Erst kommentiert Elon Musk den deutschen Wahlkampf, nun meldet sich Trump-Vize J.D. Vance zu Wort – und bekommt heftigen Gegenwind.
Kritik an Trump-Vize nach AfD-Beitrag„Es scheint, als sei er entweder dumm oder unehrlich“
Elon Musk, Tech-Milliardär und Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump, mischt sich bereits seit Wochen mit Wortmeldungen in den deutschen Wahlkampf ein. Beleidigungen gegen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie offene Wahlwerbung für die AfD in einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“ inklusive. Während Trump selbst zum Thema Deutschland und AfD bisher schweigt, hat sich mit J.D. Vance nun auch der kommende Vize-Präsident der USA zur AfD geäußert – und dabei prompt Falschinformationen verbreitet.
„Ich unterstütze bei der Wahl in Deutschland keine Partei, da es nicht mein Land ist und wir hoffen, gute Beziehungen zu allen Deutschen zu haben“, schrieb Vance am Donnerstagabend auf der Plattform X zur englischen Version von Musks Gastbeitrag. „Das ist ein interessantes Stück“, befand Vance, der vielen Berichten zufolge auch auf Drängen des Tech-Milliardärs zu Trumps Vize geworden sein soll. Dann mischte sich Vance entgegen seiner vorherigen Ankündigung doch ein – und offenbarte dabei historische Lücken.
Historiker kontern AfD-Behauptung von Trump-Vize J.D. Vance
„Interessant ist auch, dass die amerikanischen Medien die AfD als ‚Nazi-Lite‘ verunglimpfen. Aber die AfD ist in denselben Gebieten Deutschlands am beliebtesten, die den Nazis am meisten Widerstand entgegensetzten“, schrieb Vance auf der Plattform X, die Musk gehört. Der Protest von Historikern folgte prompt. Vance’ Behauptung ist schlichtweg falsch.
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„Worauf bezieht sich J.D. Vance überhaupt?“, zeigte sich Matthäus Wehowski, Historiker mit den Schwerpunkten Osteuropa und Geschichte des Nationalsozialismus, erstaunt. „Thüringen zum Beispiel war eine Hochburg der Nazi-Partei – es war das erste deutsche Bundesland, in dem ein Nazi (Wilhelm Frick) Minister wurde. Heute ist es auch eine Hochburg der radikalsten, rassistischsten und der antisemitischsten AfD-Politiker.“
Bereits nach der Landtagswahl in Thüringen waren die früheren NSDAP-Erfolge in dem Bundesland in Deutschland thematisiert worden. Wie Vance zu seiner Behauptung kommt, blieb daher unklar. Belege lieferte der kommende US-Vizepräsident nicht. Seine Aussage zu untermauern, dürfte Vance angesichts der Faktenlage jedoch schwerfallen.
Wo die NSDAP populär war, wird heute oft AfD gewählt
Dort, wo die NSDAP in den 1920er und 30er Jahren stärkste Partei wurde, ist auch heute die AfD heute besonders populär, während in katholisch geprägten Gebieten wie Westdeutschland und Bayern die Zentrumspartei und die Bayrische Volkspartei damals stärkste Kraft wurden.
Manche Gelehrte sparten angesichts von Vance’ Desinformation daher auch nicht mit harten Worten in Richtung des US-Politikers. „Lügt der bewusst oder ist er so blöd?“, fragte der Politikwissenschaftler Andreas Püttmann auf X. Noch deutlicher wurde derweil der Historiker Kevin M. Kruse, Professor an der US-Eliteuniversität Princeton, im sozialen Netzwerk Bluesky. „Ich will keine Panikmache betreiben, aber es scheint, als sei der neue Vizepräsident entweder dumm oder unehrlich, sehr wahrscheinlich beides“, schrieb Kruse über Vance’ Wortmeldung zur AfD.
CDU-Politiker attestiert J.D. Vance „erstaunliche historische Lücken“
Auch der CDU-Politiker Dennis Radtke schaltete sich ein und attestierte Vance in einem Beitrag auf X „erstaunliche historische Lücken“. Subtiler äußerte sich derweil der deutsche Botschafter in den USA im sozialen Netzwerk Bluesky.
„Der historische Kontext kann schwierig sein“, schrieb Andreas Michaelis an Vance gerichtet. „Während einige Gebiete, auf die Sie sich beziehen, der Nazipartei schon früh Widerstand leisteten, taten andere das nicht oder wurden später zu Hochburgen des Regimes“, führte der Botschafter aus. „Die deutsche Geschichte erinnert uns daran, wie wichtig es ist, Extremismus in all seinen Formen zu bekämpfen.“
Immer mehr Desinformation auf X seit Übernahme durch Elon Musk
Die jüngste Posse passt derweil ins Bild: Seit der Übernahme durch Musk und der Umbenennung von Twitter zu X gilt das soziale Netzwerk als eine der größten Quellen für Falschinformationen. Musk selbst mischt dabei kräftig mit – und hat auch im US-Wahlkampf immer wieder selbst Unwahrheiten verbreitet, etwa über die demokratische Kandidatin Kamala Harris. Mindestens 87 Beiträge von Musk zur US-Wahl wurden von Faktencheckern als falsch oder irreführend eingeschätzt, wie die NGO „Center for Countering Digital Hate“ berichtet.
Mit seiner Desinformation hat Musk, dem bei X mehr als 200 Millionen Nutzer folgen, den Analysten zufolge rund zwei Milliarden Aufrufe erzielt und damit Trump im Wahlkampf massiv unterstützt. Nun mischen die lautstarken Gefährten des designierten US-Präsidenten auch im deutschen Wahlkampf mit Faschbehauptungen mit – zugunsten der AfD.