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Ditib kritisiert afghanische Propaganda-Rede in KölnJetzt muss Reul erklären, warum der Taliban-Auftritt nicht gestoppt wurde

Lesezeit 3 Minuten
Abdul Bari Omar, Taliban-Führer, hielt in der Moschee in Chorweiler eine Rede.

Abdul Bari Omar, Taliban-Führer, hielt in der Moschee in Köln-Chorweiler eine Rede.

Ungestört konnte ein Taliban in Köln-Chorweiler einen Jubel-Vortrag über den menschenrechtsverachtenden Kalifatstaat in Afghanistan halten. Haben die Sicherheitsbehörden geschlafen? Ditib-Bundesverband distanziert sich und will weiter aufklären.

Der Auftritt eines hochrangigen Taliban-Funktionärs in einer Ditib-Moschee in Köln-Chorweiler wird Thema im Innenausschuss des Landtags. Der Direktor der Nationalen Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde in Afghanistan, Abdul Bari Omar, hatte am vergangenen Donnerstag einen Vortrag vor Gläubigen im Kölner Norden gehalten. Thema sollen die „positiven“ Entwicklungen Afghanistans seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 gewesen sein. Berichten zufolge hatte Omar das Islamische Kalifat als „die einzig wahre“ Staatsform gepriesen. Dabei soll es zu dem Ausruf „Es lebe das Kalifat“ gekommen sein.

„Bedrohung hat akut zugenommen“

SPD und FDP haben zu dem Vorgang jetzt eine aktuelle Befassung des Innenausschusses, der am Donnerstag stattfindet, beantragt. Dabei soll NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklären, was die Sicherheitsbehörden im Vorfeld über den Auftritt gewusst haben. Auf dem Parkplatz an der Moschee hatte ein Auto gestanden, das großflächig mit von den Taliban genutzten Fahnen und Symbolen versehen war. Da es „aktuell zu einem verstärkten Auftreten von radikalen Islamisten im öffentlichen Raum“ komme und die Bedrohung durch islamistischen Terror und Extremismus in NRW „akut zugenommen“ habe, müsse der Vorgang politisch aufgearbeitet werden, sagte Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP im Landtag.

Die Taliban waren 1994 in Afghanistan mit dem Ziel gegründet worden, eine strenge Auslegung der Scharia umzusetzen. Nach dem Abzug der Bundeswehr im August 2021 gelang es den Islamisten tatsächlich, in Afghanistan einen Kalifatstaat zu errichten, in dem seitdem insbesondere die Menschenrechte von Frauen mit Füßen getreten werden.

Alles zum Thema Herbert Reul

Nach Einschätzung des Generalbundesanwalts handelt es sich bei den Taliban aber nicht um eine kriminelle und terroristische Vereinigung. Ein Einreiseverbot für Omar, der vor dem Auftritt in Köln an einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation in den Niederlanden teilgenommen hatte, bestand offenbar nicht.

„Taliban keine Bühne geben“

Sven Wolf, innenpolitischer Sprecher der SPD im Landtag, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, man dürfe dem Regime der Taliban in NRW keine Bühne bieten. „Die Ditib muss jetzt umgehend aufklären, wie es zu dem Besuch eines hochrangigen Taliban-Funktionärs in der Ditib-Moschee in Köln-Chorweiler kommen konnte, um einen Vortrag über das Kalifat zu halten“, so der SPD-Politiker aus Remscheid. Der Auftritt passe nicht „zu unseren Werten von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat.“

Auch Cyrill Ibn Salem, vielfaltspolitischer Sprecher der Kölner Grünen, zeigte sich fassungslos: „Dass ein Taliban-Führer in unserer Stadt ungehindert Propaganda für das afghanische Terror-Regime betreiben kann, ist erschütternd. Köln steht für Vielfalt und Toleranz, deshalb ist hier kein Platz für Islamisten, die genau diese Werte angreifen.“

Reul: Hätten Auftritt nicht verhindern können

Innenminister Reul erklärte, nach derzeitigen Erkenntnissen habe es bei der Rede „keine strafrechtlich relevanten Äußerungen“ gegeben. Weil die Taliban nicht verboten seien, habe das Land den Auftritt nicht verhindern können - „auch wenn wir es gewollt hätten“.

Die Ditib untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Der Ditib-Bundesvorstand distanzierte sich von dem Taliban-Auftritt. Es sei nicht absehbar gewesen, dass eine politische Veranstaltung geplant gewesen sei, hieß es in einer Mitteilung. Nun soll geprüft werden, wie „derartige Fehler“ in Zukunft „minimiert“ werden können. Wörtlich heißt es in einem Schreiben des Bundesvorstands von Montag: „Die Ditib lehnt, gemeinsam mit all ihren Verbandsstrukturen, jede auch nur geistige Nähe zur Taliban oder anderen Extremisten ab. Wir distanzieren uns in aller Entschiedenheit unmissverständlich von Extremismus, Terror und Gewalt. Wir verurteilen den Auftritt der Taliban in Deutschland aufs Schärfste.“ Die Chorweiler Gemeinde sei aufs Gröbste durch diese unautorisierte Veranstaltung geschädigt worden. Auch von den staatlichen Einrichtungen erwarte man sich eine lückenlose Aufklärung des Vorgangs.