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Drogeneinfluss nachgewiesenMann stirbt nach Polizeieinsatz in Flüchtlingsheim – Obduktionsergebnis liegt vor

Lesezeit 4 Minuten
Die Polizei steht in der Dunkelheit vor einer beleuchteten Flüchtlingsunterkunft.

Ein junger Geflüchteter ist nach einem Polizeieinsatz in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Mülheim an der Ruhr gestorben.

Ein junger Mann randaliert in einer Flüchtlingsunterkunft in Mülheim an der Ruhr. Die Polizei setzt einen Taser ein, was das Innenministerium NRW verteidigt.

Die Polizei Bochum und die Staatsanwaltschaft Duisburg ermitteln im Fall des Mannes aus Guinea, der nach einem Polizeieinsatz in einer Flüchtlingsunterkunft in Mülheim an der Ruhr gestorben ist. Die Ermittler teilten am Montag mit, dass eine Obduktion keine genauen Hinweise auf die Todesursache gegeben habe. Es wurde aber festgestellt, dass der Verstorbene erheblich vorerkrankt war. Eine toxikologische Blut-Analyse ergab, dass der Mann unter dem Einfluss von Kokain gestanden habe. Weitere medizinische Untersuchungen sind demnach in Auftrag gegeben.

Alter des Verstorbenen unklar – Bodycams der Polizei werden ausgewertet

Das Alter des Verstorbenen wurde in der Pressemitteilung der Essener Polizei mit 26 Jahren beziffert. Er soll polizeibekannt gewesen sein und in der Vergangenheit unter verschiedenen Alias-Namen und Geburtsdaten agiert haben. Die Staatsanwaltschaft Duisburg ordnete deshalb weitere forensische Untersuchungen an, um das genaue Alter bestimmen zu können.

Die von den eingesetzten Beamten mitgeführten Taser wurden durch die Ermittlungskommission sichergestellt. Diese sollen ausgelesen und untersucht werden. Ferner sollen auch die gesicherten Bodycam-Aufnahmen der Einsatzkräfte ausgewertet werden.

Alles zum Thema Herbert Reul

Innenministerium NRW verteidigt Taser-Gebrauch

In Nordrhein-Westfalen wurde der Einsatz von Tasern im Wachdienst in den Jahren 2021 bis 2023 beobachtet. Laut eines Sprechers des NRW-Innenministeriums gab es im Jahr 2021 insgesamt 197 Taser-Einsätze, bei denen in rund 78 Prozent der Fälle die reine Androhung ausreichte. Im Jahr 2022 stieg die Anzahl der Einsätze auf 734, wobei in 80 Prozent der Fälle eine reine Androhung ausreichte. Von Januar bis November 2023 gab es 1.245 Einsätze, bei denen in rund 81 Prozent der Fälle die reine Androhung ausreichte.

Insgesamt hat in acht von zehn Einsätzen in den Jahren 2022 und 2023 die reine Androhung ausgereicht, um eine Lage zu deeskalieren, so der Sprecher des NRW-Innenministeriums. Die Wirksamkeit des Taser-Einsatzes im Wachdienst wird ständig vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen (LZPD NRW) überprüft. Diese Daten zeigen, dass der Taser-Einsatz im Wachdienst in den meisten Fällen zur Deeskalation der Situation beiträgt.

Landtag NRW beschäftigt sich mit Vorfall – SPD kündigt minutiöse Aufklärung an

Im NRW-Landtag soll der Tod des Guineers in der kommenden Woche Thema sein. Unter anderem solle die Todesursache – soweit sie bis dahin klar ist – erklärt werden, heißt es in einem Antrag der SPD-Fraktion. „Der Vorfall ist dramatisch und muss selbstverständlich minutiös aufgeklärt werden. Noch wissen wir viel zu wenig, was Ursache war und zu diesem schrecklichen Ausgang geführt hat. Im Interesse aller ist jetzt Besonnenheit in der Vorgehensweise genauso gefragt wie Entschiedenheit in der Sache“, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, Christina Kampmann.

Linke fordert Verbot von Tasern und Ende von Reuls Pilotprojekt

Sascha Wagner, Landessprecher von Die Linke NRW, äußerte sich ebenfalls zum Vorfall: „Dass Distanzelektroimpulsgeräte sichere Mittel zur Deeskalation schwieriger Situationen im Polizeialltag darstellen, ist ein Märchen, das Innenminister Herbert Reul (CDU) wieder und wieder erzählt.“

Wagner verwies auf einen Vorfall in Dortmund im Jahr 2022, bei dem eine Person nach einem Taser-Einsatz verstarb, und hob hervor, dass Taser potenziell tödliche Waffen seien. Der jüngste Todesfall eines Geflüchteten zeige erneut, wie unverhältnismäßig die Waffen angewendet würden, so Wagner. Es sei allgemein bekannt, dass sie schwere Herz-Kreislauf-Störungen und Folgeschäden verursachen können. Er forderte das sofortige Ende von Reuls Pilotprojekt und dass Taser nicht länger als zugelassene Waffen im Polizeigesetz NRW geführt werden dürfen.

Mülheim an der Ruhr: Polizei setzt Taser gegen Geflüchteten ein

Die Polizei war am Samstagabend von einem Sicherheitsdienst zu der Erstaufnahmeeinrichtung gerufen worden, weil der Bewohner randaliert und Mitarbeiter angegriffen hatte. Der Mann hatte nach Angaben der Ermittler massiven Widerstand geleistet – zwei Polizeibeamte seien durch Bisse und eine Beamtin durch einen Tritt gegen den Kopf verletzt worden. Im Verlauf des Geschehens sei laut Polizei „mindestens“ zweimal ein Taser eingesetzt worden – ohne erkennbare Wirkung.

Die Einsatzkräfte konnten den jungen Mann, der sich weiterhin heftig wehrte, schließlich überwältigen und vorläufig festnehmen. Für den Bewohner der Unterkunft und die Einsatzkräfte wurden mehrere Rettungswagen angefordert. Der Mann habe dann während seiner Behandlung im Rettungswagen das Bewusstsein verloren. Er wurde unter Reanimationsmaßnahmen in ein Krankenhaus gebracht, wo er verstarb. Die Ermittler in Bochum und Duisburg hatten aus Neutralitätsgründen die Untersuchungen zu dem Vorfall übernommen. (mit dpa)