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Massenweise Hitler-BilderNeue Details zu rechtsextremen Chats der NRW-Polizei

Lesezeit 4 Minuten
Polizei Mülheim

Das Polizeipräsidium in Mülheim an der Ruhr

  1. Laut NRW-Innenminister sind 87 Strafverfahren gegen Beamte wegen rassistischer Hetze eingeleitet worden.
  2. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ konnte einen geheimen Vermerk einsehen, in dem eine Ermittlungsgruppe in Bochum Dutzende Posts mit fremdenfeindlicher und rechtsextremer Hetze auflistete.
  3. Offenbar stellten sechs der beschuldigten Beamten mehr als 90 Prozent der mutmaßlich volksverhetzenden Dateien in die Chatgruppen ein.

Düsseldorf – NRW-Innenminister Herbert Reul hatte im Landtag schlechte Nachrichten: Im Skandal um rechtsextreme Chats bei der Polizei stieg die Zahl der Teilnehmer auf 151. In 87 Fällen laufen derzeit Strafverfahren – einer der Beamten hatte Fotos von Weihnachtsbaum-Kugeln mit SS-Runen und „Sieg Heil“-Logo gepostet, ein anderer formte ein Hakenkreuz aus Dienstmunition. Reul verteidigte seine konsequente Linie: „Erstens sofort ein Disziplinarverfahren eröffnen und zweitens sofort dafür zu sorgen, dass diese Personen keine Uniform mehr tragen.“ Solche Vorgänge seien Gift für das Vertrauen in die Polizei, erklärte der CDU-Politiker, „und setzen die Axt an die Grundpfeiler unseres demokratischen Rechtsstaats.“

Mit dieser Erklärung scheint die Kritik von SPD-Opposition und der Gewerkschaft der Polizei am forschen Handeln des Ministers in dieser Angelegenheit zunächst einmal vom Tisch – von einer Hexenjagd gegen Polizisten in Essen und Mülheim/Ruhr war die Rede. Die Beamten waren vom Dienst suspendiert worden, weil sie an fünf WhatsApp-Runden teilgenommen hatten, in denen Fremdenhass und NS-Material kursierten. Neun der 31 Beamten durften inzwischen ihren Dienst wieder antreten. Bei einer Beamtin entpuppte sich die angebliche braune Datei als Hitler-Parodie. Da tauchte die Frage auf, ob Reul überzogen reagiert hatte, als er von einer „Schande“ sprach.

Geheimer Vermerk listet massenweise Hitler-Bilder und rechtsextreme Hetze auf

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ konnte nun einen geheimen Vermerk aus dem September einsehen, in dem die eigens eingesetzte Ermittlungsgruppe (EG) Parabel in Bochum Dutzende Posts fremdenfeindlicher und rechtsextremer Hetze auflistete. Ein Bild mit Wehrmachtssoldaten am Maschinengewehr wird folgendermaßen betitelt: „Du wirst nie Deutsche aus Deutschland fliehen sehen. Wenn es brenzlig wird, laufen wir nicht in fremde Länder. Wir entstauben unsere Waffen und stellen die Ordnung wieder her.“

Alles zum Thema Herbert Reul

Weitere Beispiele: Ein SS-Mann schickt Flüchtlinge in die Gaskammer. Oder: „Die besten Polizeischützen treffen immer die Schwarzen“. Zitiert wird ferner ein „neues Deutsches Volkslied: Flüchtling, Flüchtling über Alles. Über alles in der Welt. Komm zu uns im Fall des Falles. Friss Dich satt für unser Geld! …Deutschland wird langsam abgeschafft….“ Hitler-Bilder finden sich massenweise. So etwa im Kontrast zu Kanzlerin Angela Merkel, die als das „größte diktatorische Schwein aller Zeiten“ diffamiert wird. Hitlers Geburtstag genauso wie die Kriegsverbrechen in der NS-Zeit werden verherrlicht. Unter der Aufnahme gehängter Männer an einem Balken im Hintergrund raucht ein SA-Scherge eine Pfeife. Zitat: „Einfach mal die Seele baumeln lassen. Nürnberger Reichskristallweizen.“ In Luzern sei ein Albaner mit Benzin übergossen worden, heißt es in einem anderen Post: „Wir haben gesammelt für die Angehörigen. 90 Liter haben wir schon“.

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Stellt sich die Frage, wer in den fünf Chatgruppen mit den Namen Anton, A-Team, Best of A-Team, Geh ma Bier holen, VIP-Freunde und Alphateam den Ton angab? Nach Recherchen dieser Zeitung haben sechs der beschuldigten Beamten mehr als 90 Prozent der mutmaßlich volksverhetzenden Dateien in die Chatgruppen eingestellt. Vor allem bei der WhatsApp-Riege „Alphateam“ zirkulierte das braune Material. Ganz oben auf der Beschuldigtenliste steht Danny S. (Name geändert). Er soll 50 strafwürdige Bilder in die Chatrunde eingestellt haben. Insgesamt wurden auf seinem Handy 150 hetzerische Dateien sichergestellt. Bei der Razzia im September fanden sich Fotos mit Mitgliedern der Rockergang „Bandidos“. Auch stieß die EG Parabel im Adressbuch auf Kontaktdaten zu der rechtsextremen Vereinigung „Steeler Jungs“, die sich als eine Art Bürgerwehr in Essen versteht. Zugleich soll B. zur Hooligan-Truppe „Alte Garde“ des Fußball-Regionalligisten Rot-Weiß-Essen gehören.

Moralische Verantwortung: Viele Polizisten duldeten hetzerische Posts

Zwei weitere Beamte waren mit je 30 Posts beteiligt, darunter jener Polizeikommissar, der die ganze Affäre durch Ermittlungen wegen Geheimnisverrats ins Rollen gebracht hatte. Ferner Kommissar Alexander B., der vier Posts abgesetzt und einen gefesselten Deutsch-Montenegriner bei einem Einsatz geschlagen haben soll. Allerdings haben auch beim Alphateam vier der 15 Chatmitglieder in fünf Jahren keinen einzigen anrüchigen Post versandt. Es deutet sich an, dass die Zahl der minderschweren Fälle größer ist als die der gravierenden.

Zwar ermittelt die Staatsanwaltschaft Duisburg derzeit noch gegen 16 Beschuldigte. Dazu gehören aber auch einige, die nur drei oder vier Posts binnen fünf Jahren versendet hatten. Vermutlich wird bei manchen das Verfahren eingestellt. Anders stellt sich der Sachverhalt bei schweren Fällen dar. Einige dürfen mit einem Rauswurf aus dem Dienst oder gar einem Schuldspruch vor Gericht rechnen.

Bleibt jenseits der rechtlichen Vergehen noch die moralische Verantwortung: 17 Beamte aus Essen und Mülheim haben zwischen drei und 130 der hetzerischen Posts in den Chats erhalten – ohne dagegen vorzugehen oder den Vorgang zu melden.