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Brief an NRW-MinisterpräsidentSchulleiter kritisieren Schulministerin Gebauer scharf

Lesezeit 4 Minuten
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Ein nordrhein-westfälische Schülerin nach den Sommerferien im Unterricht

  1. In einem Offenen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) greift die Schulleitungsvereinigung NRW das Schulministerium scharf an.
  2. Die Vereinigung wirft dem Ministerium und damit letztlich Ressortschefin Yvonne Gebauer vor, Verantwortung auf Schulen und Gesundheitsbehörden abzuwälzen.
  3. Das Ministerium wehrt die Kritik ab und verweist auf den „gut gelungenen Schulstart“.

Köln – Der Offene Brief, den Schulleitungsvereinigung NRW (SLV) an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) geschrieben hat, hat es in sich: Bereits im zweiten Absatz des Schreibens, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, heißt es, die Schulpolitik des Landes nehme im Zusammenhang mit der Organisation von Schulunterricht unter den Bedingungen der Coronavirus-Pandemie „zu wenig“ die tatsächlichen Rahmenbedingungen der Schulen war. Im Klartext: Das Schulministerium hat keine Ahnung von der Situation in den Schulen selbst. Weiter heißt es: „Die Vorgaben des Ministeriums für Bildung sind aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und der schulischen Rahmenbedingungen kaum erfüllbar!“

Schlimmer noch aus Sicht der Schulleiter: Die oberste Schulbehörde, sprich: das Schulministerium, entledige sich der eigenen Verantwortung und gebe die gesamte Verantwortung an Gesundheitsämter, Schulträger - also Kommunen, Kirchen und andere private Träger - und Schulleitungen ab.

Zwar vermeidet der Offene Brief, Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) beim Namen zu nennen, aber sie ist die Adressatin der Schulleiter-Kritik. Das Schreiben an Laschet listet detailliert mehrere Kritikpunkte auf.

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Wird scharf kritisiert: Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP)

So sei die Vorgabe des Unterrichts in „festen Lerngruppen“ nicht möglich. Denn die Schüler seien den Schultag über in unterschiedlich zusammengesetzten Lerngruppen zusammen, etwa wenn sie im Kurssystem lernten, im Religionsunterricht oder auch im Deutschunterricht für Schüler, die aus anderen Ländern stammen.

Desweiteren lässt das Ministerium aus Sicht der Schulleiter die Pädagogen auch bei der Beurteilung von Schülerleistungen allein. Es gebe keinerlei Standards oder Vorgaben, wie denn die Online-Lernleistungen, das „Lernen auf Distanz“, wie es im Schreiben heißt, bewertet werden solle. In der Praxis führe das aber zu großer Verunsicherung in den Schulen und zu Ungleichbehandlung. Die SLV prophezeit hier „Fluten von Widersprüchen und Klagen“ von unzufriedenen Schülern und Eltern.

Auch die Frage der zu späten Information der Schulen über wichtige Entscheidungen des Ministeriums, eine Kritik, der sich das Ministerium in den vergangenen Monaten bereits mehrfach gegenüber sah, greift das Schreiben auf. So sei die Information, dass das Land den Schulen 75 Millionen Euro für die Förderung von Schülern und Schülerinnen in den Sommerferien zur Verfügung stelle, „unmittelbar vor, teilweise erst in der ersten Woche der Sommerferien“ angekommen. „Wie können Schulen und Schulträger Förderung organisieren, wenn die Informationen so spät kommen?“, fragt die SLV den Ministerpräsidenten.

Wie ein roter Faden zieht sich durch den Brief der Vorwurf, dem Schulministerium seien die Arbeitsbedigungen in den Schulen offenbar „nicht bekannt“. Das Vorgehen des Ministeriums sei ein „Feldversuch“, hinter dem die Absicht stecke, sich allein durch die Formulierung von allgemeinen Vorgaben aus der Verantwortung zu ziehen. Dabei werde der Öffentlichkeit „vorgegaukelt, wie verantwortungsvoll, vorausschauend und umsichtig“ das Ministerium arbeite.

Für die in der SLV organisierten Schulleiter lässt das Vorgehen des Schulministeriums nur einen Schluss zu: Das Ministerium komme seiner Verantwortung „für Vorsorge und Gesundheitsschutz gegenüber Schülerinnen und Schülern, den Lehrkräften und Schulleitungen im Land nicht nach, von politisch verantworteter Bildungsgarantie“ sei „nichts zu spüren“.

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Die Schulleiter konstatieren aber nicht nur Ahnungslosigkeit im Düsseldorfer Ministerium. Sie werfen ihm und damit letztlich Ressortchefin Gebauer vor, das Ministerium interessiere sich nicht wirklich für die „Realität in den Schulen“.

Das Ministerium verweist auf Nachfrage dieser Zeitung auf den „gut gelungenen Schulstart“ nach den Sommerferien. Die Entscheidung für Präsenzunterricht sei „genau die richtige“ gewesen angesichts von „über 99 Prozent“ an Schülerinnen und Schülern, die daran teilnehmen könnten.

Das Schulministerium betont, sein Konzept für den Schulbetrieb in Corona-Zeiten sei im Austausch mit Lehrer-, Schüler- und Elternverbänden sorgfältig vorbereitet worden. Den Vorwurf der zu späten Information will man in Düsseldorf nicht auf sich sitzen lassen. Vielmehr seien alle Beteiligten fortlaufend über das Vorgehen des Ministeriums informiert worden.

Auch dass das Ministerium die Lehrer etwa bei der Bewertung von Schülerleistungen allein lasse, trifft aus Düsseldorfer Sicht nicht zu. Es gebe „Hinweise zur Leistungsbewertung“ heißt es in der Stellungnahme.

Zum Schluss trumpft das Ministerium dann noch mit „der größten Ausstattungsoffensive, die es je in Nordrhein-Westfalen gab“ auf. Man habe 350 Millionen Euro für das Lehren und Lernen mit digitalen Medien bereitgestellt.