Köln – Die Kölner Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz ist von zwei türkischen Zeitungen als „Feind der Türkei“ und „PKK-Sympathisantin“ diffamiert worden. Der Kölner Staatsschutz hat am Dienstag mit der Grünen-Politikerin kurdischer Herkunft telefoniert und wird sie nach Informationen dieser Zeitung am heutigen Mittwoch zu einer so genannten Gefährdetenansprache treffen. Aymaz wird darin über mögliche Gefahren aufgeklärt, es werden Kommunikationswege mit der Polizei festgelegt, auch ein Personenschutz ist denkbar.
Bedrohungenn im Netz seit vielen Jahren
Die PKK ist in der Türkei verboten und gilt als Terrororganisation – die Diffamierungen könnten türkische Nationalisten gegen Aymaz aufwiegeln. Im Internet wird die integrationspolitische Sprecherin der Fraktion wegen ihrer Kritik am türkischen Staatspräsidenten Erdogan und ihres Einsatzes für die kurdische Minderheit seit vielen Jahren bedroht und beleidigt. Durch die Verleumdung über die Zeitungen, die (nicht zum ersten Mal) auch den Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir trifft, bekommt die Bedrohung für sie eine neue Dimension. Verbreitet wird in dem Artikel auch, dass Aymaz verhaftet werden solle - eine unverhohlene Drohung an die Regimekritikerin.
Anlass des Artikels in der Zeitung „Sabah“, die als Sprachrohr des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan gilt, war Aymaz‘ jüngste Kritik an den Plänen des Landes NRW, beim Islamunterricht wieder mit dem Islamverband Ditib zu kooperieren. Das als islamistisch und antisemitisch geltende Blatt „Yeni Akit“, das Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Festnahme des Menschenrechtlers Peter Steudtner 2017 in der Türkei mit Hakenkreuz zeigte und mit Adolf Hitler verglich, übernahm den Beitrag.
Innenminister Reul stellt sich hinter Aymaz
„Unabhängig von inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten in der Diskussion um Ditib ist es völlig inakzeptabel, wenn Volksvertreter wie Berivan Aymaz wegen ihrer Beiträge zur Debatte von ausländischen Zeitungen verleumdet und diffamiert werden“, sagte Innenminister Herbert Reul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wir werden alle – auch von Deutschland ausgehenden – Versuche solcher Einschüchterungen genauestens beobachten und dagegen vorgehen, wo immer es geboten ist.“ In den sozialen Medien schlagen die Artikel bereits Wellen. Das Landesinnenministerium teilte mit, ein von der Polizei beauftragter Dolmetscher werde sämtliche Tweets, die in türkischer Sprache verfasst sind, übersetzen, um sie in der Folge strafrechtlich zu prüfen.
Wallraff hält Bericht für Aufruf zum Mord
Berivan Aymaz, die sich erst nach der Gefährdetenansprache am Mittwoch äußern möchte, erfährt derweil breite Solidarität. „Wir sind entsetzt, dass türkische Medien Berivan Aymaz als ‚Türkeinfeind"‘ und ‚PKK-Sympatisantin‘ angreifen. Wer sich in der türkischen Berichterstattung auskennt, weiß: Das ist ein Aufruf zu Verfolgung und Mord! Er richtet sich an rechtsradikale Nationalisten aus dem türkischen Milieu, die in Deutschland immer aggressiver agieren, Geschwister im Geiste deutscher Rechtsradikaler“, schreiben die Journalisten Günter Wallraff und Albrecht Kieser in einer gemeinsamen Erklärung. Die rechtsradikale Bedrohung demokratischer Politikerinnen und Politiker sei real. Das zeigten nicht nur die Bedrohungen deutscher Kommunalpolitiker und der Mord an Walter Lübcke, sondern jetzt auch die Bedrohung von Aymaz.
Grünen-Fraktion überlegt rechtliche Schritte
Als „ungeheuerlich und nicht akzetabel“ bezeichneten die Landesfraktionschefinnen der Grünen Verena Schäffer und Josefine Paul die Angriffe auf ihre Landtagskollegin. „Es muss selbstverständlich sein, dass demokratisch gewählte Abgeordnete klare Positionen und Haltungen in einer öffentlichen Debatte äußern und vertreten können, ohne dafür Verleumdungen und Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Wir stellen uns gegen rassistische Angriffe von Nationalisten jedweder Couleur.“ Derzeit prüfe die Fraktion rechtliche Schritte gegen die türkischen Zeitungen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Er erwarte von Innenminister Herbert Reul, auch die Kritiker der NRW-Islampolitik zu schützen, schrieb Grünen-Politiker Volker Beck auf Twitter und rief zu Solidarität mit Aymaz auf – exakt das tat Reul wenige Stunden später.