Der NRW-Innenminister hat eine Statistik zur Kriminalität nichtdeutscher Tatverdächtiger vorgestellt – und erklärt den Anstieg.
Zahl Verdächtiger deutlich gestiegenWelche Strategie das Land NRW gegen Kriminalität von Ausländern hat
Die Zahl der ausländischen Tatverdächtigen in NRW hat 2023 um rund zehn Prozent zugenommen. Das sagte NRW-Innenminister Herbert Reul am Dienstabend vor Journalisten in Düsseldorf. Demnach hatten von den 485.000 Tatverdächtigen im vergangenen Jahr circa 169.000 keinen deutschen Pass. „Das heißt: Im Jahr 2023 waren 34,9 Prozent aller Tatverdächtigen nicht deutsch“, sagte der CDU-Politiker. Jede dritte aufgeklärte Tat in NRW sei von einem Menschen ohne deutschen Pass begangen worden.
Ende 2022 habe der Anteil Nichtdeutscher an der Gesamtbevölkerung in NRW bei 15,6 Prozent gelegen. „Nichtdeutsche sind bei den Tatverdächtigen deutlich überrepräsentiert. Und das bei fast allen Delikten“, erklärte Reul. Deshalb müssen man „über Ausländerkriminalität sprechen“, so der NRW-Innenminister. Es gehe ihm darum, das Thema „fernab jedes politischen Gepolters“ zu erläutern. Man müsse die Dinge lieber „benennen, wie sie sind“, als sie auszusitzen: „Das füttert die Falschen.“
Bei der Bewertung der Zahlen müsse berücksichtigt werde, dass nicht alle nichtdeutschen Straftäter auch in NRW leben würden. Darunter seien auch Touristen oder EU-Bürger, die sich nach dem Freizügigkeitsrecht legal in NRW aufhalten würden. Zudem sei der Anteil Nichtdeutscher insgesamt gestiegen. „Weil unsere Bevölkerung heute anders zusammengesetzt ist, hat sich auch die Täterstruktur verändert“, sagte Reul. Dies sei „logisch“.
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Türken sind größte Bevölkerungsgruppe in NRW – meiste Straftaten
2013 lebten 1,7 Millionen Ausländer in NRW, 2022 waren es rund 2,8 Millionen. Die meisten Ausländer hätten heute die türkische, syrische, ukrainische, polnische und rumänische Staatsangehörigkeit. Diese Reihenfolge deckte sich mit der Struktur der ausländischen Tatverdächtigen für 2023. Dass Menschen aus der Türkei an der Spitze befänden, liege nahe, weil diese mit 15 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe in NRW neben der deutschen sei.
Seit 2015 seien viele Syrer nach NRW gekommen, heute hätten rund 8,6 Prozent der Menschen in NRW einen syrischen Pass. Unter den Tatverdächtigen stammten neun Prozent aus Syrien. Ebenfalls neun Prozent kämen der Statistik zufolge aus Rumänen. Etwa sieben Prozent seien Polen. Aus der Ukraine stammten vier Prozent der ermittelten nicht-deutschen Tatverdächtigen, so Reul.
Steiler Anstieg der Kriminalität unter Tunesiern
Bei den Ukrainern falle auf, dass weniger Tatverdächtige registriert würden, als diese anteilig an der Bevölkerung ausmachten. Ukrainische Geflüchtete seien in den meisten Fällen Frauen mit Kindern. „Die tauchen grundsätzlich deutlich seltener in der Kriminalstatistik auf“, sagte Reul. Von den insgesamt 485.000 Tatverdächtigen sein nur 26,2 Prozent Frauen gewesen.
Bemerkenswert sei der steile Anstieg bei Tatverdächtigen aus Marokko (plus 16,3 Prozent) und Tunesien (plus 40,3 Prozent). Ein „drastischer Sprung“ sei auch bei den Tatverdächtigen aus Syrien (plus 21,3 Prozent) zu beobachten. Grundsätzlich gelte: „Es kommen nicht immer die studierten, motivierten, gut ausgebildeten Leute zu uns, die wir gerne hätten“, erklärte Reul. Viele seien arme Menschen. „Das kann man ganz unaufgeregt sagen“, so der NRW-Innenminister.
Etwa ein Drittel der nicht-deutschen Tatverdächtigen falle wegen Rohheitsdelikten wie Körperverletzung oder Raub auf, ein weiteres Drittel wegen Diebstahlsdelikten. Der Anteil ausländischer Tatverdächtiger bei Taschendiebstählen liege bei rund 80 Prozent, bei Ladendiebstählen bei 47,6 Prozent, bei Raubdelikten bei 45,7 Prozent, bei Sexualdelikten bei 27,4 Prozent.
„Hausaufgaben nicht gemacht“
Der Schlüssel im Kampf gegen Kriminalität von Nichtdeutschen sei laut Reul eine gelingende Integration. „Wenn wir es nicht schaffen, die Menschen ordentlich zu integrieren, dann wird die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen weiter nach oben gehen“, mahnte Reul an. Zu wenig Deutschkurse seien ein Hemmnis, auch der lange Aufenthalt unter gleichgesinnten ohne Arbeit sei problematisch. „Die Zahlen sagen uns, dass wir unsere Hausaufgaben bei der Integration nicht gemacht haben“, bilanzierte der CDU-Politiker. „Integration, wie sie stattfinden muss, ist aktuell nicht möglich, weil zu viele Menschen zu schnell neu dazugekommen sind“, erklärte Reul. Eine „dramatische Flucht“ oder eine Wohnsituation, „die nicht optimal“ sei, rechtfertigte es nicht, kriminell zu werden.
Eine Ursache für die negative Bilanz seien auch kulturelle Unterschiede. „Das Frauenbild in arabischen Ländern ist ein anderes als in Deutschland“, sagte Reul. Auch Gewalterfahrungen, die die Menschen auf ihrer Flucht gemacht hätten, würden das Risiko, straffällig zu werden, steigern. Klar sei aber: „Wir haben kein Problem mit Ausländern. Sondern ein Problem mit Kriminalität von nichtdeutschen Tätern.“
Mehr Polizeipräsenz soll abschrecken
Ein Lösungsansatz sei, dass sich Sicherheitsbehörden enger mit dem Ministerium für Flüchtlinge und Integration zusammenarbeiten müssten. Das Haus wird von den Grünen Josefine Paul geführt. Reul kündigte zudem ein konsequenteres Vorgehen gegen Straftäter an: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Gewalt schleichend mehr Platz im öffentlichen Raum einnimmt. Wir brauchen neue und bessere Konzepte für die Innenstädte. Mit Prävention, mit Kontrollen und Präsenz der Polizei.“
Einfache und schnelle Lösung werde es nicht geben, fasste Reul zusammen. „Aber das Problem klar zu benennen, ist der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagte der CDU-Politiker.
Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, erklärte, NRW sei nach sieben Jahren unter CDU-Führung nicht sicherer geworden. Die Zahlen seien auch ein Beweis für das Versagen des Innenministers: „Bei der Polizei insgesamt sind aktuell über 2850 Stellen unbesetzt“, sagte die frühere Familienministerin. Das gefährde die Bekämpfung und strafrechtliche Ahndung von Kriminalität „massiv“. Es sei aber die Aufgabe des Staats, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, so die SPD-Politikerin: „Dazu gehört es, auch für die notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen.“