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„Verheerend“Jede 20. Unterrichtsstunde an NRW-Schulen ist ersatzlos weggefallen

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In einer Grundschule in Gera stehen die Stühle auf den Schultischen, der Klassenraum ist leer.

Unfreiwillige Pause: Im ersten Halbjahr dieses Schuljahres fielen fast fünf Prozent aller Unterrichtsstunden ersatzlos aus, teilt das NRW-Schulministerium von Dorothee Feller mit. (Archivfoto)

Nur drei Viertel des vorgesehenen Unterrichts wurden in NRW in diesem Halbjahr nach Plan erteilt.

Erstmals seit der Corona-Pandemie hat das Schulministerium wieder aktuelle Zahlen zum Unterrichtsausfall in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht. Demnach fielen im ersten Halbjahr dieses Schuljahres 4,7 Prozent aller Unterrichtsstunden ersatzlos aus. Das entspricht nach Angaben des Ministeriums der Zahl von 2,19 Millionen Unterrichtsstunden. Dies bedeutet eine deutliche Steigerung gegenüber der letzten Erhebung vor fünf Jahren, die einen Ausfall von 3,3 Prozent ergeben hatte.

Dabei wurden mit 78 Prozent lediglich gut drei Viertel des Unterrichts „gemäß Stundenplan“ erteilt. Auch hier zeigt sich eine Verschlechterung: Bei der letzten Erhebung war das noch bei 83 Prozent der Stunden der Fall. Neben dem ersatzlos ausgefallenen Unterricht gab es knapp zehn Prozent Vertretungsunterricht. Eigenverantwortliches Arbeiten (1,5 Prozent) und „Unterricht in besonderer Form“ wie etwa Projekttage oder Praktika schlugen mit 5,3 Prozent zu Buche.

Abordnungen von Lehrern sollen die Unterrichtsversorgung sicherstellen

Schulministerin Dorothee Feller (CDU) betonte, sie scheue nicht davor zurück, die Probleme klar zu benennen, um ihnen wirksam zu begegnen. NRW erfasse den Unterrichtsausfall so transparent und systematisch wie kaum ein anderes Bundesland. „Jede Unterrichtsstunde, die ausfällt, fehlt unseren Schülerinnen und Schülern. Unser Arbeitsauftrag bleibt daher klar: Wir müssen mehr Personal für unsere Schulen gewinnen, damit mehr Unterricht erteilt werden kann“, erklärte Feller. Zwar sei mehr Unterricht ausgefallen, allerdings waren in der Summe auch mehr 1,8 Prozent mehr Unterrichtsstunden pro Klasse und Woche angesetzt als noch vor fünf Jahren.

Wichtigstes Ziel bleibt nun laut Feller, mehr Lehrkräfte zu gewinnen. Deshalb sollten künftig auch Ein-Fach-Lehrkräfte qualifiziert und der Master of Education auch für Seiteneinsteiger geöffnet werden.

Kurzfristig helfe die zeitweilige Abordnung von Lehrkräften an unversorgte Schulen, um die dortige Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Darüber hinaus setzt Feller auf den Ausbau der Unterstützung von Alltagshelferinnen und -helfern, von denen inzwischen 1400 an den Schulen tätig seien.

Die SPD kritisierte den Unterrichtsausfall in NRW als „verheerend hoch“. „Diese Zahlen sind ein absolutes Desaster. Was Eltern schulpflichtiger Kinder tagtäglich erfahren, wird durch diese neue Statistik nun schwarz auf weiß belegt“, kritisierte die schulpolitische Sprecherin der SPD, Dilek Engin. Die Statistik verschleiere ein gravierendes Problem: Zwar gebe sie Auskunft über den Ausfall nicht gegebener Unterrichtsstunden. Nicht ersichtlich bleibe jedoch, wie hoch der strukturelle Unterrichtsausfall an vielen Schulen tatsächlich sei.

Schule in Gelsenkirchen musste zwölf Prozent des Unterrichts streichen

Dilek führte das Beispiel einer Schule in Gelsenkirchen an, die 200 von 1600 Stunden restlos aus der Stundentafel streichen musste, weil sie nicht mehr über das entsprechende Lehrpersonal verfügt. Dies entspreche mehr als zwölf Prozent des eigentlich vorgegebenen Unterrichts. Auf dem Papier fielen so zwar weniger Stunden aus, durch die stark verkürzte Stundentafel werde der tatsächliche Lernausfall jedoch nicht weniger.

Für die Bildungsgewerkschaft GEW bezeichnete deren Vorsitzende Ayla Celik den Ausfall als „erschreckend hoch“. Sie erwarte von der Landesregierung nun eine klare Strategie gegen den Unterrichtsausfall. Dabei müsse der Blick nicht nur auf die knapp fünf Prozent Stunden gerichtet werden, die ersatzlos ausfallen. Wenn nur drei von vier Unterrichtsstunden gemäß Stundenplan erteilt würden, bedeute dies, dass bei 32 Unterrichtsstunden pro Woche acht ausfallen. „Das ist zu viel!“, kritisierte die GEW.