In NRW fehlen Pflegekräfte. Arbeitskräfte aus dem Ausland sollen helfen. Zahlen aus dem Ministerium verdeutlichen nun aber, dass ein Großteil der Bewerber an den Anerkennungshürden scheitert.
FachkräftemangelViele ausländische Pflegekräfte scheitern in NRW an der Anerkennung
Nicht einmal jede dritte Pflegekraft aus dem Ausland, die in Nordrhein-Westfalen arbeiten will, ist im vergangenen Jahr als gleichwertige Pflegefachkraft anerkannt worden. Von den 4944 Anträgen, die 2022 bei der zuständigen Bezirksregierung Münster bearbeitet wurden, erhielten 1416 die sogenannte Gleichwertigkeitsfeststellung. Dies teilte das Gesundheitsministerium NRW auf Anfrage dieser Zeitung mit. Nur diese Personen können als anerkannte Pflegekräfte in Nordrhein-Westfalen sofort freie Stellen besetzen. Und davon gibt es viele. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft bleiben sieben von zehn freien Stellen in NRW derzeit unbesetzt.
Weitere 2451 Antragstellende aus dem Ausland konnten nach Auskunft des Gesundheitsministeriums immerhin eine teilweise gleichwertige Anerkennung zugesprochen werden. Um den Arbeitsmarkt zu verstärken, wurde in diesen Fällen eine „Anpassungsmaßnahme“ oder eine „Kenntnisprüfung“ angeordnet.
Nur jeder fünfte antragstellende Apotheker aus dem Ausland wird anerkannt
Bei den Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland liegen die Zahlen laut Gesundheitsministerium etwas günstiger. Von 2421 Anträgen konnten hier im vergangenen Jahr 1041 bewilligt werden. Eine schlechte Anerkennungsquote haben im Vergleich die Apothekerinnen und Apotheker. Von 297 Anträgen wurde nur jeder fünfte bewilligt.
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Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes NRW hat die größte Gruppe derer, die in den vergangenen drei Jahren in NRW um eine Anerkennung ihres Medizinischen Gesundheitsberufes ersuchte, mit 3447 Anträgen ihre Ausbildung in Asien absolviert. 1563 Antragsteller kamen aus Afrika, 1254 aus EU-Staaten und der Schweiz, 2733 aus dem übrigen Europa.
Eine Schwierigkeit liegt in der Dauer des Anerkennungsprozesses. Sobald alle entscheidungserheblichen Unterlagen beisammen sind, braucht es laut Gesundheitsministerium durchschnittlich 74 Tage, also knapp elf Wochen, bis ein Antrag bearbeitet ist. Das Ministerium gibt an, dass gerade in der mangelnden Vollständigkeit der Unterlagen ein weiterer Verzögerungsfaktor liege. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) räumte jüngst beim Pflegetag an der Uniklinik Köln ein, dass die Bürokratie hier den Bedürfnissen der Arbeitgeber hinterherhinke. „Die Anträge müssen in vertretbarer Zeit abgearbeitet werden“, sagte er.
Zur Beschleunigung der Verfahren habe man die „Anforderungen an einzureichende Unterlagen für die Pflege- und Gesundheitsberufe deutlich reduziert“. Beglaubigungen seien in diesem Zusammenhang zum Beispiel in der Regel nicht mehr erforderlich. NRW sei damit das einzige Bundesland, das Antragsstellenden somit die Bereitstellung von Unterlagen vereinfache. Außerdem habe man bei der zuständigen Bezirksregierung Münster die Stellen für die Bearbeitung der Anträge „wiederholt“ aufgestockt, „so dass dort heute 96 Personen arbeiten“.
Auch auf Digitalisierung setzt man zumindest künftig, um der Antragsflut schneller Herr werden zu können. Bis Ende 2023 sollen alle Anträge für die Gesundheitsberufe elektronisch gestellt werden können, verspricht man beim Ministerium. Zudem solle auch die Bearbeitung und Bescheidung in Münster auf digitalem Weg erfolgen.
Keine statistische Erkenntnis dazu, wie viele Pflegekräfte tatsächlich in NRW arbeiten wollen
Wie viele Neuanträge jährlich insgesamt in Münster eingingen, darunter auch Anträge, in denen beispielsweise ein einzelnes Zeugnis fehlt, weiß niemand so genau. Dies müsse nämlich „statistisch nicht erfasst werden“, schreibt das Gesundheitsministerium auf Anfrage. „Insofern kann hierzu keine statistisch gesicherte Auskunft erteilt werden.“ Heißt: Wie viele Pflegekräfte tatsächlich in NRW arbeiten wollen und hierfür einen Antrag stellen, wird nirgends festgehalten. Sobald ein Zeugnis fehlt, taucht der Antrag in der Statistik gar nicht auf.
Die SPD im NRW-Landtag mahnt in diesem Zusammenhang den Abbau bürokratischer Hürden an. „Wenn Qualifikationen fehlen oder Zeugnisse nicht mehr auffindbar sind, muss in enger Verknüpfung zu den Pflegeeinrichtungen und Kliniken, die die Leute einstellen wollen, pragmatisch überprüft werden, welche Kenntnisse vorhanden sind. Im Zweifel muss dann eben unkompliziert nachgeprüft werden“, sagt SPD-Gesundheitsexpertin Lisa Kapteinat dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Lisa Kapteinat sieht kritischen Zeitfaktor: „Wir brauchen diese Pflegekräfte und Ärzte dringend.“
Wichtig sei in erster Linie, den Bewerbern das Gefühl zu vermitteln, sie seien herzlich willkommen. „Wir hören immer wieder, dass Antragstellerinnen und Antragsteller Monate warten müssen, bis sie überhaupt Bescheid bekommen, ob die Unterlagen vollständig sind. Oft gibt es auch gar keinen persönlichen Ansprechpartner. Das schreckt ab. Dabei brauchen wir diese Pflegekräfte und Ärzte doch dringend.“
In anderen Bundesländern wie beispielsweise Schleswig-Holstein sei der Anerkennungsprozess vor allem bei Medizinern niedrigschwelliger geregelt. Das Versprechen der Landesregierung, den Antragsprozess bis Ende des Jahres komplett digitalisiert anbieten zu wollen, hält Kapteinat für deutlich verspätet. „Es ist bitter, dass das nicht schon längst möglich ist. Wir verlieren hier den Anschluss an andere Länder und Bundesländer.“
Um mehr ausländische Pflegekräfte in den angespannten Arbeitsmarkt in NRW zu locken, hatte das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Jahr 2022 das sogenannte „Willkommensgeld NRW“ ausgelobt. 3000 Euro sollte bekommen, wer aus dem Ausland eine Arbeit im Pflegesektor in NRW antrat sowie einen Zwischenbescheid im Anerkennungsverfahren in Münster vorweisen konnte. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurde das Willkommensgeld zum Ende des Projekts im März dieses Jahres an 874 Personen ausbezahlt.