NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) will jedem Schüler einen Gedenkstättenbesuch ermöglichen – zusätzliche Mittel soll es dafür aber nicht geben.
Streit um ZuschüsseNRW-Schüler sollen Konzentrationslager besuchen – doch es gibt kaum Geld dafür
Am 27. Januar jährt sich der Befreiungstag des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. In dem Vernichtungslager wurden vom NS-Regime zwischen 1940 und 1945 mehr als 1,1 Millionen Menschen ermordet. Die schwarz-grüne Landesregierung will die Erinnerung an den Holocaust wachhalten. „Ich möchte, dass jede Schülerin und jeder Schüler einmal im Schulleben die Chance hat, ein KZ oder eine NS-Gedenkstätte zu besuchen“, sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kürzlich in seiner Neujahrsansprache. „So erreichen wir die Herzen junger Menschen. So hat Antisemitismus keine Chance“, fügte der CDU-Politiker hinzu.
Eine Forderung, für die Wüst breite Zustimmung erhielt. Wie wird die Ankündigung jetzt konkret umgesetzt? Dazu hatte die FDP zwei Kleine Anfragen gestellt. Die Antworten, die unserer Zeitung vorliegen, sind ernüchternd.
In NRW besuchen derzeit rund 1,95 Millionen Schüler eine allgemeinbildende Schule. Nach Auskunft der Landesregierung haben im Schuljahr 2022/2023 genau 3166 Jugendliche an einer Klassenfahrt zu einer Gedenkstätte ins Ausland teilgenommen. In der Jahrgangsstufe 9 profitierten gerade mal 1,18 Prozent der Schüler von einer Förderung eines Gedenkstättenbesuchs. „Anspruch und Wirklichkeit könnten gar nicht weiter auseinander liegen. Das ist Politik im Blindflug“, sagte FDP-Fraktionschef Henning Höne dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
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Land gibt 150 Euro pro Schüler
Das Land stellt bislang rund zwei Millionen Euro für Gedenkbesuche zur Verfügung. Klassenfahrten zu Mahnmalen im Inland werden derzeit mit 50 Euro pro Person, Fahrten ins Ausland mit 150 Euro bezuschusst. Die tatsächlichen Kosten liegen in der Regel weit darüber. So stellt ein Onlineanbieter für eine 5-tägige Bustour nach Krakau („Gegen das Vergessen“) derzeit 309 Euro pro Teilnehmer in Rechnung.
Angesichts des erstarkenden Antisemitismus hatte die FDP im Dezember vergangenen Jahres einen Ausbau der Gedenkstättenfahrten gefordert. Schulen seien „ein wichtiger und zentraler Baustein“ für präventive Bildungsarbeit gegen Judenhass, Rassismus und Ausgrenzung, hieß es. Die Liberalen brachten eine Initiative in den Landtag ein und forderten eine Million Euro für Klassenfahrten zur Mahnung und Erinnerung an den Holocaust.
Schwarz-Grün lehnte den Antrag ab – um sich die Forderung unmittelbar selbst zu eigen zu machen. Dies sei „dreist“ und „zynisch“, ärgert sich Fraktionschef Höne. Denn jetzt habe sich herausgestellt, dass die Landesregierung keinen Plan habe, ihre Ankündigung umzusetzen. „Leere Versprechen reichen nicht aus, dafür ist Erinnerungskultur zu wichtig“, so der Politiker aus dem Münsterland. Schwarz-Grün gebe zu wenig Geld für Klassenfahrten zu Gedenkstätten. „Die Erinnerungskultur sollte der Koalition mehr wert sein“, sagte Höne.
Mittel sollen nicht erhöht werden
Aus der Antwort des Schulministeriums auf die FDP-Anfrage geht hervor, dass im Jahr 2024 Fördermittel für 8119 Schüler und Lehrer für Auslandsreisen zur Verfügung stehen. „Eine Erhöhung der Haushaltsmittel ist derzeit nicht geplant“, heißt es in dem Schreiben von NRW-Schulministerin Dorothee Feller.
Die CDU-Politikerin wies darauf hin, man könne Erinnerungsstätten auch kennenlernen, ohne eine Reise auf sich zu nehmen. NRW-Ministerpräsident Wüst hat jetzt Schülerinnen und Schüler des Düsseldorfer Georg-Büchner-Gymnasiums in die Staatskanzlei eingeladen – dort sollen sie an einer virtuellen Führung durch die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau teilnehmen. Eine preisgünstige Lösung, aber kein Ersatz für eine Klassenfahrt nach Polen, findet Höne: „Virtuelle Besuche können unterstützen, sie können aber das reale bedrückende Erleben vor Ort nicht komplett ersetzen.“
Ayla Celik, Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW in NRW, sieht das ähnlich. Virtuelle Führungen seien zwar „eine gute Ergänzung, aber sicherlich keine Alternative“. Die „Eindrücklichkeit der Gräueltaten“ sei in den Gedenkstätten allgegenwärtig, „man kann sich ihr dort nicht entziehen“.
Auch den Mitteleinsatz der Landesregierung sieht die GEW-Chefin kritisch. Es dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern oder dem Förderverein der Schule abhängen, ob Gedenkstätten besucht werden können oder nicht, sagte Celik: „Ich halte es für einen politischen Auftrag, allen Kindern dies zu ermöglichen.“ Ohne eine Ausweitung der finanziellen Mittel werde das allerdings nicht gelingen.