obwohl die Polizei sie auf dem Radar hatte.
Kritik an ReulWarum das Präventionsprogramm für Amokläufer nicht funktioniert
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in NRW kritisiert die zu geringe Schutzwirkung des Präventionsprogramms „PeRiskoK“, das potenzielle Amokläufer frühzeitig identifizieren und schwere Straftaten verhindern soll. „Um beurteilen zu können, wie gefährlich eine auffällige Person tatsächlich ist, müsste die Polizei auch auf Erkenntnisse der Patientenakte zugreifen können“, sagte der BDK-Landesvorsitzende Oliver Huth dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Nach derzeitiger Rechtslage werde aber „der Datenschutz beziehungsweise die ärztliche Schweigepflicht höher gewichtet als das Bedürfnis der Bürger nach Schutz und Sicherheit. Das führt uns in ein Dilemma“, kritisierte Huth. „PeRiskoP“ ist die Abkürzung für „Person mit Risikopotenzial“.
In Krefeld war es dem Iraner Hassan N. fast gelungen, ein Großkino in Brand zu setzen. Der Mann war kurz vor der Tat in das Präventionsprogramm „PeRiskoP“ aufgenommen worden, weil er bei Behördengängen Sachbearbeiter bedroht hatte. Die Stadt Krefeld hatte den Flüchtling aus „Sicherheitsgründen“ in der Nähe einer Polizeistation einquartiert. Zuvor hatte ein Syrer in Essen zwei Wohnhäuser angezündet, wobei 31 Menschen verletzt wurden. Auch dieser Täter wurde durch „PeRiskoP“ betreut.
Erfolge bleiben oft aus
NRW-Innenminister Herbert Reul hatte das Präventionsprogramm im April 2022 vorgestellt. Wenn gewaltbereite oder waffenaffine Personen zugleich psychisch auffällig sind, sollen Polizei, Gesundheitsämter und psychiatrische Einrichtungen in Fallkonferenzen das Risikopotenzial und das weitere Vorgehen besprechen. So war in der Testphase ein Mann aufgefallen, der wiederholt Bücher zum Thema „Amok“ ausgeliehen und im Internet mit Amoktaten gedroht hatte. Dieser habe schließlich durch eine psychologische Behandlung stabilisiert werden könne, hieß es.
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Oft bleiben solche Erfolge aber offenbar aus. Der BDK kritisiert zudem, dass die Polizei im „PeRiskoP“-Programm Aufgaben übernehmen müsse, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen würden. „So wird zum Beispiel bei den Gesprächen mit den Risikopersonen gefragt, ob diese ihre Medikamente regelmäßig nehmen“, sagte Huth. Das müssten eigentlich die Gesundheitsämter machen – diese würden darüber entscheiden, ob jemand für eine Unterbringung in der Psychiatrie vorgeschlagen werde oder nicht.
Wegen der strukturellen Fehleranfälligkeit trage das Programm im Ergebnis mit dazu bei, dass das Vertrauen der Bürger in die Arbeit der Sicherheitsbehörden schwinde. „Es reicht eben nicht, Risikopersonen nur auf dem Radar zu haben. Wenn man die Präventionsarbeit ernst nimmt, muss man auffällige Personen viel engmaschiger überwachen“, sagte Huth. Aber damit sei die Polizei überfordert. „Die Bevölkerung versteht es nicht, wenn massive Straftaten von Leuten begangen werden, die von ,PeRiskoP´ betreut wurden“, so der BDK-Landesvorsitzende.
SPD: „System gehört auf den Prüfstand“
Wie sich die Ansprache der Polizei auf eine Risikoperson auswirke, sei zudem schwer berechenbar. Im Fall von Hassan N. hatten „PeRiskoP“-Mitarbeiter nach am Tattag Kontakt mit dem Brandstifter. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Ansprache der Auslöser dafür war, dass der Mann kurz darauf ausgerastet sei.
Derzeit sind nach Angaben des Innenministeriums 362 Menschen in NRW als Risikopersonen eingestuft. Die Opposition im Düsseldorfer Landtag fordert eine Überarbeitung des Präventionskonzepts. Es reiche nicht aus, „potenzielle Gefährder zu erfassen, wenn die notwendigen Maßnahmen nicht konsequent und frühzeitig genug ergriffen“ würden, sagte Marc Lürbke, Innenexperte der FDP, unserer Zeitung. Der Krefelder Fall zeige, dass das System, das Minister Reul als Erfolg feiere, in der Praxis nicht immer rechtzeitig greife. Verbesserungen seien „insbesondere vor dem Hintergrund einer weiter steigenden Zahl von kriegstraumatisierten Flüchtlingen“ dringend erforderlich.
Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD, sieht das ähnlich. „Die beiden Fälle in Essen und Krefeld haben innerhalb kürzester Zeit gezeigt, dass das System zur Früherkennung potenzieller Amoktäter auf den Prüfstand gehört“, sagte die frühere NRW-Familienministerin. Die Landesregierung müsse jetzt klarstellen, welche Verbindlichkeit die Teilnahme haben soll. Das Präventivkonzept müsse so weiterentwickelt werden, dass Verdächtige in Zukunft früher gestoppt werden könnten.
Ein Sprecher von Reul sagte unserer Zeitung, Experten würden das Programm derzeit genau unter die Lupe nehmen. Es sei aber noch zu früh, um Ergebnisse mitzuteilen. Der Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags kommt nächste Woche zur nächsten Sitzung zusammen.