- NRW-Staatssekretärin Serap Güler kandidiert im Wahlkreis, den Lauterbach (SPD) schon mehrfach gewonnen hat.
- Im Interview spricht sie über ihre Beweggründe, die anstehende Wahl und Armin Laschet.
Sie wollen für den Bundestag kandidieren – was ist der Grund dafür?Güler: Erstmal: Das war eine sehr lange und sehr gut überlegte Entscheidung und sie ist alles andere als über Nacht gefallen. Es gab unzählige Gespräche mit Familie und Freunden, viele aus der Partei, die mich dazu motiviert haben. Ich bin jetzt seit 14 Jahren in der Landespolitik, in unterschiedlichen Positionen. Ich habe also genug Erfahrung gesammelt, um jetzt einen Schritt weiterzugehen. In meinem Themenbereich haben wir gerade seit 2017 sehr viel in NRW erreicht, aber wir stoßen auch an unsere Grenzen, weil vieles was Migration und Asyl betrifft Bundesangelegenheit ist. Zum Beispiel schreiben mich nach wie vor viele Unternehmer an, die einen Geflüchteten eingestellt haben, dieser sich auch bewährt hat und jetzt abgeschoben werden soll. Gleichzeitig suchen wir händeringend Fachkräfte. Das kann kein Mensch mehr nachvollziehen. Aber mich reizen auch Themen wie Außen- und Entwicklungspolitik, die hauptsächlich auf Bundesebene stattfinden.
Sie treten gegen Karl Lauterbach an – der hat den Wahlkreis zuletzt immer gewonnen…
Ja und ich habe vor, dies zu ändern.
Rechnen Sie mit einem sicheren Listenplatz?
Erstmal geht es darum, dass mich unsere Mitglieder als ihre Bundestagskandidatin aufstellen. Es freut mich wahnsinnig, dass ich jetzt schon von sehr vielen CDU-Mitgliedern - und darüber hinaus - sehr viel Zuspruch für meine Kandidatur bekomme. Ich bin also zuversichtlich, dass das klappt und habe dann den Anspruch, den Wahlkreis direkt zu ziehen.
Welche Rolle spielen die bundespolitischen Ambitionen von Armin Laschet für Ihre Entscheidung?
Natürlich werde ich dafür kämpfen, dass der nächste Bundeskanzler der Republik Armin Laschet heißt. Aber wie bereits gesagt, ist das ein sehr langwieriger Entscheidungsprozess gewesen und keine spontane Idee, auf die ich erst nach dem 16. Januar, also nachdem Herr Laschet Bundesvorsitzender der CDU geworden ist, gekommen bin. Diese Entscheidung habe ich allen voran nach vielen Gesprächen mit Kölner und Leverkusener Parteifreunden getroffen. Unser Ziel ist, dass diese zwei großartigen Städte im Bundestag mit all ihrer Vielfalt vertreten sind.
Die SPD im Landtag will Gastarbeiter aus der ersten Generation einbürgern. Was halten Sie davon?
2017 habe ich als Bundesvorstandsmitglied der CDU an den Koalitionsverhandlungen mit der SPD im Bund teilgenommen und dort die Idee eines Generationenschnittes eingebracht, was von der SPD abgelehnt wurde. Man wollte das Fass der Staatsbürgerschaft nicht erneut aufmachen. Das halte ich nach wie vor für falsch. Aktuell haben wir das Modell, dass jedes Kind, das in Deutschland geboren wird, neben der deutschen auch die ausländische Staatsbürgerschaft der Eltern bekommt. So vererbt man die Mehrstaatlichkeit über Generationen hinweg, während man sie den Eltern verweigert. Ich bin für das gegenteilige Modell, dass sich Generationenschnitt nennt. Das bedeutet, dass wir damit vor allem der älteren Generation gegenüber unsere Wertschätzung und Anerkennung zeigen und von den Jüngeren ein klares Bekenntnis zu unserem Land verlangen, denn wir sind ein tolles Land!
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Woran ist es gescheitert?
Wie schon 2013 wollte die SPD das nicht. Deshalb kann ich diesen Antrag der SPD-Fraktion in NRW nicht ernst nehmen. Es ist das übliche Spiel: Vor einer Wahl wird wieder Augenwischerei für Migranten betrieben. Wenn die SPD hier etwas ändern will, soll sie das als Mitglied der Bundesregierung tun. Das ist der Ort, wo so ein Vorschlag hingehört, nicht der Landtag.
Benötigt man im Bund ein eigenes Integrationsministerium?
Wenn es kein reines Alibiministerium sein soll, ja. Das heißt, es müsste schon mit Kompetenzen, die derzeit vor allem im Innenministerium liegen, ausgestattet sein. So, wie wir es 2017 hier in NRW gemacht haben, indem wir die Asyl- und Ausländerrechtlichen Angelegenheiten ins Integrationsministerium geholt haben.
Sie hatten das Kopftuchverbot für unter 14-Jährige ins Gespräch gebracht. Glauben Sie noch an die Umsetzung?
Ich persönlich bin nach wie vor der Meinung, dass der Kopf eines jungen Mädchens nicht bedeckt sein sollte. Was sie dann als junge Frau entscheidet, das ist komplett ihre Sache. Aber diese Entscheidung sollte eben bewusst und nicht unter Druck getroffen werden. Ich sehe aber die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten heute klarer, als zu dem Zeitpunkt als ich die Debatte angestoßen habe.
Jedes fünfte Migrantenkind spricht kein Deutsch zu Hause – muss es eine Kitapflicht geben?
Diese Aussage ist zu verkürzt. Ich habe zu Hause auch kein Deutsch gesprochen und dafür bin ich meinen Eltern heute dankbar, da ich so wenigstens Türkisch lernen konnte - und ich denke, als studierte Germanistin ist mein Deutsch auch nicht so übel. Mehrsprachigkeit ist kein Manko, es ist ein Gewinn. Doch leider machen wir zu große Unterschiede bei den Sprachen: Wenn jedes fünfte Kind zu Hause nur Englisch sprechen würde, hätten wir diese Debatte nicht, die sich auch ausschließlich auf Migranten fokussiert. Aber es gibt auch deutsche Familien, in denen die Erziehung des Kindes hauptsächlich das iPad oder Netflix übernehmen und mit den Kindern kaum gesprochen wird. Wir müssen uns also insgesamt stärker Gedanken machen, wie wir Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen besser in ihrem Bildungsweg unterstützen.
Befürchten Sie, dass Kinder mit Migrationshintergrund durch den Distanzunterricht stärker benachteiligt werden als die deutschen Mitschüler?
Auch hier gilt: Das Problem ist nicht die Migrationsgeschichte, sondern vielmehr der soziale Hintergrund. Derzeit sind ganz viele Familien, auch bildungsaffine, sehr mit dieser Situation überfordert. Zutreffend ist: Viele Migrantenfamilien leben eher in sozial schwächeren Verhältnissen, weshalb sie vielleicht auch stärker von der aktuellen Situation betroffen sind - dies gilt eben auch für den Bildungsbereich. Ich hoffe sehr, dass wir, sobald die Situation es zulässt, wieder schnell zum Präsenzunterricht wechseln können, da wir sonst sehr viele irreparable Schäden haben werden.
Sie könnten die einzige CDU-Bundestagsabgeordnete mit türkischem Migrationshintergrund werden. Warum finden so wenige Migranten den Weg zur CDU?
Ich weiß zumindest, dass es in anderen CDU-Landesverbänden, wie zum Beispiel Berlin, auch Interessenten mit Migrationsgeschichte gibt. Als ich 2009 in die CDU eingetreten bin, waren wir wenige. Wir werden immer mehr und je repräsentativer in unseren Reihen die Vielfalt unseres Landes ist, umso mehr ziehen wir auch andere an. Das ist für die Zukunft einer Volkspartei sehr entscheidend.
Ein Nachfolger von Laschet muss laut Verfassung aus den Reihen des Landtags gewählt werden. Damit sind mögliche weibliche Bewerber wahrscheinlich aus dem Rennen. Was sagen Sie dazu?
Ich respektiere die Verfassung, finde es aber bedauerlich, dass es deshalb aktuell keine weibliche Bewerberin gibt.
Haben Sie die Idee, OB von Köln zu werden, ad Acta gelegt?
Ich bin ja gerade mal 40 - also jung genug, um diese Idee ein ganzes Stück nach hinten zu verlegen.