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Trotz Messerangriffen am Mai-WochenendeZahl der Messer-Attacken in NRW laut Reul „geringer denn je“

Lesezeit 4 Minuten
Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, spricht im Plenum des Landtags.

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, spricht im Plenum des Landtags.

Der NRW-Landtag diskutierte über die jüngsten Messerattacken am Maiwochenende. Die Emotionen kochten am Freitag auf allen Seiten hoch.

Die vielen Messerattacken am langen Mai-Wochenende in Nordrhein-Westfalen sind laut Innenminister Herbert Reul (CDU) kein Indiz für eine insgesamt steigende Gewaltkriminalität in diesem Bereich. „Faktenlage ist: Messerangriffe sind im Moment geringer denn je“, sagte er am Freitag in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags.

Tatsächlich sei die Zahl der Messer-Angriffe hier von 2019 bis 2022 um 27 Prozent auf zuletzt 4200 gesunken. In 149 dieser Fälle sei es um Mord und Totschlag gegangen, 26 Menschen seien dabei gestorben. Bei etwa 550 Fällen habe es sich um gefährliche und schwere Körperverletzung auf öffentlichen Straßen und Plätzen gehandelt. Dies ängstige verständlicherweise besonders ältere Menschen, obwohl sie tatsächlich nur einen sehr geringen Prozentsatz der Opfer stellten, sagte Reul.

22 Prozent der fast 4000 Tatverdächtigen seien Kinder und Jugendliche gewesen. Die Quote zeige, dass mehr Präventionsangebote in der Schule allein auch keine Lösung seien. Die Hintergründe solcher Messer-Angriffe seien äußerst unterschiedlich. Daher müsse die Debatte über Lösungen differenziert geführt werden, mahnte der Innenminister.

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SPD-Opposition: Acht Messer-Attacken am ersten Mai-Wochenende

Tatsächlich kochten die Emotionen am Freitag aber auf allen Seiten hoch. Ein sensibles Thema wurde rhetorisch mit dem Breitschwert ausgefochten mit blutigen Sprachbildern und teils derben parteipolitischen Vorwürfen.

Der SPD-Opposition schickte Andreas Bialas ins Feld - selbst Polizist und bekannt für Klartext. Er listete acht Messer-Attacken des ersten Mai-Wochenendes auf, wovon eine in Leverkusen tödlich ausgegangen war. Kurz zuvor hatte außerdem eine Messe-Attacke in einem Duisburger Fitnessstudio bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Darüber hinaus sind nach dem Mai-Wochenende weitere Angriffe mit Stichwaffen in NRW publik geworden.

„Eine derartige Explosion an Gewaltkriminalität“ habe eine neue Qualität, bilanzierte Bialas. „Ein solches weiteres blutiges Wochenende darf es in unserem Land nicht geben.“ Er forderte unter anderem ein generelles Messerverbot in der Öffentlichkeit, mehr Waffenverbotszonen und häufigere Polizeipräsenz vor Ort.

Reul schiebt Kompetenz an Bund ab

Über ein generelles Messerverbot könne man mit ihm reden, sagte Reul. Beschließen könne das allerdings nur der Bund - und dort stelle die SPD die Innenministerin. Zudem werfe eine solches Verbot die Frage nach der Kontrollpflicht auf. „Dann müssten wir ja jedem in die Tasche gucken.“ Verbote für das Mitführen langer Messer gebe es bereits.

Bewährt hätten sich lokal begrenzte Waffenverbotszonen, wie sie Ende 2021 in Köln und Düsseldorf eingeführt worden seien. „Viel Polizeipräsenz an neuralgischen Punkten ist wahrscheinlich die allerbeste Antwort“, pflichtete er Bialas bei. „Klamauk wie heute“ helfe hingegen nicht, kritisierte er wortgewaltige Anwürfe.

Das rief wiederum den FDP-Abgeordneten Marc Lürbke auf den Plan, der von Reul deswegen eine Entschuldigung forderte und ihm vorwarf, eine solche Abkanzelung der Parlamentsdebatte sei „unwürdig für den Innenminister in Nordrhein-Westfalen“. Schließlich sei das Thema todernst. „Studien zeigen, dass eine Distanz von sieben Metern bei einem Messerangriff innerhalb von einer Sekunde überwunden werden können“, sagte Lürbke. „Ein solcher Angriff kann von niemandem abgewendet werden. Sowas geht nur in Hollywood.“

CDU und Grüne kritisieren SPD und AfD

Die von Reul gelobten Waffenverbotszonen seien tatsächlich nur „ein hilfloser Versuch“, einem Gewaltphänomen mit dem deutschen Schilderwald beizukommen. NRW brauche jedoch „keinen Schilderwald-Robin-Hood“, hielt der Freidemokrat dem Minister vor. „Wer am Wochenende gewalttätig wird oder mit einem Messer hantiert, der darf am Montag nicht in der Schule oder bei der Arbeit sitzen, sondern muss beim Richter sitzen.“ Für solche Beschleunigungen brauche NRW den Bund nicht.

CDU und Grüne warfen SPD und AfD Populismus und ein Spiel mit den Ängsten der Bürger vor. „Das ist ja Law and Order (zu Deutsch: Gesetz und Ordnung) vom Feinsten, was Sie hier fordern“, witzelte der CDU-Abgeordnete Gregor Golland über Bialas. „In welchen Reihen wollen Sie eigentlich fischen?“

Die Landesregierung werde sich bei ihrer Sicherheitspolitik auf Fakten verlassen und nicht „auf das Bauchgefühl der SPD-Fraktion“, sagte auch die Grünen-Abgeordnete Julia Höller. Deren Antrag sei „ziemlich plump“. Sie nahm aber vor allem die AfD ins Visier. Die Rechtspopulisten seien „ekelhaft und menschenfeindlich“ und instrumentalisierten das Thema bloß, „um ihre rassistischen Vorurteile zu schüren“, rief Höller der AfD zu.

Der AfD-Abgeordnete Markus Wagner hatte zuvor darauf hingewiesen, dass überproportional viele Ausländer an Messer-Attacken beteiligt seien und gefordert, sie spätestens dann abzuschieben. Jedoch beobachte die AfD bei Politik, Polizei und Medien häufig das Motto: „Bloß nicht sagen, was ist“. (dpa)