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„Müssen ungewöhnliche Wege nehmen“NRW-Polizei setzt Erdbeben-Messgeräte gegen Automatensprenger ein

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Ein völlig zerstörter Geldautomat steht in einer Postbank-Filiale im Stadtteil Barmbek-Nord. Unbekannte haben am frühen Mittwochmorgen den Geldautomaten gesprengt.

Ein völlig zerstörter Geldautomat steht in einer Postbank-Filiale.

Als in der Nähe eines Bonner Physikers ein Geldautomat gesprengt wurde, schlug sein Seismograf aus. Daraus entstand eine Idee.

Außergewöhnliches Projekt bei der NRW-Polizei: Die Ermittler wollen jetzt Erdbeben-Messgeräte (Seismografen) im Kampf gegen Geldautomatensprenger einsetzen. Ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeigers“: „Seit einigen Wochen testet die Polizei NRW die Möglichkeit, seismographische Daten für das Phänomen Geldautomatensprengungen zu nutzen.“

Der Sprecher betonte: „Derzeit befinden wir uns noch in einer Erprobungsphase.“ Innenminister Herbert Reul sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu dem Projekt: „Wir müssen manchmal auch um die Ecke denken und ungewöhnliche Wege gehen, um diesem lebensbedrohlichen Treiben so wenig Spielraum wie möglich zu geben.“

Hintergrund: Im Dezember 2021 war ein Physiker aus Bonn von einem lauten Knall geweckt worden. Sein heimischer Seismograf schlug aus. Unbekannte hatten einen Volksbank-Automat 580 Meter vom Haus des Forschers entfernt gesprengt. Mit Kollegen zusammen schrieb der Physiker einen Aufsatz für ein wissenschaftliches Fachjournal.

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Polizei will offenkundig schneller reagieren können

Noch während dieser Arbeit flog bei einem der beteiligten Forscher in seiner Heimatstadt Kürten ein weiterer Geldautomat in die Luft – nun hatte man schon zwei Seismografen zum Auswerten. Dabei fanden die Wissenschaftler unter anderem heraus, dass es jeweils zwei Sprengungen gab (die erste sollte wohl das Gerät, die zweite die Geldkassette knacken). Zwischen den Detonationen lagen einmal nur 21,6 Sekunden. Sogar die mutmaßliche Menge an Sprengstoff lasen die Physiker aus den Daten heraus.

Die Wissenschaftler wendeten sich an das Landeskriminalamt (LKA), wo gerade die Soko BEGAS gegründet wurde. Die Experten analysieren Geldautomatensprengungen und Täter. Bei den Ermittlern war man so angetan von der Seismografen-Idee, dass man sich inzwischen selbst mobile Geräte (Typ Raspberry Shake) anlegte und mit den Wissenschaftlern zusammenarbeitet.

Wie genau die Seismografen helfen sollen, dazu hält sich das Innenministerium bedeckt. Man will den Tätern voraus sein und ihnen nicht alle Tricks verraten. Allerdings ist es offenkundig, dass man noch schneller reagieren will, wenn es gerummst hat.

Laut LKA gab es dieses Jahr bereits schon wieder 145 Automatensprengungen (Stand 22. November). Immerhin nicht ganz so viele wie zur gleichen Zeit vor einem Jahr: 2022 endete mit dem Rekord von 182 Attacken auf Geldautomaten.