In die Pflege-Ausbildung starten überdurchschnittlich viele Berufsanfänger. Aber Personalmangel und die steigende Zahl an Pflegebedürftigen stellen Politik und Branche vor riesige Herausforderungen. In Köln kamen unangenehme Wahrheiten auf den Tisch. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vertraut auf Mitmenschlichkeit.
PflegebedürftigkeitMinister Laumann rät jungen Menschen: „So leben, dass einen im Alter noch ein paar Menschen leiden können.“
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat beim Pflegetag Nordrhein-Westfalen an der Uniklinik Köln in Aussicht gestellt, ausländische Pflegekräfte schneller anzuerkennen. Häufig hinke die Bürokratie hier den Bedürfnissen der Arbeitgeber hinterher. Zwar seien die Fachkräfte in der dafür zuständigen Bezirksregierung Münster schon aufgestockt worden, dennoch dauere die Anerkennung zu lange. „Die Anträge müssen in vertretbarer Zeit abgearbeitet werden.“
Gute Nachrichten: Die Zuzugszahlen von Ärzten und Pflegenden aus dem Ausland können sich laut Laumann in NRW sehen lassen: Im vergangenen Jahr wollten 3000 ausländische Ärzte sowie gut 4000 Pflegekräfte in Nordrhein-Westfalen in den Beruf einsteigen, so Laumann.
Der CDU-Politiker hob die Bedeutung und Förderungswürdigkeit der Pflegeschulen hervor und schilderte nach Zahlen eine Erfolgsgeschichte. Demnach beginnen zehn Prozent aller Schulabgänger eine Ausbildung in der Pflege, damit bildeten sie die größte Gruppe unter allen Lehrberufen. Auch die Ausbildungsvergütung liegt über der anderer Berufe. „Das scheint ja attraktiv zu sein, sonst könnten diese Zahlen nicht zustande kommen“, sagte Laumann, räumte aber ein, dass die Abbrecherquote mit 4000 bei 17.000 Ausbildungsstarter zu hoch sei.
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Auch im Pflegesektor wird ausufernde Bürokratie als Hemmschuh gesehen, Laumann forderte eine Mäßigung. „Wir reglementieren hier im offiziellen Sektor alles bis ins Detail, wissen aber gleichzeitig, dass es einen gewaltigen inoffiziellen Teil in der Pflege gibt. Da gibt es kein Arbeitszeitmodell, keinen Mindestlohn, keine Kontrollen.“ Der NRW-Minister sprach sich auf dem Branchentreffen dafür aus, einen Teil der Verantwortung an die Pflegedienstleister in den Einrichtungen zurückzugeben.
Minister Laumann: Staat kann die Pflege nicht für jeden garantieren
Aber Laumann sprach auch hoch familiensensible Themen an: Die Hoffnung der Gesellschaft, dass der Staat die Pflege eines jeden garantieren könne, sei unrealistisch. In den vergangenen Jahren ist demnach die Zahl der Menschen, die auf Pflege angewiesen waren, jährlich um 25 Prozent gestiegen. Der demografische Wandel führe dazu, dass der Pflegefachkräftemangel noch eine ganze Generation begleitet. „Wir werden das als Staat nicht lösen können“, sagte Laumann und beschwor familiären und nachbarschaftlichen Zusammenhalt als unverzichtbare Säule der Pflege. „Allen jungen Menschen hier im Saal kann ich nur den Rat geben: Es ist klug so zu leben, dass einen im Alter noch ein paar Menschen leiden können.“ Die Aufgabe, Beruf und Pflege vereinbar machen zu können, fiele aber der Politik zu.
Zentrale Forderung des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, der den Pflegetag veranstaltet, ist eine deutliche Aufbesserung des Gehalts für Pflegende. In diesem Jahr stieg der Mindestlohn für sie von 15 auf 17,65 Euro pro Stunde. Für den Verband ist das ein richtiger Schritt, aber noch nicht genug. Pflegende bleiben damit im Monat unter der 3000-Euro-Brutto-Marke. Vorsitzender Martin Dichter fordert ein Einstiegsgehalt von 4000 Euro. Nachtzuschläge kämen hinzu. „Damit liegen wir noch unter dem Durchschnittsgehalt von Vollzeit arbeitenden Männern in Deutschland, das bei etwa 4200 Euro liegt. Für einen so wichtigen Beruf halte ich das für angemessen.“
Laumann dämpfte die Erwartungen indes. Die Tarifabschlüsse in der Pflege seien in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gewesen. Auch den Belastungstarifvertrag habe er als Gesundheitsminister mit Überzeugung mitgetragen. „Auch wenn ich weiß: Am Ende wird die Zeche ein stückweit vom Land finanziert werden müssen.“
Generell sei die Kehrseite hoher Löhne aber auch ein Anstieg der Kosten- die lägen ohnehin in schwindelnden Höhen. Der Eigenanteil zum Pflegeheim beträgt demnach in NRW derzeit im Schnitt 2858 Euro. Für die Pflegebedürftigen und ihre Familien sei das auf Dauer nicht zu stemmen. „Das bedeutet: Wenn man nicht verbeamtet ist, führt Pflegebedürftigkeit über längere Zeit unweigerlich in die Grundsicherung.“