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Rechtsextreme Chats in NRWPolizisten posten Kegeltermine und rassistische Beiträge

Lesezeit 3 Minuten
Polizei Mülheim (1)

Polizeibeamte betreten die Wache in Mülheim – auch in der Ruhrgebietsstadt hatte es Razzien gegeben.

Köln/Düsseldorf – Herbert Reul wirkte angesäuert. Erneut musste der NRW-Innenminister vor die Presse treten, um schlechte Nachrichten im Skandal um rechtsextreme Chats bei der Polizei zu verkünden. Punkt sechs Uhr am Dienstagmorgen durchsuchten 160 Beamte 17 Wohnungen und Dienststellen von einem Dutzend Kollegen in Essen, Mülheim/Ruhr, Velbert und im Emsland.

Die Ermittlungskommission (EK) „Parabel“ in Bochum, die seit September da gesamte Ausmaße des Skandals untersucht, war bei der Auswertung zweier sichergestellter Handys beschuldigter Polizisten auf eine neue WhatsApp-Gruppe gestoßen. Nach Angaben des CDU-Politikers handelte es sich um eine Kegelrunde von 13 aktiven Beamten und zwei Pensionären, die „mutmaßlich strafrechtlich relevantes Material gepostet hat.“ Die Inhalte seien „hochgradig fremdenfeindlich und menschenverachtend“, bekundete Reul.

Kegeln, dummes Zeug und Rassismus

Meist habe der Chatzirkel neue Kegeltermine vereinbart oder auch nur „dummes Zeug“ verbreitet, so Reul weiter. Daneben kursierten allerdings auch rechtsextreme Texte, Fotos und Videos. Gegen neun Hauptakteure der Gruppe ermittelt die Staatsanwaltschaft Duisburg wegen Volksverhetzung und dem Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole. Gegen drei weitere laufen disziplinarrechtliche Maßnahmen. Alle sind vom Dienst suspendiert.

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Reul PK

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Pressekonferenz

Schon allein der Name der Chatgruppe sei bezeichnend gewesen, führte der Minister aus. Der Zirkel nannte sich „Kunta Kinte“. Eine Hauptfigur in einem Roman und der gleichnamigen erfolgreichen 70er-Jahre-TV-Serie „Roots“. Die Geschichte erzählt vom Raub durch Sklavenhändler im afrikanischen Gambia und dem leidvollen Dasein als Zwangsarbeiter auf den Plantagen eines Großgrundbesitzers im späteren US-Staat Virginia zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Der geschmacklose Name der 2015 initiierten Gruppe in Essen und Mülheim/Ruhr ist aber nur der Auftakt für folgende Beispiele, die laut dem Minister in der WhatsApp-Runde zirkulierten. So zeigte eine Aufnahme ein Zielfernrohr, das einen arabischen Mann anvisiert. Die Unterzeile lautete: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.“

Die Macht von Social Media

Besonders perfide fielen jene Twitter-Kommentare zu dem rechtsextremistischen Anschlag Mitte März 2019 auf zwei Moschee in Neuseeland mit 51 Toten aus. „Zu viele Fehlschüsse“, hieß es da. Unter einem Maschinengewehr sei ferner in altdeutscher Schrift folgender Satz gepostet worden: „Wir senden auch auf Türkisch und Arabisch. Radio Germania 90,3. Geht ins Ohr, bleibt im Kopf“. Zudem seien auch zahlreiche Hitler-Bilder und antisemitische Hetze verbreitet worden. „Da wurden Bierbänke zu Hakenkreuzen zusammengestellt.“ Die sei unerträglich, befand der Minister.

Einen besonderen Spaß machte sich die fremdenfeindliche Kegel-Truppe offenbar an einem Abend mit einer ganz besonderen Spielvariante. Anstatt mit einem Tannenbaum zählte man die Treffer am Punkteboard in Form eines Hakenkreuzes herunter. Anschließend ließ sich die Riege auch noch davor ablichten.

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Auf die Spur der neuen Gruppe gerieten die Ermittler durch Nachforschungen bei der rechtsextremen Chatgruppe „Alphateam“ auf der Polizeiwache 4 in Mülheim. Sechs Mitglieder kamen für einen Großteil Hunderter anstößiger Posts auf, der überwiegende Rest fungierte als Empfänger. Über diese Gruppe stieß die Kripo auf weitere vier Chats und stellte bei einer Razzia über 200 Handys und weitere Datenträger sicher. Von den damals 31 Beamten, die ins Blickfeld gerieten, durften inzwischen neun wieder ihren Dienst aufnehmen, weil sie keine strafwürdigen Posts abgesetzt hatten.

191 rechtsextreme Fälle bei Polizei in NRW seit 2017

Weitere Nachforschungen in der „Alphagruppe“ führten nun zur kegelnden Chat-Riege. Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 24 Beamte. Seit 2017 bezifferte Minister Reul die rechtsextremen Verdachtsfälle bei der Polizei in NRW auf 191. Durch die Auswertung weiterer Datenträger, ist sich der Unions-Politiker sicher, „werden weitere Fälle hinzukommen“. Je mehr man suche, „desto mehr werden wir finden“.

Zugleich betonte Reul, dass der ganz überwiegende Teil der 56.000 Beschäftigen und Beamten bei der Polizei „eine tadellose Arbeit verrichtet, und selbst unter diesen Fällen leidet, deshalb kämpfe ich auch so sehr gegen diese rechten Umtriebe“.